Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



Philothea: Die Notwendigkeit des Gebetes.

Aus der Philothea von Franz von Sales  /  zweiter Teil / 1. Kapitel 
 

Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben.

1. Nichts ist geeigneter, unseren Verstand von Unwissenheit und unseren Willen von seinen verderbten Anhänglichkeiten zu reinigen, als das Gebet, das unseren Verstand in die Helle göttlichen Lichtes rückt und unseren Willen der Wärme göttlicher Liebe aussetzt.

Das Gebet ist die segensreiche Quelle, deren belebende Wasser die Pflänzchen unserer guten Wünsche zum Grünen und Blühen bringen, jeden Makel von unserer Seele hinwegspülen und das
von Leidenschaft erhitzte Herz abkühlen.


2. Vor allem aber empfehle ich dir das Gebet des Geistes und des Herzens, ganz besonders jenes, das zum Gegenstand das Leben und Leiden des Heilands hat. Wenn du ihn oft betrachtest, wird deine Seele von ihm erfüllt, du lernst seine Art und Weise kennen und deine Handlungen nach den seinen formen. Er ist das Licht der Welt. In ihm, durch ihn und für ihn müssen wir folglich erleuchtet werden. Er ist die sprudelnde Jakobsquelle (Joh 4,6), die uns von jedem Makel reinwäscht.
Kinder lernen sprechen, indem sie der Mutter zuhören und alles nachzusprechen versuchen; so werden auch wir, wenn wir durch die Betrachtung beim Heiland weilen, seine Worte und Handlungen, sein Denken und Fühlen beobachten, bald durch seine Gnade reden, handeln und wollen lernen wie er selbst. Glaube mir, wir können zu Gott dem Vater nur durch diese Pforte (Joh 14,6) gehen; denn wie der Spiegel unser Bild nicht auffinge, hätte er nicht eine Schicht Zinn oder Blei auf seiner Rückseite, so können auch wir auf Erden nicht die Gottheit betrachten, wäre sie nicht mit der heiligen Menschheit des Heilands verbunden, dessen Leben und Sterben der geeignetste, schönste und nützlichste Gegenstand für unsere gewöhnliche Betrachtung ist. Der Heiland nennt sich nicht ohne Grund das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist (Joh 6,1); denn wie das Brot zu jeder Speise genossen wird, so sollen auch wir den Heiland in all unseren Gebeten und Handlungen betrachten, ansehen und suchen. Sein Leben und Sterben wurde von verschiedenen Schriftstellern in Betrachtungen vorgelegt, so von Bonaventura, Bellintani, Bruno,
Capiglia, Granada, de Ponte.

3. Verwende darauf täglich eine Stunde vormittags, womöglich am Morgen; nach der Nachtruhe ist dein Geist beweglicher und frischer. Verwende nicht mehr als eine Stunde darauf, außer dein
geistlicher Vater bestimmt es ausdrücklich anders.

4. Kannst du diese Übung in der Kirche halten und findest du dort genug Ruhe, dann wird dies am leichtesten und bequemsten für dich sein, denn dort kann dich niemand stören, nicht Vater, Mutter, nicht Gattin oder Gatte, noch sonst jemand, während du zu Hause wohl kaum eine ruhige Stunde finden wirst.

5. Beginne jedes Gebet, das innerliche wie das mündliche, damit, dich in Gottes Gegenwart zu versetzen. Daran halte dich ausnahmslos, du wirst bald sehen, wie nützlich dir dies sein wird.

6. Dringe beim Beten mit deinem Geist tief in diesen Sinn ein, begleite es mit innigen Bewegungen des Herzens. Bete nicht hastig, um recht viel beten zu können, sondern bemühe dich, was du betest, von Herzen zu beten. Ein Vater unser innig gebetet ist mehr wert, als viele rasch und eilfertig heruntergeleiert.

7. Der Rosenkranz ist eine sehr nützliche Gebetsform. Hast du aber die Gabe des innerlichen Gebetes, so soll dieses den Vorrang haben. Kannst du danach wegen deiner vielen Arbeit oder aus einem anderen Grund keine mündlichen Gebete mehr verrichten, so mach dir darüber keine Sorgen, sondern begnüge dich mit einem Vater unser.

8. Fühlst du dich während des mündlichen Gebetes zum inneren Gebet hingezogen, dann sträube dich nicht dagegen, sondern laß deinen Geist sich ruhig dorthin wenden und sei unbesorgt um dein unvollendetes mündliches Gebet, denn das Geistesgebet ist Gott angenehmer und deiner Seele nützlicher.

9. War es dir morgens wegen zu vieler Arbeit oder aus einem anderen Grund nicht möglich, deine Betrachtung zu halten (was möglichst selten vorkommen soll), dann hol es im Laufe des Nachmittags nach - aber nicht gleich nach dem Essen; während der Verdauungszeit könnte dich der Schlaf überwältigen, auch deiner Gesundheit wäre das nicht förderlich. Ist es dir den ganzen Tag nicht möglich, die Betrachtung nachzuholen, dann ersetze sie durch häufige Stoßgebete und durch die Lesung eines frommen Buches. Lege dir eine Bußübung auf, um in Zukunft diesen Fehler zu vermeiden, und sei fest entschlossen, am nächsten Tag die Betrachtung bestimmt einzuhalten.




LinkWithin

Related Posts with Thumbnails