Empfangen durch Jakob Lorber | Großes Evangelium Johannes Band 6 Kapitel 226
[GEJ 6.226.1] Sagte der Pharisäer: „Herr und Meister, dagegen läßt
sich nichts mehr einwenden; denn all des Gesagten Wahrheit liegt zu klar
am Tage! Aber wenn aus den Seelen der Menschen dieser Erde am Ende
lauter Götter werden, wo werden sie wohl Raum haben, sich in ihrer
göttlichen Freiheit, Selbständigkeit und Macht zu bewegen, zu walten und
zu herrschen? Denn auch ein Geist muß irgendeinen Raum und auch eine
Zeit einnehmen, wenn er auch vermöge seiner göttlichen Eigenschaften
über dem Raum und über aller Zeit steht.“
[GEJ 6.226.2] Sagte Ich: „O du kleinlichstes und völlig
zusammengeschrumpftes Gemüt! Sahst du noch nie einen gestirnten Himmel?
Weißt du noch nicht, was diese dir sichtbaren Sterne in ihrer Unzahl
sind?! Sieh, wenn aus jedem Atom dieser ganzen Erde zwölftausend Seelen
würden – was eine so ungeheure Anzahl abgeben würde, daß sie in dieser
Zeit auch der beste Rechner nimmerdar zu fassen imstande wäre –, so käme
noch kaum eine Seele auf eine Sonnenwelt im großen Schöpfungsraume,
geschweige auf die noch viel zahlloseren Erdwelten, die sich nicht
selten zu vielen Tausenden um eine einzige Sonnenwelt bewegen.
[GEJ 6.226.3] Nun aber denke dir erst die endlos größere Räumlichkeit
der Himmel Gottes und die ebenso endlose Anzahl ihrer Vereine, die den
Welten im materiellen Raume also entsprechen, daß zum Beispiel
hunderttausendmal Hunderttausende schon von dieser beinahe kleinsten
Erde bis auf diese Zeit als schon bestehend angenommen werden können!
Wieviel Menschenklassen aus dieser Erde noch gebildet werden, das weiß
nur Gott allein, weil Er die unendlichen Zahlen wie eine Einheit klar
vor Sich hat. Wenn aber aus dieser Erde Menschen so zahllos viele
Vereine im großen Jenseits gebildet werden können, wie viele dann erst
von allen den zahllos vielen Welten, von denen gar überaus viele schon
materiell so groß sind, daß diese Erde gegen sie kaum als ein Sandkorn
zu betrachten ist?
[GEJ 6.226.4] Wenn du das Gesagte erwägst, so wird es dir doch etwa
dahin ein wenig klarer werden, ob eine noch so endlos große Anzahl von
wahren Kindern Gottes einst für die gesamten ewigen und endlosesten
Himmel zu groß anwachsen wird! Meinst denn du, daß für den ewig großen
Gott eine durch deinen Menschenverstand beschränkte Anzahl für ewig hin
genügen würde?! Zähle die Geschöpfe nur dieser Erde, gedenke der überall
ins Unendliche gehenden Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit der
Pflanzen und Tiere, und du wirst schon daraus entnehmen, daß bei Gott
alles ins Unendliche geht, und niemand kann sagen, daß das etwas
Unnützes sei!
