Die Nachfolge Christi | drittes Buch | Kapitel 14
1. Das Gericht über die Engel erfülle dich mit heiliger Furcht;
2. Die Heiligkeit ist ohne Gnade Gottes nicht von Dauer.
3. Was ist dann der Mensch ohne die Hilfe von oben?
1. Das Gericht über die Engel erfülle dich mit heiliger Furcht;
2. Die Heiligkeit ist ohne Gnade Gottes nicht von Dauer.
3. Was ist dann der Mensch ohne die Hilfe von oben?
1. (Der Knecht:) Herr, du läßt deine Gerichte wie Donner über mich dahinrollen,
mein Gebein ist von Furcht und Zittern befallen, und meine Seele erschauert
gewaltig. Erschüttert stehe ich da und bedenke, daß die "Himmel nicht rein sind
vor deinem Angesichte" (Ijob 15, 15). Wenn du "an den Engeln Sünde gefunden und
ihrer nicht geschont hast" (vgl. Ijob 4, 18), was wird mit mir geschehen? "Sterne
sind vom Himmel gefallen" (Offb 6, 13), und ich Staub, was nehme ich mir heraus?
Deren Werke lobenswert erschienen, stürzten in die Tiefe. Die "das Brot der Engel" (Ps
78,25) aßen, sah ich die "Treber der Schweine mit Behagen verzehren" (vgl. Lk
15,16).
2. Es gibt keine Heiligkeit, wenn du, Herr, deine Hand zurückziehst. Keine
Weisheit nützt, wenn du aufhörst, sie zu leiten; keine Tapferkeit hilft, wenn du sie nicht
mehr trägst; keine Keuschheit ist gesichert, wenn du sie nicht behütest; kein
Achthaben auf sich selbst ist von Erfolg, wenn dein heiliges Auge nicht wacht. Sind wir uns
selbst überlassen, dann sinken wir und gehen wir zugrunde; suchst du uns aber heim,
dann richten wir uns wieder auf und leben. Wir sind unbeständig, aber durch dich
werden wir wieder stark, wir sind lau, aber in dir fangen wir Feuer.
3. Wie niedrig und verächtlich muß ich von mir selber denken. Wie nichtig
muß mir vorkommen, was ich Gutes zu haben scheine. Wie tief, O Herr, muß ich mich
deinen "unergründlichen Gerichten" (Ps 36,7) unterwerfen, da ich finde, daß ich nichts anderes bin als nichts, als ein reines Nichts. Unermeßliche Last,
undurchschwimmbares Meer, wo ich von mir nichts entdecke als nur ein Nichts.
Wo wäre noch ein Schlupfwinkel für Ruhm, wo noch Raum für Vertrauen auf
eigene Tugend? Verschlungen ist alles eitle Rühmen im Abgrund deiner Gerichte, die
über mich kommen. Was ist doch der Mensch vor deinen Augen? "Rühmt sich etwa
der Ton gegen seinen Töpfer?" (Jes 29,16). Kann der wohl mit hohlem Geschwätz
so wichtig tun, dessen Herz in Wahrheit Gott unterworfen ist? Nicht die ganze
Welt wird den zum Hochmut verleiten, den die Wahrheit überwunden hat. Das Lob
aller Menschen genügt nicht, den zum Wanken zu bringen, der seine ganze Hoffnung
auf Gott gegründet hat. Denn die da reden, sind alle nichts; sie verschwinden mit
dem Schalle ihrer Worte. "Die Treue des Herrn aber bleibt in Ewigkeit" (Ps 117, 2).