Aus der Philothea von Franz von Sales / erster Teil / 12. Kapitel
Vorbereitung
Versetze dich in Gottes Gegenwart. Bitte ihn um sein Licht.
Erwägungen
1. Denke zurück an die Zeit, da du zu sündigen begonnen. Sieh, wie sich die Sünden
seit jenem ersten Mal in deinem Herzen vervielfacht haben; von Tag zu Tag sind sie zahlreicher
geworden: Sünden wider Gott, gegen dich selbst, wider deine Mitmenschen; Sünden durch
Handlungen, Worte, Begierden, Gedanken.
2. Denke an deine schlechten Anlagen; wieviel hast du ihnen nachgegeben? Du wirst sehen, daß
deiner Fehler mehr sind, als die Haare deines Hauptes (Ps 40,13), mehr als die Sandkörner am
Meeresstrand.
3. Erwäge besonders den Undank gegen Gott; diese Sünde teilt ihre Bosheit allen Sünden mit und
macht sie verabscheuungswert. Sieh, Gott schenkte dir so viele Wohltaten, du aber hast sie gegen
ihren Spender mißbraucht. Wieviel mißachtete Eingebungen, wieviel vertrödelte gute Regungen!
Und was noch schlimmer ist als alles: wie oft hast du die heiligen Sakramente empfangen, - und wo
sind die Früchte davon? Was ist aus dem kostbaren Geschmeide geworden, mit dem dich dein
liebevoller Bräutigam geschmückt hat? All seine Wohltaten sind verschüttet von deinen Missetaten!
Wie hast du dich auf ihren Empfang vorbereitet? Bedenke diese Undankbarkeit: Gott ging dir
immer nach, um dich zu retten, und du bist stets vor ihm geflohen, zu deinem eigenen Schaden.
Anmutungen und Entschlüsse
1. Schäme dich über deine Erbärmlichkeit: Mein Gott, wie kann ich
es wagen, vor Deinem Angesicht zu erscheinen? Ich bin ein verworfener Mensch, undankbar und
sündig. Wie ist das möglich, daß ich so treulos sein konnte? Nicht einen meiner Sinne, nicht eine
meiner seelischen Fähigkeiten habe ich vor der Sünde bewahrt, unversehrt und rein erhalten! Kein
Tag verging, an dem ich nicht Böses getan hätte! Sollte das meine Erwiderung auf die Wohltaten
meines Schöpfers und das Blut meines Erlösers sein?
2. Bitte um Verzeihung und wirf dich dem Herrn zu Füßen, wie der verlorene Sohn, wie Maria
Magdalena, wie das ehebrecherische Weib: Herr, Verzeihung für mich Sünder! Lebendige Quelle
des Erbarmens, sei barmherzig mit mir Armen!
3. Nimm dir vor, besser zu leben: Nein, Herr, nie mehr will ich mich der Sünde hingeben! Ich baue
auf Deine Gnade. Ich habe die Sünde zu sehr geliebt; ich verabscheue sie jetzt und wende mich Dir
zu, barmherziger Vater. ln Dir will ich leben und sterben.
4. Um die begangenen Sünden auszulöschen, will ich sie mutig bekennen. Alle will ich tilgen, alle
ohne Ausnahme.
5. Ich will alles tun, um die Sünden aus meinem Herzen zu reißen, vor allem diese und jene, die mir
besonders mißfallen.
6. Dazu will ich stets die Mittel gebrauchen, die man mir empfehlen wird. Nie kann ich zu viel tun,
um so große Fehler wieder gutzumachen.
Schluß
Danke Gott, der bis jetzt auf dich gewartet und dir diese guten Entschlüsse eingegeben hat. Opfere
ihm dein Herz auf. Bitte ihn, daß er dich stärke, um sie auszuführen.