Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



DIE HORDEN DER HÖLLE MARSCHIEREN – TEIL III

Von Rick Joyner

Teil 1Teil 2Teil 3

Der Richterstuhl Christi

Diese Botschaft ist in der Ich-Form geschrieben, weil sie keine Fiktion, sondern eine reale Erfahrung ist, die ich hatte. Ich habe daher versucht, sie so zu vermitteln, wie ich sie erfahren habe.
In diesem Teil werde ich von Begegnungen berichten, die ich mit bestimmten Menschen vor dem Richterstuhl Christi hatte. Viele dieser Menschen kenne ich persönlich oder habe von ihnen gehört. Aus verständlichen Gründen habe ich ihre Namen nicht mitgeteilt und ich möchte dich ermutigen, nicht darüber zu spekulieren, wer sie waren. Der Punkt ist nicht, wer sie waren, sondern die Lektionen, die sie vermitteln.
Die meisten prophetischen Träume und Visionen sind Allegorien, aber dies bedeutet nicht, daß sie die Realität nicht zutreffend wiedergeben. Auch wenn diese Botschaft wie eine Fiktion erscheint, ist sie es nicht, und ich bete, daß du sie ernst nimmst. Laß die Wahrheit in dieser Botschaft als Wahrheit stehen und ihr Werk in deinem Leben tun.
Diese Serie ist eine der populärsten geworden, die wir jemals publiziert haben. Zur gegebenen Zeit wird das gesamte Werk in einer viel umfassenderen Version als Buch veröffentlicht werden, aber ich wollte Euch diese verdichtete Form zuerst mitteilen.


Ich schaute mich ein letztes Mal in dem riesigen Raum im Inneren des Berges um. Hier wurden die Schätze der Errettung aufbewahrt. Es schien, als hätten ihre Ausdehnung und ihre Schönheit kein Ende. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß die anderen Räume, die die anderen großen Wahrheiten des Glaubens enthielten, herrlicher sein könnten. Das half mir zu verstehen, warum so viele Christen diesen Platz niemals verlassen wollten. Die großen Edelsteine, welche die verschiedenen Aspekte der Erlösung repräsentierten, strahlten eine Herrlichkeit aus, die weit jenseits von jeglicher irdischer Schönheit war. Es war schöner als jede Beschreibung, und ich wußte, daß ich für die Ewigkeit hätte hier bleiben können, ohne je Langeweile zu haben.
Der Adler, der mir am nächsten war, schrie fast: „Du mußt nun weiter!“ Dann setzte er etwas ruhiger fort: „Es gibt keinen größeren Frieden und keine größere Sicherheit, als in der Errettung des Herrn zu wohnen. Du wurdest hierhergebracht, um dies kennenzulernen, weil du es dort, wohin du jetzt gehst, brauchen wirst. Aber du darfst nicht länger hier bleiben.“
Die Aussage des Adlers über Frieden und Sicherheit berührte etwas in mir. Ich dachte an die tapferen Krieger, welche die Schlacht auf dem untersten Level des Berges, ‚Errettung‘, gekämpft hatten. Sie hatten so gut gekämpft und viele befreit, aber sie waren auch alle schwer verwundet. Dann unterbrach der Adler meine Gedanken, als hätte er zugehört.
„Gott hat eine andere Definition von Frieden und Sicherheit als wir. In der Schlacht verwundet zu werden, ist eine große Ehre. Aus diesem Grunde brüstet sich der Apostel Paulus mit seinen Schlägen und Steinigungen. Es gibt keine Kühnheit, solange keine echte Gefahr da ist. Der Herr sagte, er würde mit Josua sein, um für das verheißene Land zu kämpfen, aber immer wieder ermutigte er ihn, stark und mutig zu sein, weil er zu kämpfen hatte, und weil es Gefahren geben würde. Auf diese Weise bestätigt der Herr diejenigen, die der Verheißungen würdig sind – sie lieben Gott und seine Versorgung mehr als ihre eigene Sicherheit. Kühnheit offenbart echten Glauben. Der Herr hat nie versprochen, daß Sein Weg einfach sein würde, aber der Einsatz würde sich lohnen. Die Kühnheit derer, die auf dem Level der Errettung kämpften, bewegte die Engel des Himmels, es sehr hoch zu schätzen, was Gott in der gefallenen Rasse der Menschen geschaffen hatte. Sie wurden in dem heftigen Angriff verletzt, aber sie gaben nicht auf und sie wichen nicht zurück. Wie auch immer, indem du auf den Berg geklettert bist, warst du in der Lage, mit einer Autorität zu kämpfen, die letztendlich sogar mehr Seelen freisetzte. Viele weitere Seelen werden diese Räume zur großen Freude des Himmels füllen, wenn du weitermachst.
