Die Nachfolge Christi | drittes Buch | Kapitel 50
1. Ich fühle mich verlassen und arm; denn du, O Gott, hast dich von mir
zurückgezogen.
2. Ich weiß, daß die Verlassenheit heilsam für mich ist; sie liegt in deinen ewigen Plänen.
3. Ich danke für die Prüfung.
4. Ich vertraue mich mit ganzer Zuversicht deiner Führung an.
1. (Der Knecht:) Herr, Gott, heiliger Vater, sei nun und in Ewigkeit gepriesen;
denn wie du es willst, so ist es geschehen, und was du tust, ist gut. Freuen soll
sich dein Knecht, aber in dir, nicht in sich selbst oder in einem andern. Du allein
bist die wahre Freude, du meine Hoffnung und meine Krone, mein Jubel, du
allein, Herr, meine Ehre. "Was hat dein Knecht, daß er nicht von dir empfangen
hat ?" (1 Kor 4, 7), und zwar ohne sein Verdienst? Dein ist alles, was du
gegeben und was du geschaffen hast. "Ich bin arm und stehe in der Mühsal von
meiner Jugend an" (Ps 88, 16). Meine Seele wird oft bis zu Tränen betrübt und
gerät auch bisweilen in Verwirrung wegen bevorstehender Leiden. Ich verlange
nach der Wonne des Friedens, ich flehe um den Frieden deiner Kinder, die im
Lichte deiner Tröstung weiden. Schenkst du den Frieden, senkst du mir heilige
Freude ein, so wird die Seele deines Dieners lauter Jubelgesang, Andacht und
Gotteslob. Ziehst du dich aber zurück, wie du es oft zu tun pflegst, kann er den
"Weg deiner Gebote nicht laufen" (Ps 119,32), muß vielmehr in die Knie sinken
und an seine Brust klopfen. Es ist ihm dann so ganz anders als gestern und vorgestern, als "deine Leuchte über seinem Haupte strahlte" (Ijob 29,3) und der
"Schatten deiner Flügel ihm Schutz" vor den andrängenden Versuchungen
"gewährte" (Ps 17, 8).2. Ich weiß, daß die Verlassenheit heilsam für mich ist; sie liegt in deinen ewigen Plänen.
3. Ich danke für die Prüfung.
4. Ich vertraue mich mit ganzer Zuversicht deiner Führung an.
2. Gerechter und stets lobwürdiger Vater, "gekommen ist die Stunde", daß dein
Knecht geprüft werde (Joh 17,1). Liebenswerter Vater, es ist billig, daß dein
Knecht in dieser Stunde etwas für dich leide. Ewig verehrungswürdiger Vater,
gekommen ist die Stunde, die du von Ewigkeit her kommen sahst, daß dein
Knecht äußerlich eine Weile erliegen soll, innerlich aber immerfort in dir lebe.
Eine kurze Zeit soll er verachtet und gedemütigt werden, vor den Menschen
schwach erscheinen und von Leid und Schmerz aufgerieben werden, damit er
mit dir im Morgenglanze neuen Lichtes auferstehe und im Himmel verklärt
werde. Heiliger Vater, du hast es so geordnet und gewollt, und was du geboten
hast, ist geschehen. Es ist ja eine Gnade für deinen Freund, wenn er aus Liebe zu
dir in der Welt Leid und Trübsal erduldet, sooft und von wem immer du es
zulässest. Ohne den Ratschluß deiner Vorsehung und ohne Ursache geschieht
nichts auf Erden. "Herr, es ist gut für mich, daß du mich gedemütigt hast, damit
ich deine Satzungen lerne" (Ps 119,71) und allen Hochmut und Eigendünkel des
Herzens von mir tue. Nützlich ist es für mich, daß die "Scham mein Antlitz
bedeckt hat" (Ps 69, 8), damit ich meinen Trost bei dir und nicht bei den
Menschen suche. Ich habe auch daraus gelernt, zu erschauern vor deinem
unerforschlichen Gericht, das den Gerechten so gut wie den Gottlosen trifft, aber
nicht ohne Billigkeit und Gerechtigkeit.
