Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



DNC: Natur und Gnade haben verschiedene Triebkräfte

Aus "Die Nachfolge Christi"  |  drittes Buch  |  Kapitel 54

1. Die Regungen der Natur und der Gnade sind schwer zu unterscheiden.
2. Die Natur ist listig, will frei sein und sucht sich selbst.
3. Die Natur ist stolz, will beachtet sein, ist träge und flieht das Niedrige.
4. Die Natur hängt am Irdischen, ist habsüchtig und weltselig.
5. Die Natur sucht sinnlichen Trost, ist gewinnsüchtig und eitel.
6. Die Natur klagt und verlangt nach Ansehen.
7. Die Gnade schafft andere Menschen: sie erhebt zum Himmlischen.

1. (Der Herr:) Mein Sohn, achte sorgfältig auf die Regungen der Natur und der Gnade; denn sie stehen miteinander in heftigem Widerstreit und sind dabei so unmerklich fein, daß sie wohl nur von einem geistigen, innerlich erleuchteten Menschen unterschieden werden. Alle streben ein Gut an, alle haben bei ihrem Reden und Tun irgendwie das Gute im Auge, und darum erliegen viele unter dem Scheine des Guten der Täuschung.
 
2. Die Natur ist verschlagen, zieht viele an, verlockt und betört sie und hat immer sich selbst zum Zweck. Die Gnade hingegen "wandelt in Einfalt" (Spr 10,9) und "vermeidet jeden bösen Schein" (1 Thess 5,22), geht nicht auf Täuschung aus, tut alles rein um Gottes willen, in dem sie auch letztlich ruht. Die Natur will nur ungern sterben und nicht unterdrückt oder überwunden werden, will nicht gehorsam sein oder sich freiwillig beugen. Die Gnade aber befleißigt sich der Abtötung des eigenen Ich, widersteht der Sinnlichkeit, liebt die Unterwürfigkeit, wünscht gebunden zu sein, will keine persönliche Freiheit, will unter Zucht stehen, über niemanden Herrschen, sondern stets unter Gott leben, stehen und sein und "um Gottes willen vor jedem Menschen sich in Demut beugen" (1 Petr 2, 13). Die Natur arbeitet zu ihrem Vorteil und achtet nur immer auf den Gewinn, den sie aus dem anderen herausschlagen kann. Die Gnade aber "sieht nicht auf das, was ihr Nutzen und Vorteil bringt, sondern was vielen zugute kommt" (1 Kor 10,33).

3. Die Natur nimmt gern Ehre und Hochachtung entgegen, die Gnade aber weist getreulich Gott alle Ehre und allen Ruhm zu. Die Natur fürchtet, beschämt und verachtet zu werden, die Gnade aber "freut sich der Schmach um des Namens Jesu willen" (Apg 5,41). Die Natur liebt Müßiggang und körperliche Ruhe, die Gnade aber kann nicht untätig sein, sondern greift gern zur Arbeit. Die Natur wünscht Seltenes und Schönes zu besitzen und verabscheut das Geringe und Gemeine. Die Gnade erfreut sich am Einfachen und Schlichten, lehnt das Rauhe nicht ab und sträubt sich nicht, ein altes Gewand zu tragen.
 

4. Die Natur sieht auf das Zeitliche, freut sich auf irdischen Gewinn, trauert über Verlust und wird schon durch ein leichtes Scheltwort erregt. Die Gnade achtet auf das Ewige, klebt nicht am Zeitlichen, gerät bei äußeren Verlusten nicht in Unruhe und läßt sich durch harte Worte nicht erbittern; denn sie hat ihre Werte und ihre Freude im Himmel, wo nichts verlorengeht. Die Natur ist begierig, nimmt lieber, als sie gibt, und liebt das Eigene und Besondere. Die Gnade ist gütig und mitteilend, meidet das Besondere, ist mit Wenigem zufrieden und hält "geben für seliger als nehmen" (Apg 20,35). Die Natur neigt zu den Geschöpfen, zur Verzärtelung des Leibes, zu Eitelkeiten und Zerstreuungen. Die Gnade zieht zu Gott und zur Tugend, verliebt sich nicht in die Geschöpfe, entsagt der Welt, haßt die leiblichen Begierden, beschränkt die Gänge nach draußen und scheut es, öffentlich aufzutreten.
 