Dann drehte ich mich um und schaute auf die dunkle und abweisende Tür, über der geschrieben stand: ‚DER RICHTERSTUHL CHRISTI‘. Genauso wie mich jedesmal Wärme und Frieden durchströmten, wenn ich die großartigen Schätze der Errettung ansah, erfaßte mich Furcht und Unsicherheit, wenn ich auf diese Tür schaute. Alles in mir wollte in diesem Raum bleiben, und nichts in mir wollte durch diese Tür gehen. Wieder antwortete der Adler auf meine Gedanken.
„Bevor du durch die Tür zu einer großen Wahrheit trittst, wirst du diese Gefühle haben. Du hast dich sogar beim Eintritt in diesen Raum mit den Schätzen der Errettung so gefühlt. Diese Ängste sind eine Folge des Sündenfalls. Sie sind die Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse. Die Erkenntnis von diesem Baum machte uns alle unsicher und egozentrisch. Die Erkenntnis von Gut und Böse läßt die wahre Erkenntnis Gottes furchterregend erscheinen, obwohl tatsächlich jede Wahrheit von oben zu noch mehr Frieden und Sicherheit führt. Sogar die Strafgerichte Gottes sind zu begehren, weil alle Seine Wege vollkommen sind.“
In der Zwischenzeit hatte ich genug erfahren, um zu wissen, daß das, was uns richtig erscheint, oft der am wenigsten fruchtbare Pfad und manchmal der Weg in die Tragödie ist. Während meiner ganzen Reise war es immer der Pfad, der am riskantesten erschien, der zur größten Belohnung führte. Es schien sogar, daß mit jedem Mal mehr riskiert werden mußte.
„Es braucht mehr Glauben, in den höheren Bereichen des Geistes zu wandeln,“ stellte der Adler fest und schien ein wenig mehr irritiert. „Der Herr gab uns die Wegskizze zu seinem Königreich, als er sagte: ‚Wenn du dein Leben zu retten suchst, wirst du es verlieren, aber wenn du dein Leben um meinetwillen verlieren wirst, dann wirst du es finden.‘ Diese Worte allein können dich auf dem Weg zum Gipfel des Berges halten und werden dich zum Sieg in der bevorstehenden großen Schlacht führen. Sie werden dir auch helfen, vor dem Richterstuhl Christi bestehen zu können,“ fügte er hinzu, auf die Tür blickend.
Ich wußte, ich mußte gehen. Ich wußte, daß ich diesen herrlichen Raum und die Schätze der Errettung in Erinnerung behalten sollte, aber ich wußte auch, daß ich nicht mehr auf sie zurückblicken sollte. Ich mußte weitergehen. Ich wandte mich um und mit dem ganzen Mut, den ich aufbringen konnte, öffnete ich die Tür zum Richterstuhl Christi und ging hindurch. Der Trupp Engel, der mir zugewiesen war, postierte sich rund um die Türe, aber trat nicht ein.
„Was ist los? Werdet ihr nicht mitkommen?“ fragte ich, weil ich unbedingt die Sicherheit ihrer Gemeinschaft wollte.
„Wo du jetzt hingehst, mußt du allein hingehen. Wir warten auf dich auf der anderen Seite.“
Ohne zu antworten, drehte ich mich um und begann loszugehen, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Es war das Härteste, das ich jemals getan hatte. Ich war in der furchterregendsten Dunkelheit, die ich jemals erfahren hatte. Die schrecklichsten Ängste stiegen in mir hoch. Bald begann ich zu denken, ich hätte die Hölle selbst betreten. Ich dachte daran, den Rückzug anzutreten, aber als ich mich umwandte, konnte ich nichts sehen. Die Tür war geschlossen, und ich konnte nicht einmal sehen, wo sie sich befand. Ich beschloß, daß ich weitergehen müßte, und bewegte mich langsam weiter, den Herrn um Hilfe bittend. Als ich dies tat, begann Friede in meinem Herzen zu wachsen.
Dann bemerkte ich, daß die Dunkelheit nicht länger kalt war, sondern daß ich anfing, mich wohl zu fühlen. Dann sah ich ein schwaches Licht. Es wurde allmählich ein wunderbares Licht, das so herrlich war, daß ich meinte, daß ich in den Himmel selbst eintrat. Nun nahm die Herrlichkeit mit jedem Schritt zu. Ich war erstaunt, wie etwas derart Wunderbares einen derart dunklen und abschreckenden Eingang haben konnte. Ich wollte jeden Schritt auskosten, bevor ich den nächsten machte.