3. Dank sei dir, daß du meiner Sünden nicht geschont hast, sondern mich mit bitteren Streichen gezüchtigt, indem du mir von außen und innen Schmerzen und Ängste sandtest. "Keiner" von allen, die unter dem Himmel sind, "kann mich trösten" (Klgl 1, 2) als du, Herr, mein Gott, allein. Du bist der himmlische Seelenarzt, der "schlägt und heilt, der ins Totenreich hinabführt und zurückführt" (1 Sam 2, 6). Deine züchtigende Hand liegt auf mir, deine Zuchtrute belehrt mich. Siehe, geliebter Vater, ich bin in deinen Händen, ich beuge mich unter die Rute deiner Zucht, schlag zu auf meinen Rücken und Nacken, bis ich meinen Starrsinn vor deinem Willen krümme. Mach aus mir einen frommen und bescheidenen Schüler, wie du so gern zu tun pflegst, daß ich dir auf jeden Wink gefügig sei. Dir überlasse ich mich und alles Meine zur Besserung; es ist besser, hier gezüchtigt zu werden als in der künftigen Welt.
4. Du weißt alles und jedes, und selbst das Gewissen des Menschen enthält für dich kein Geheimnis. "Du kennst das Zukünftige, bevor es eintrifft" (Dan 13, 42), du hast nicht nötig, daß einer dich belehre oder ermahne über das, was auf Erden vor sich geht. Du weißt, was meinem Fortschritt dient, und wie sehr das Leid geeignet ist, den Rost der Fehler hinwegzufegen. Handle mit mir ganz nach
3. Dank sei dir, daß du meiner Sünden nicht geschont hast, sondern mich mit bitteren Streichen gezüchtigt, indem du mir von außen und innen Schmerzen und Ängste sandtest. "Keiner" von allen, die unter dem Himmel sind, "kann mich trösten" (Klgl 1, 2) als du, Herr, mein Gott, allein. Du bist der himmlische Seelenarzt, der "schlägt und heilt, der ins Totenreich hinabführt und zurückführt" (1 Sam 2, 6). Deine züchtigende Hand liegt auf mir, deine Zuchtrute belehrt mich. Siehe, geliebter Vater, ich bin in deinen Händen, ich beuge mich unter die Rute deiner Zucht, schlag zu auf meinen Rücken und Nacken, bis ich meinen Starrsinn vor deinem Willen krümme. Mach aus mir einen frommen und bescheidenen Schüler, wie du so gern zu tun pflegst, daß ich dir auf jeden Wink gefügig sei. Dir überlasse ich mich und alles Meine zur Besserung; es ist besser, hier gezüchtigt zu werden als in der künftigen Welt.
4. Du weißt alles und jedes, und selbst das Gewissen des Menschen enthält für dich kein Geheimnis. "Du kennst das Zukünftige, bevor es eintrifft" (Dan 13, 42), du hast nicht nötig, daß einer dich belehre oder ermahne über das, was auf Erden vor sich geht. Du weißt, was meinem Fortschritt dient, und wie sehr das Leid geeignet ist, den Rost der Fehler hinwegzufegen. Handle mit mir ganz nach
deinem Wunsch und Willen, und wende dein Auge nicht weg von meinem
sündhaften Leben, das keinem besser und genauer bekannt ist als dir allein.
Herr, laß mich wissen, was ich wissen soll, lieben, was ich lieben soll; laß mich
loben, was dir am meisten gefällt, schätzen, was in deinen Augen wertvoll ist,
tadeln, was dein Auge beleidigt. Laß mich nicht "nach dem äußeren
Augenschein urteilen und nicht nach dem Hörensagen unerfahrener Menschen
entscheiden" (Jes 11,3). Laß mich vielmehr in sachlicher Beurteilung das
Sichtbare vom Geistigen unterscheiden und vor allem stets das Wohlgefallen
deines Willens suchen. Die Sinne der Menschen gehen in ihrem Urteil oft fehl.
Es täuschen sich auch die Liebhaber der Welt, die nur das Sinnenfällige lieben.
Wird einer deshalb besser, weil ein anderer ihn hochschätzt? Der Falsche täuscht
den Falschen, der Tor den Toren, der Blinde den Blinden, der Kranke den
Kranken, wenn er ihn lobt. In Wirklichkeit tut er ihm Schmach an, wenn er ihn
ohne Grund lobt. Denn was jeder in deinen Augen ist, das ist er und nicht mehr,
spricht der demütige, heilige Franziskus.