[GEJ 6.226.5] Denn so Gott nicht solches in die Pflanzen und Tiere
gelegt hätte, so würdet ihr in kurzer Zeit kein Brot mehr haben und kein
Fleisch und keine Milch, keinen Wein und kein Obst; weil aber ein
Weizenkorn, in die Erde gelegt, hundertfache Frucht bringt, so habt ihr
stets Brot zur Genüge und ebenso alles andere. Wenn also Gott gleichfort
in allem Unendliches wirkt nach Seiner allerhöchsten Weisheit und
endlosesten Macht, kann da jemand sagen, daß das ewige und endlose
Erschaffen aus Gott etwas Unnützes sei? Eure eigenen tagtäglichen
Leibesbedürfnisse lehren euch schon das blankste Gegenteil, weil ihr
ohne Nahrung nicht bestehen könntet! – Verstehst du nun, warum Gott
fortwährend so endlos vieles erschafft?“
[GEJ 6.226.6] Sagte nun ganz erstaunt der Pharisäer: „Ja, Herr und
Meister, das sehe ich nun wohl ein und bewundere tiefst Deine Weisheit, –
nur muß ich da doch noch offen meine Meinung dahin aussprechen, daß es
mir zu grauen anfängt vor der endlosesten Größe und Macht des Schöpfers,
und ich frage Dich bloß noch, ob Gott ewig fort erschaffen wird; denn
nach Deiner Rede hat das Erschaffen schon schier kein Ende. Ich bitte
Dich darum, mir darüber ein Licht zu geben, da es mir sonst ganz
schwindlig wird.“
[GEJ 6.226.7] Sagte Ich: „Das hättest du wohl schon aus dieser Meiner
Erklärung entnehmen können. Wenn Gott ewig ist, so wird Er auch sicher
von Ewigkeit her erschaffen haben! Denn was sonst sollte Er eine
Ewigkeit vor der Zeit der von dir vermeinten Erschaffung dieser Welt,
der Sonne, des Mondes und aller Sterne gemacht haben, da Er doch ewig
gleich vollkommen war?!
[GEJ 6.226.8] Gott ist dem Geiste nach ewig und unendlich. Alles
entsteht und besteht aus Ihm, alles ist in Ihm, alles ist die ewig
endlose Fülle Seiner Gedanken und Ideen vom Kleinsten bis zum Größten.
Er denkt sie im klarsten Lichte Seines Selbstbewußtseins und will, daß
sie zur Realität werden, und sie sind dann schon das, was sie
uranfänglich sein müssen. Dazu legt Er dann den Keimfunken Seiner Liebe
in die gewisserart aus Seiner Persönlichkeit hinausgestellten Gedanken
und Ideen, belebt sie, daß sie dann wie selbständige Wesen bestehen, und
leitet sie dann durch Sein beständiges und stets erhöhtes Einfließen
zur möglichst höchsten Stufe der unzerstörbaren Selbständigkeit.
[GEJ 6.226.9] Diese Wesen –, weil die göttliche Liebe in ihnen sie
leitet und erhält – sind dann selbst für sich voll schöpferischer Kraft,
reproduzieren sich selbst und können sich ins Unendliche vermehren, und
jedes aus ihnen Hervorgehende ist – wie die Kinder den Eltern – dem
Hervorbringenden nicht nur ähnlich, sondern gleich versehen mit
denselben Eigenschaften, die dazu dienen, daß Zeuger und Erzeugtes durch
die sehr leicht mögliche Vermehrung der göttlichen Liebe in sich
endlich aus der Materie ganz ins rein Geistige und völlig Gottähnliche
und doch individuell Selbständige übergehen können, und das für ewig.
[GEJ 6.226.10] So kehren die einmal hinausgestellten Gedanken und
Ideen Gottes wieder völlig zu Gott und in Gott zurück, doch nicht mehr
als pur das, als was sie hinausgestellt worden sind, sondern als völlig
lebendige, ihrer selbst klarst bewußte, selbständige und selbsttätige
Wesen, die dann ganz wie von Gott unabhängig für sich bestehen, wirken
und schaffen können, – darum Ich denn auch zu Meinen Jüngern gesagt
habe: ,Werdet also vollkommen, wie da vollkommen ist euer Vater im
Himmel!‘
[GEJ 6.226.11] Und Ich tue nun Großes vor euren Augen und Ohren; aber
ihr selbst werdet noch Größeres tun in Meinem Namen, der da ist die
Liebe Gottes in euren Herzen, ohne die niemand etwas Wirksames zum
ewigen Leben wirken kann, weil die Liebe Gottes das eigentlich
unzerstörbare Leben sowohl in Gott Selbst, wie in jedem aus Gott
hervorgegangenen Wesen ist.