Bald öffnete sich der Weg zu einem Saal, der so groß war, daß ich empfand, daß die ganze Erde dafür zu klein wäre. Seine Schönheit könnten sich menschliche Architekten nicht einmal erträumen. Ich habe niemals etwas derartiges empfunden, was meine Seele erfüllte, als ich diesen Raum sah. Am anderen Ende war die Quelle der Herrlichkeit, die von allem in dem Raum ausging. Ich wußte, es war der Herr, aber ich fürchtete mich ein wenig, als ich auf Ihn zuging. Ich dachte nicht einmal daran, wie groß die Entfernung war. Es war alles so wunderbar, daß ich dachte, ich könnte für immer gehen und dabei jeden Schritt genießen. Nach irdischen Maßstäben, die hier irgendwie nicht angebracht waren, würde ich viele Tage brauchen, um den Thron zu erreichen.
Meine Augen waren derart auf die Herrlichkeit des Herrn fixiert, daß ich sehr lange voranschritt, bevor ich bemerkte, daß ich an einer Vielzahl von Menschen vorbeiging, die in Reih und Glied zu meiner Linken standen (es waren genau so viele zu meiner Rechten, aber die waren so weit weg, daß ich sie erst bemerkte, als ich den Thron erreichte). Als ich sie anschaute, mußte ich stehenbleiben. Sie waren strahlender und majestätischer als irgend jemand, den ich je gesehen habe. Ihr Gesichtsausdruck nahm mich völlig gefangen. Ein solcher Friede und solche Zuversicht hat niemals ein menschliches Gesicht geziert. Jeder einzelne war schön – jenseits aller irdischen Maßstäbe. Als ich mich den mir am nächsten stehenden zuwandte, beugten sie sich zum Gruß, als würden sie mich kennen.
„Woher kennt ihr mich?“ fragte ich, überrascht über meine eigene Kühnheit, sie so etwas zu fragen.
„Du bist einer der Heiligen, die in der letzten Schlacht kämpfen,“ sagte ein Mann in der Nähe. Jeder hier kennt dich und alle jene, die jetzt auf der Erde kämpfen. Wir sind die Heiligen, die dem Herrn in den Generationen vor dir gedient haben. Wir sind die große Wolke von Zeugen, die das Recht bekommen haben, die letzte Schlacht mitzuverfolgen. Wir kennen euch alle und wir sehen alles, was ihr tut.“
Ich bemerkte dann jemanden, den ich auf der Erde gekannt hatte. Er war ein treuer Gläubiger, aber ich dachte nicht, daß er jemals etwas Bedeutsames getan hatte. Auf der Erde war er so unattraktiv, daß ihn das schüchtern machte. Hier hatte er dieselben Züge, aber er sah attraktiver aus als irgendeine Person, die ich auf der Erde kannte. Er kam auf mich zu in einer Sicherheit und Würde, die ich zuvor weder in ihm noch in irgend jemandem sonst gesehen hatte.
„Der Himmel ist viel großartiger, als wir uns das auf der Erde hätten erträumen können,“ begann er. „Dieser Raum ist nur die Schwelle der Bereiche von Herrlichkeit, die weit jenseits unseres Erfassungsvermögens liegen. Es ist auch wahr, daß der zweite Tod viel schrecklicher ist, als wir dies verstanden. Weder Himmel noch die Hölle sind so, wie wir dachten, daß sie wären. Wenn ich auf der Erde gewußt hätte, was ich hier weiß, hätte ich nicht so gelebt, wie ich es tat. Du bist mit einer großen Gnade gesegnet, daß du bereits vor deinem Tod hierher kommen konntest,“ sagte er, während er auf meine Kleidung schaute.
Ich schaute dann auf mich. Ich hatte noch immer den alten Mantel der Demut an und die Rüstung darunter. Ich empfand mich als schmutzig und unreif, als ich vor jenen stand, die so majestätisch und schön waren. Ich begann, daran zu denken, daß ich in ernste Schwierigkeiten kommen würde, wenn ich in diesem Zustand vor dem Herrn erscheinen müßte. Wie die Adler so konnte auch mein Bekannter meine Gedanken verstehen und er antwortete auf sie: „Diejenigen, die hierherkommen und den Mantel tragen, haben nichts zu befürchten. Dieser Mantel ist das höchste Ehrenzeichen, und aus diesem Grund haben sich alle verbeugt, als du vorbeigegangen bist.“
„Ich habe nicht einmal bemerkt, daß sich irgend jemand vor mir verbeugt hat,“ erwiderte ich, ein wenig in Verlegenheit gebracht.
