Aus "Die Nachfolge Christi" | drittes Buch | Kapitel 53
1. Der Empfang der tröstenden Gnade verlangt die Loslösung vom Irdischen.
2. Die größte Loslösung ist der Sieg des Menschen über sich selbst.
3. Leg darum die Axt an die Wurzel der Eigenliebe und Weltliebe.
2. Die größte Loslösung ist der Sieg des Menschen über sich selbst.
3. Leg darum die Axt an die Wurzel der Eigenliebe und Weltliebe.
1. (Der Herr:) Mein Sohn, meine Gnade ist kostbar; sie läßt sich mit äußeren
Dingen und irdischen Tröstungen nicht verbinden. Darum mußt du alle
Hindernisse der Gnade abwerfen, wenn du wünschest, daß sie dir gegeben
werde. Suche die Stille auf, sei gern mit dir allein, verlange nicht nach müßiger
Unterhaltung mit anderen, schütte vielmehr in Andacht dein Herz vor Gott aus,
um so deinen Geist und dein Gewissen in Reue und Reinheit zu erhalten. Achte
die ganze Welt für nichts und ziehe den Umgang mit Gott allen äußeren Dingen
vor. Denn du kannst dich nicht gleichzeitig mir widmen und am Vergänglichen
ergötzen. Von Bekannten und Freunden mußt du dich trennen und allem
zeitlichen Trost entsagen, wie schon der heilige Apostel Petrus die
Christgläubigen mahnt, daß sie sich "als Fremdlinge und Pilger in dieser Welt"
verhalten sollen (1 Petr 2, 11).
2. Mit welcher Zuversicht wird der sterben, den nichts mehr an die Erde bindet!
Aber das Herz so von allem loszulösen, faßt ein kranker Geist nicht, noch kennt
der den Trieben verhaftete Mensch die Freiheit des inneren Menschen. Doch
wenn er wahrhaft geistig sein möchte, muß er auf alles verzichten, was ihm fern
oder nahe steht, und sich vor keinem mehr hüten als vor sich selbst. Wenn du
dich selbst vollkommen besiegt hast, wirst du das übrige leichter überwinden.
Der vollkommenste Sieg ist der Sieg über sich selbst. Wer nämlich sich selbst in
der Gewalt hat, daß die Sinnlichkeit der Vernunft und die Vernunft mir in allem
gehorcht, der ist in Wahrheit Sieger über sich selbst und Herr der Welt.
3. Begehrst du diesen Gipfel zu erklimmen, so mußt du mutig beginnen und die
Axt an die Wurzel legen, um die heimliche ungeordnete Anhänglichkeit an dich
selbst und zu jedem persönlichen irdischen Gut "auszureißen und zu zerstören"
(Jer 1,10). Mit diesem Fehler, daß der Mensch sich selbst allzu unordentlich
liebt, hängt fast alles zusammen, was von Grund aus überwunden werden muß.
Ist dieses Übel einmal überwunden und bezwungen, kehren bald ein großer Friede und eine tiefe Stille
ein. Weil aber wenige versuchen, sich selbst zu sterben und ganz aus sich
herauszugehen, bleiben sie in sich verstrickt und können sich nicht im Geiste
über sich erheben. Wer jedoch frei mit mir zu wandeln wünscht, muß alle seine
schlechten und unordentlichen Neigungen ertöten und darf keinem Geschöpfe
aus Eigenliebe und Begierde anhängen.