Aus DIE NACHFOLGE CHRISTI von Thomas von Kempen, Kapitel 53
1. Der Empfang der tröstenden Gnade verlangt die Loslösung vom Irdischen.
2. Die größte Loslösung ist der Sieg des Menschen über sich selbst.
3. Leg darum die Axt an die Wurzel der Eigenliebe und Weltliebe.
1. (Der Herr:) Mein Sohn, meine Gnade ist kostbar; sie läßt sich mit äußeren Dingen
und irdischen Tröstungen nicht verbinden. Darum mußt du alle Hindernisse der
Gnade abwerfen, wenn du wünschest, daß sie dir gegeben werde. Suche die Stille auf,
sei gern mit dir allein, verlange nicht nach müßiger Unterhaltung mit anderen, schütte
vielmehr in Andacht dein Herz vor Gott aus, um so deinen Geist und dein Gewissen
in Reue und Reinheit zu erhalten. Achte die ganze Welt für nichts und ziehe den
Umgang mit Gott allen äußeren Dingen vor. Denn du kannst dich nicht gleichzeitig
mir widmen und am Vergänglichen ergötzen. Von Bekannten und Freunden mußt du
dich trennen und allem zeitlichen Trost entsagen, wie schon der heilige Apostel
Petrus die Christgläubigen mahnt, daß sie sich "als Fremdlinge und Pilger in dieser
Welt" verhalten sollen (1 Petr 2, 11).
2. Mit welcher Zuversicht wird der sterben, den nichts mehr an die Erde bindet! Aber
das Herz so von allem loszulösen, faßt ein kranker Geist nicht, noch kennt der den
Trieben verhaftete Mensch die Freiheit des inneren Menschen. Doch wenn er
wahrhaft geistig sein möchte, muß er auf alles verzichten, was ihm fern oder nahe
steht, und sich vor keinem mehr hüten als vor sich selbst. Wenn du dich selbst
vollkommen besiegt hast, wirst du das übrige leichter überwinden. Der
vollkommenste Sieg ist der Sieg über sich selbst. Wer nämlich sich selbst in der
Gewalt hat, daß die Sinnlichkeit der Vernunft und die Vernunft mir in allem
gehorcht, der ist in Wahrheit Sieger über sich selbst und Herr der Welt.
3. Begehrst du diesen Gipfel zu erklimmen, so mußt du mutig beginnen und die Axt
an die Wurzel legen, um die heimliche ungeordnete Anhänglichkeit an dich selbst
und zu jedem persönlichen irdischen Gut "auszureißen und zu zerstören" (Jer 1,10).
Mit diesem Fehler, daß der Mensch sich selbst allzu unordentlich liebt, hängt fast
alles zusammen, was von Grund aus überwunden werden muß. Ist dieses Übel einmal
überwunden und bezwungen, kehren bald ein großer Friede und eine tiefe Stille ein.
Weil aber wenige versuchen, sich selbst zu sterben und ganz aus sich herauszugehen,
bleiben sie in sich verstrickt und können sich nicht im Geiste über sich erheben. Wer
jedoch frei mit mir zu wandeln wünscht, muß alle seine schlechten und
unordentlichen Neigungen ertöten und darf keinem Geschöpfe aus Eigenliebe und
Begierde anhängen.
Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3
Text des Tages - Die Gnade Gottes macht sich nicht gemein mit denen, die dem Irdischen zuneigen
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