„Das ist nicht unangemessen,“ setzte er fort. „Hier erweisen wir einander den gebührenden Respekt. Hier dienen uns sogar die Engel; aber nur unser Gott und sein Christus werden angebetet.“
Ich war noch immer beschämt. Ich mußte mich zurückhalten, daß ich mich nicht vor diesen Herrlichen niederbeugte, und zur selben Zeit wollte ich mich verstecken, weil ich so schlecht aussah. Dann begann ich, darüber zu klagen, daß meine Gedanken hier genauso dumm waren wie auf der Erde, und hier kannte sie jeder! Ich fühlte mich schmutzig und dumm, als ich vor diesen Wesen stand, die so ehrfurchterregend und rein waren. Wieder antwortete mein alter Bekannter auf meine Gedanken.
„Wir haben jetzt unsere unvergänglichen Körper, aber du nicht. Unser Verstand wird nicht länger durch die Sünde behindert. Wir können daher ein Vielfaches von dem erfassen, was selbst der größte menschliche Geist ausloten kann, und wir werden die Ewigkeit damit verbringen, in unserer Fähigkeit zu verstehen, zuzunehmen. Das ist so, damit wir den Vater erkennen und die Herrlichkeit seiner Schöpfung verstehen können. Auf Erden kannst du nicht einmal anfangen zu verstehen, was hier die Geringsten von uns erkennen, und wir sind die Geringsten von allen hier.“
„Wie könnt ihr die Geringsten hier sein?“ fragte ich voll Zweifel.
„Es gibt hier eine Aristokratie. Die Belohnungen für unser Leben auf der Erde sind die ewigen Positionen, die wir hier innehaben. Die große Menge hier sind diejenigen, die der Herr die ‚törichten Jungfrauen‘ nannte. Wir kannten den Herrn und vertrauten auf sein Kreuz zur Befreiung von Verdammnis, aber wir haben nicht wirklich für Ihn, sondern für uns selbst gelebt. Wir hielten unsere Gefäße nicht mit dem Öl des Heiligen Geistes gefüllt. Wir haben ewiges Leben, aber wir haben unser Leben auf der Erde vergeudet.“
Ich war sehr erstaunt über diese Aussage, aber ich wußte, daß an diesem Ort niemand würde lügen können.
„Die törichten Jungfrauen knirschten mit den Zähnen in der äußersten Finsternis,“ widersprach ich.
„Das taten wir auch. Der Schmerz, den wir empfanden, als wir verstanden, daß wir unser irdisches Leben vergeudet hatten, übertraf jeden Schmerz, der auf der Erde möglich ist. Die Dunkelheit dieses Kummers kann nur von denjenigen verstanden werden, die ihn durchlitten haben. Solch eine Dunkelheit wird noch größer, wenn sie im Angesicht der Herrlichkeit des Einen, den wir versäumten, offenbar wird. Du stehst nun inmitten des niedrigsten Ranges im Himmel. Es gibt keine größeren Narren als diejenigen, welche die großartige Errettung Gottes kennen, aber weiter für sich selbst leben. Hierher zu kommen und die Wahrheit dieser Torheit zu erkennen, ist ein Schmerz, der jenseits dessen liegt, was eine irdische Seele erfahren kann. Wir sind diejenigen, welche die äußerste Dunkelheit erlitten haben wegen dieser größten aller Torheiten.“
Ich konnte es noch immer nicht glauben. „Aber ihr seid herrlicher und mit mehr Freude und Frieden angefüllt, als ich mir das jemals hätte vorstellen können, selbst für die im Himmel. Ich spüre keinerlei Gewissensbisse in euch und ich weiß auch, daß ihr hier nicht lügen könnt. Das macht mir keinen Sinn.“
Er schaute mir direkt in die Augen und setzte fort: „Der Herr liebt auch uns mit einer Liebe, die größer ist, als du es jetzt verstehen kannst. Vor Seinem Richterstuhl habe ich die größte Dunkelheit der Seele und das stärkste Schuldbewußtsein erlebt, die man überhaupt haben kann. Obwohl wir hier die Zeit nicht so messen wie auf der Erde, schien es so lange zu dauern, wie mein Leben auf der Erde gedauert hat. Alle meine Sünden und Torheiten, von denen ich nicht umgekehrt war, gingen an mir vorüber und allen hier Anwesenden. Welchen Schmerz dies bereitet, kannst du nicht verstehen, solange du es nicht