5. Die Natur hat gern den äußeren Trost der Sinnesfreuden, die Gnade sucht ihren Trost nur in Gott; sie frohlockt über allem Sichtbaren im höchsten Gute. Die Natur tut alles um des Gewinnes und eigenen Vorteiles willen, kann nichts umsonst tun, sondern hofft, für ihre Wohltaten etwas Gleiches oder Besseres oder doch Lob und Gunst zu erlangen. Sie erwartet, daß ihre Taten und Geschenke beachtet werden. Die Gnade aber sucht nicht das Zeitliche und möchte keinen anderen Lohn als Gott allein. Von den notwendigen zeitlichen Dingen wünscht sie nicht mehr, als ihr zur Erreichung der ewigen Güter dienlich sein kann. Die Natur hat Freude an vielen Freunden und Verwandten, rühmt sich des vornehmen Standes und einer edlen Herkunft, hofiert den Mächtigen, schmeichelt den Reichen und schenkt ihresgleichen Beifall. Die Gnade liebt die Feinde, brüstet sich nicht mit vielen Freunden, legt keinen Wert auf Stand und Herkunft, es sei denn, daß größere Tugend damit verbunden ist, bevorzugt den Armen vor dem Reichen, fühlt mehr mit dem Unschuldigen als dem Mächtigen, "hat ihre Freude mehr an der Wahrheit als an der List" (1 Kor 13, 6); allezeit ermahnt sie die Guten, "nach den besseren Gnadengaben zu streben" (1 Kor 12,31) und dem Sohne Gottes durch Tugend ähnlich zu werden.

6. Die Natur klagt schnell über Mangel und Beschwerde, die Gnade trägt die Not mit Gleichmut. Die Natur bezieht alles auf sich, streitet und klagt für sich. Die Gnade führt alles auf Gott als seinen Ursprung zurück, von dem es ausgeht, schreibt sich selbst nichts Gutes zu und überhebt sich nicht, streitet nicht und zieht ihre Ansicht der Meinung anderer nicht vor, unterwirft sich vielmehr in all ihrem Fühlen und Denken der ewigen Weisheit und der Prüfung Gottes. Die Natur wünscht Verborgenes zu wissen und Neuigkeiten zu hören, will nach außen hervortreten und vieles von außen erfahren; sie verlangt nach Anerkennung und nach einer Tätigkeit, die Lob und Bewunderung einbringt. Die Gnade aber sorgt sich nicht um aufregende Neuigkeiten, da dieses alles ja von der alten Verderbnis stammt. Neues und Beständiges gibt es eben nicht auf der Welt. Sie lehrt darum: Bezähme die Sinne, bekämpfe das eitle Selbstgefallen und die Prahlsucht, verbirg in Demut das, was lobens und bewundernswert ist, und suche in allen Dingen und in jedem Wissenszweig den rechten Nutzen und Gottes Lob und Ehre. Sie will nicht sich und das Ihrige gerühmt wissen, sondern sie wünscht nur, daß Gott in seinen Gaben gepriesen werde, der alles aus reiner Liebe spendet.
 

7. Diese Gnade ist ein übernatürliches Licht, ein besonderes Gottesgeschenk, das eigentliche Zeichen der Auserwählten und das Unterpfand des ewigen Heiles. Sie erhebt den Menschen vom Irdischen zur Liebe des Himmlischen und macht den erdverhafteten zu einem Geistmenschen. Je mehr also die Natur bezähmt und besiegt wird, um so reichlicher ergießt sich die Gnade, und in "täglich neuen Heimsuchungen wird der innere Mensch nach Gottes Bild umgeformt" (2 Kor 4, 16).





LinkWithin

Related Posts with Thumbnails