[GEJ 6.226.12] Aber alles einmal irdisch Geschaffene nimmt als
solches dann einmal ein Ende, so es durch die Vollwerdung der göttlichen
Liebe in sich nach und nach ganz ins rein Geistige übergegangen ist;
und so wird auch diese Erde nicht ewig bestehen, sondern nach und nach
ins Geistige übergehen. Aber nach der Rechnung dieser irdischen Zeit
wird es für euren jetzigen Verstand noch sehr lange bis dahin währen,
bis das Feuer der göttlichen Liebe alle Materie in ihr ursprünglich
Geistiges aufgelöst haben wird.
[GEJ 6.226.13] Die Auflösung einer Welt aber wird geschehen also, wie
da geschieht die Auflösung jedes anderen irdischen Wesens, wobei der
äußere Tod nach und nach stets mehr und mehr eintritt und ersichtlich
wird. Wenn du einen Baum ansiehst, so wirst du sehen, wie er nach und
nach siecht. Er wird alt, morsch, nur einige Äste zeigen noch Leben,
andere sind faul und morsch geworden und fallen nach und nach vom
Stamme. Mit der Zeit wird auch der Stamm teilweise morsch und tot, und
es geht das so lange fort, bis endlich der ganze Baum faul, morsch und
für sich tot ist. Aber selbst als ein für sich schon vollkommen toter
Baum hat er dennoch Lebensgeister in sich; darum werdet ihr, wenn er vom
Sturme umgeworfen im Walde liegt, eine Menge Moospflanzen und auch
andere Kräutlein aus ihm herauswachsen sehen, auch werden sein Inneres
allerlei Würmer durchbohren, und eine ebenso große Menge Insekten nagen
und zehren so lange an des gestorbenen Baumes Fleisch und Mark, als noch
etwas an ihm ist, bis dann etwa nach Hunderten von Jahren vom ganzen
Baum keine Spur mehr anzutreffen ist.
[GEJ 6.226.14] Also, wenn auch in einem größeren Maße, wird es auch
gehen mit einer sterbenden und endlich ganz gestorbenen Welt. Aber wo
ein Baum stirbt, da wächst bald ein anderer an seiner Stelle. Also
vergeht auch eine Welt, – aber eine und sogar mehrere andere treten an
ihre Stelle und nehmen die übriggelassenen Lebensgeister der ganz
gestorbenen und völlig zunichte gewordenen alten Welt zur weiteren
Pflege und Ausbildung auf. Und siehe, so hat das eigentliche Erschaffen
ewig kein Ende, weil Gott auch ewig nie aufhören kann, in Seiner ewig
unbegrenzten Liebe und Weisheit zu denken und zu wollen und zu lieben!
[GEJ 6.226.15] Ich meine, daß das nun schon für jedermann in hohem
Grade verständlich sein sollte! Wem es aber dennoch zu wenig
verständlich sein sollte, dem sage Ich noch zu alldem hinzu: Denke dich
selbst in ewig jugendlicher Kraft auf einer Welt unsterblich fortlebend!
Wirst du einmal zu denken und zu wollen aufhören? Wirst du einmal ganz
untätig werden, oder wirst du nichts mehr genießen wollen? Sicher nicht,
sondern du wirst stets tätiger werden, wirst auf das eifrigste bemüht
sein und wirst alles aufbieten, um dir stets mehr und größere
Annehmlichkeiten des Lebens zu bereiten; denn das hat die Liebe und das
wahre Leben der Liebe in sich, daß es nimmer ruhen kann, sondern es muß
tätig sein, weil das Leben selbst nichts anderes als nur eine Tätigkeit
um die andere ist.
[GEJ 6.226.16] Darum meine ja niemand von euch, daß er sich einst
jenseits in einer ewig untätigen, süßen Ruhe befinden werde; denn das
wäre gerade des Geistes oder der Seele wahrster Tod. Je geistiger ein
Mensch in seinem Innern wird, desto tätiger wird er auch, und das durch
und durch. Wenn aber solches schon gar wohl ersichtlich und klar
erkenntlich in dieser Welt der Fall ist, um wieviel mehr wird das erst
drüben der Fall sein, wo kein schwerer Leib die Seele in ihrer Tätigkeit
hemmen wird! – Nun rede, ob du das wohl verstanden hast!“