erfahren hast. Ich fühlte, daß ich im tiefsten Verlies der Hölle war, sogar als ich vor dem Herrn stand. Er war unerbittlich, bis mein Leben vollständig durchgesehen war. Als ich sagte, daß es mir leid täte und Ihn um die Barmherzigkeit seines Kreuzes bat, wischte er meine Tränen weg und nahm die große Finsternis weg. Er schaute mich mit einer Liebe an, die alles übertrifft, was du jetzt verstehen kannst. Er gab mir diese Robe. Ich empfinde die Dunkelheit oder Bitterkeit nicht mehr länger, die ich empfand, als ich vor Ihm stand, aber ich erinnere mich an sie. Nur hier kann man sich an solche Dinge erinnern, ohne daß die Pein von neuem hochkommt. Ein Moment im untersten Teil des Himmels ist viel besser als tausend Jahre des besten Lebens auf der Erde. Nun hat sich mein Klagen über meine Torheit in Freude verwandelt, und ich weiß, daß ich die Freude immer haben werde, auch wenn ich am untersten Platz im Himmel bin.“
Ich dachte wieder an die Schätze der Errettung. Irgendwie wußte ich, daß alles, was dieser Mann gesagt hatte, durch diese Schätze geoffenbart wurde. Jeder Schritt, den ich auf dem Berg und in den Berg hinein gemacht hatte, offenbarte, daß seine Wege sowohl furchterregender als auch wunderbarer sind, als ich sie zuvor gekannt hatte.
Während er mich eindringlich anschaute, fuhr mein alter Bekannter fort:
„Du bist nicht hier, um zu verstehen, sondern um zu erfahren. Die nächste Rangstufe hier ist viel höher als das, was wir haben. Jede höhere Stufe ist um ein Vielfaches großartiger als die vorhergehende. Auf den höheren Stufen hat man nicht nur einen noch großartigeren geistlichen Leib, sondern man ist mit jeder weiteren Stufe dem Thron näher, von dem die gesamte Herrlichkeit kommt. Wie auch immer, ich empfinde keinerlei Schmerz mehr über mein Versagen. Eigentlich verdiene ich gar nichts. Ich bin aus Gnade hier und ich bin so dankbar für das, was ich habe. Er ist so würdig, geliebt zu werden. Ich könnte jetzt viele wunderbare Dinge in den verschiedenen Bereichen des Himmels tun, aber ich möchte lieber hier bleiben und einfach seine Herrlichkeit sehen, auch wenn ich am äußersten Rand bin.“
Dann fügte er mit einem Blick in die Ferne hinzu: „Jeder im Himmel ist jetzt in diesem Raum, um zuzusehen, wie sich Sein großes Geheimnis lüftet, und euch zuzusehen, die ihr in der letzten Schlacht kämpfen werdet.“
„Kannst du Ihn jetzt sehen?“ fragte ich. „Ich sehe seine Herrlichkeit weit weg, aber ich kann Ihn nicht sehen.“
„Ich kann Ihn um vieles besser sehen als du,“ antwortete er. „Ja, ich kann Ihn sehen und alles, was Er tut, sogar von hier. Ich kann auch die Erde sehen. Er gab uns all diese Vollmacht. Wir sind die große Wolke von Zeugen, die euch zusehen.“
Er ging in die Reihen zurück, und ich ging wieder weiter und versuchte dabei, all das zu verstehen, was er zu mir gesagt hatte. Als ich über diese großartige Schar blickte, von denen er sagte, daß es die törichten Jungfrauen wären, diejenigen, die ihr irdisches Leben geistlich verschlafen hätten, da wußte ich, daß, wenn irgendwelche von ihnen jetzt auf der Erde erschienen wären, dann würden sie als Götter angebetet werden; und dennoch waren sie die Allerniedrigsten von denen, die hier waren!
Dann begann ich, an all die Zeit zu denken, die ich in meinem Leben vergeudet hatte. Es war ein derart erdrückender Gedanke, daß ich damit aufhören mußte. Dann zogen Teile meines Lebens an mir vorbei. Ich begann, einen schrecklichen Kummer über diese eine Sünde zu bekommen. Auch ich war einer der größten aller Narren gewesen! Ich habe vielleicht mehr Öl in meiner Lampe halten können als andere, aber jetzt erkannte ich, wie töricht ich war, das, was für mich erforderlich gewesen war, danach zu bemessen, was andere taten. Ich war auch eine der törichten Jungfrauen!
Gerade als ich dachte, daß ich unter dem Gewicht dieser schrecklichen Entdeckung zusammenbrechen würde, kam ein Mann nach vorne, den ich als einen der großen Männer Gottes kannte und schätzte, um mich zu stützen. Irgendwie belebte mich seine Berührung. Er begrüßte mich dann herzlich. Er war ein Mann, dessen Schüler ich hätte werden wollen. Ich war ihm begegnet, aber wir sind nicht gut miteinander ausgekommen. Wie einige andere hatte auch ich versucht, ihm nahe zu kommen, um von ihm zu lernen. Ich war für ihn jedoch ein Störfaktor, und schließlich bat er mich zu gehen. Jahrelang habe ich mich deshalb schuldig gefühlt in der Meinung, wegen einiger Mängel in meinem Charakter eine große Gelegenheit verpaßt zu haben. Obwohl ich es aus meinem Bewußtsein verdrängt hatte, trug ich noch immer die Last dieses Versagens. Als ich ihn sah, kam alles an die Oberfläche, und ein übles Gefühl kam über mich. Nun war er so majestätisch, und ich fühlte mich noch abstoßender und schämte mich meines ärmlichen Aussehens. Ich wollte mich verstecken, aber es gab dort keine Möglichkeit, ihm auszuweichen. Zu meinem Erstaunen war seine Wärme mir gegenüber so echt, daß er mich schnell zur Ruhe brachte. Es schienen keinerlei Barrieren mehr zwischen uns zu bestehen. Tatsächlich nahm mir die Liebe, die ich von ihm empfand, meine Befangenheit weg.
„Ich habe schon sehnsüchtig auf dieses Treffen gewartet,“ sagte er.
„Du hast auf mich gewartet?“ fragte ich. „Warum?“
„Du bist nur einer von vielen, auf die ich warte. Ich habe es bis zu meinem Gericht nicht verstanden, daß du einer derer warst, denen zu helfen oder sogar zu lehren ich berufen war; aber ich habe dich zurückgewiesen.“
Ich protestierte. „Es wäre eine große Ehre für mich gewesen, dein Schüler zu sein, und ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich bei dir verbringen durfte; aber ich war so arrogant, daß ich deine Zurückweisung verdient habe. Ich weiß, daß mein Stolz und meine Rebellion mich davon abgehalten haben, jemals einen geistlichen Vater zu haben. Das war nicht dein Fehler, sondern meiner.“
„Es stimmt, daß du stolz warst, aber das war es nicht, warum ich über dich verärgert war. Verärgert war ich wegen meiner Unsicherheit, die mich dazu brachte, daß ich alles um mich herum kontrollieren wollte. Ich war verärgert, weil du nicht alles, was ich sagte, ohne es zu hinterfragen, akzeptieren wolltest. Dann fing ich an, nach etwas Verkehrtem bei dir zu suchen, um meine Zurückweisung zu rechtfertigen. Ich meinte, daß ich dann, wenn ich dich nicht unter Kontrolle bringen könnte, du mir und meinem Dienst eines Tages hinderlich werden könntest. Ich schätzte meinen Dienst höher ein als die Menschen, für die mir der Dienst gegeben war, und so habe ich viele wie dich vertrieben,“ sagte er.
Mit einer Aufrichtigkeit, die in den irdischen Bereichen unbekannt ist, setzte er fort: „Alle Kinder sind rebellisch. Sie sind alle ichbezogen, rebellisch und meinen, die Welt drehe sich nur um sie. Aus diesem Grunde brauchen sie Eltern, die sie erziehen. Fast jedes Kind wird zu einer bestimmten Zeit Schande auf seine Familie bringen, aber es bleibt ein Teil der Familie. Ich habe viele von Gottes eigenen Kindern abgewiesen, die er mir anvertraut hat, um sie sicher zur Reife zu bringen. Bei den meisten von ihnen habe ich versagt. Viele von ihnen haben schreckliche Verwundungen und Niederlagen erlitten, die mit meiner Hilfe hätten verhindert werden können. Viele von ihnen sind jetzt Gefangene des Feindes. Ich habe eine große Organisation aufgebaut, hatte beträchtlichen Einfluß in der Gemeinde, aber die größten Gaben, die mir der Herr anvertraute, waren diejenigen, die zu mir gesandt wurden, um meine Jünger zu werden; von denen ich viele zurückwies. Wäre ich nicht so selbstsüchtig und um meinen guten Ruf bedacht gewesen, wäre ich hier ein König. Ich war auf einen der höchsten Throne gerufen. Alles, was du hast und erreichen würdest, wäre auch auf meinem himmlischen Konto gutgeschrieben worden. Stattdessen war vieles, dem ich meine Aufmerksamkeit schenkte, von sehr geringer Bedeutung für die Ewigkeit. Was auf der Erde gut aussieht, schaut von hier aus ganz anders aus. Was dich auf der Erde zu einem König macht, wird oft ein Stolperstein sein, der dich davon abhält, hier ein König zu sein. Was dich hier zu einem König macht, wird auf der Erde gering geachtet und nicht geschätzt. – Wirst du mir vergeben?“
„Selbstverständlich,“ sagte ich, ziemlich in Verlegenheit. „Aber auch ich brauche deine Vergebung. Ich denke noch immer, daß es meine Ungehobeltheit und Rebellion waren, die es dir so schwer machten.“
„Es stimmt, daß du nicht perfekt warst, und ich habe einige deiner Probleme richtig erkannt, aber das darf niemals der Grund für Zurückweisung sein,“ antwortete er. „Der Herr hat die Welt nicht abgewiesen, als er ihr Versagen sah. Er hat mich nicht abgewiesen, als er meine Sünden sah. Er hat sein Leben niedergelegt für uns. Es ist immer der Größere, der sein Leben niederlegen muß für die Geringeren. Ich war reifer. Ich hatte mehr Autorität als du, aber ich wurde zu einem der Böcke im Gleichnis Jesu; ich lehnte den Herrn ab, als ich dich und die anderen abwies, die er zu mir sandte.“
Als er dies sprach, trafen mich seine Worte ganz tief. Auch ich war alles dessen schuldig, was er bekannt hatte.. Viele junge Männer und Frauen, von denen ich dachte, daß sie nicht wichtig genug wären, daß ich ihnen meine Zeit widmete, kamen mir in den Sinn. Wie unbedingt wollte ich zurück und sie zusammenbringen! Dieser Kummer, den ich zu empfinden begann, war sogar noch schlimmer als der Kummer über die von mir vergeudete Zeit. Ich hatte Menschen vergeudet! Jetzt waren viele von ihnen Gefangene des Feindes, verwundet und gefangen genommen während der Schlacht auf dem Berg. Diese ganze Schlacht war um der Menschen willen, und dennoch werden Menschen oft als das unwichtigste angesehen. Wir kämpfen mehr um die Wahrheiten, als um die Menschen, für die diese Wahrheiten bestimmt sind. Wir kämpfen für Werke, während wir gleichzeitig über die Menschen in diesen Werken drübertrampeln. Und viele Leute denken von mir, daß ich ein geistlicher Leiter sei! Dabei bin ich tatsächlich der geringste der Heiligen, dachte ich bei mir selbst.
„Ich verstehe, wie du dich fühlst,“ bemerkte ein anderer Mann, den ich als jemanden erkannte, den ich für einen der größten geistlichen Leiter aller Zeiten hielt. „Der Apostel Paulus sagte gegen Ende seines Lebens, daß er der geringste aller Heiligen sei. Dann unmittelbar vor seinem Tod nannte er sich ‚den größten aller Sünder‘. Wenn er das nicht in seinem irdischen Leben gelernt hätte, dann wäre er in der Gefahr gewesen, einer der geringsten Heiligen im Himmel zu sein. Weil er das auf der Erde lernte, ist er heute einer von denen, die dem Herrn am nächsten sind und er wird einen der höchsten Ränge in alle Ewigkeit einnehmen.“
Diesen Mann in den Reihen der törichten Jungfrauen zu sehen, war die größte Überraschung meines Lebens. „Ich kann das nicht glauben, daß du auch einer von den Törichten warst, die ihr Leben auf der Erde verschlafen haben. – Warum bist du hier?“
„Ich bin hier, weil ich einen der schwersten Fehler gemacht habe, den man machen kann, wenn man das herrliche Evangelium unseres Erlösers anvertraut bekommt. Der Apostel Paulus entwickelte sich von einem, der sich geringer achtete als die größten Apostel zum größten aller Sünder. Ich nahm genau den umgekehrten Weg. Ich begann in dem Bewußtsein, daß ich einer der größten Sünder gewesen bin, aber daß ich Gnade gefunden hatte; aber ich endete damit, daß ich mich für einen der größten Apostel hielt. Es war aus meinem großen Stolz heraus, nicht aus Unsicherheit, wie bei unserem Freund hier, daß ich jeden zu bekämpfen begann, der nicht alles genauso sah wie ich. Diejenigen, die mir nachfolgten, habe ich ihrer eigenen Berufung beraubt und sogar ihrer Persönlichkeiten, indem ich sie alle dazu zwang, so wie ich zu werden. Niemand um mich herum konnte er selbst sein. Niemand wagte, mich in Frage zu stellen; weil ich ihn zu Staub zermalmt hätte. Ich dachte, wenn ich andere kleiner mache, werde ich größer. Von außen sah mein Dienst aus wie eine reibungslos laufende Maschine, wo alle in Einheit waren und alles in perfekter Ordnung ablief; aber es war die Ordnung eines Konzentrationslagers. Ich nahm die Kinder des Herrn und machte sie zu Automaten nach meinem eigenen Bild und nicht nach Seinem. Am Ende diente ich nicht einmal mehr dem Herrn, sondern den selbstgeschaffenen Götzen. Am Ende meines Lebens war mein Dienst tatsächlich ein Feind des wahren Evangeliums, zumindest in der Praxis, obwohl meine Lehren und Schriften vollkommen biblisch erschienen.“
„Wenn das stimmt, dann wurdest Du ein Feind des Evangeliums. Wie kannst Du dann noch hier sein?“ fragte ich.
„Durch die Gnade Gottes; ich vertraute auf das Kreuz für meine eigene Erlösung, auch wenn ich andere Menschen davon abgehalten habe, indem ich sie mehr zu mir als zu Ihm führte. Der Herr bleibt uns treu, selbst wenn wir untreu sind. Es war auch seine Gnade, daß der Herr mich früher von der Erde nahm, als er es sonst getan hätte, damit die, die unter mir waren, Ihn finden und Ihn erkennen könnten.“
Ich war über die Maßen verblüfft, daß dies auf diesen Mann zutraf. Die Geschichte hat uns ein ganz anderes Bild von ihm vermittelt. Er erkannte, was in meinem Herzen vorging und antwortete: „Gott hat andere Geschichtsbücher als wir auf der Erde. Du hast einen kurzen Blick darauf werfen können, aber du weißt nicht, wie sehr sie sich voneinander unterscheiden. Die irdische Geschichtsschreibung wird vergehen, aber die Bücher, die hier geführt werden, bleiben für immer. Wenn du dich an dem freuen kannst, was im Himmel über dein Leben aufgeschrieben ist, dann bist du wirklich gesegnet. Die Menschen sehen nur undeutlich wie durch ein trübes Glas, daher ist ihre Geschichtsschreibung immer trübe und manchmal völlig falsch. Sehr wenige, selbst sehr wenige Christen, haben die wahre Gabe der Unterscheidung. Ohne diese Gabe ist es unmöglich, in den Menschen von heute oder vergangener Zeiten Wahres von Falschem zu unterscheiden. Sogar mit dieser Gabe ist es schwierig. Solange du nicht hier warst und bloßgestellt worden bist, wirst du über andere nur verzerrte Vorurteile haben, seien sie positiv oder negativ. Daher werden wir gewarnt, nicht vor der Zeit zu urteilen. Bevor wir nicht hier gewesen sind, können wir nicht wirklich beurteilen, was im Herzen anderer Menschen ist, mögen sie nun gute oder böse Dinge tun. Es gibt gute Motive sogar in den bösesten Menschen und böse Motive sogar in den besten Menschen. Nur hier kann ein Mensch für seine Taten und Motive gerichtet werden.“
„Wenn ich auf die Erde zurückkehre, werde ich die Geschichte richtig unterscheiden können, weil ich hier war?“
„Du bist hier, weil du den Herrn gebeten hast, daß Er dich ernsthaft richtet und dich rücksichtslos zurechtweist, so daß du Ihm noch vollkommener dienen kannst. Das ist eine der klügsten Bitten, die du je geäußert hast. Die Klugen richten sich selbst, damit sie nicht gerichtet werden. Die noch Klügeren bitten darum, von Gott gerichtet zu werden, weil sie erkennen, daß sie nicht einmal sich selbst richtig richten können. Nachdem du hierher gekommen bist, wirst du mit viel mehr Unterscheidungsfähigkeit wieder zurückkehren, aber auf der Erde wirst du wenigstens bis zu einem gewissen Grad immer wie durch ein dunkles Glas sehen. Deine Erfahrung hier wird dir helfen, die Menschen besser zu erkennen, aber nur wenn du ganz hier bist, wirst du sie ganz erkennen. Wenn du von hier zurückgehst, wirst du mehr davon beeindruckt sein, wie wenig du über die Menschen weißt, als darüber,wie gut du sie kennst. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Geschichtsschreibung der Menschen. Es wurde mir erlaubt, mit dir zu reden, weil ich dich in gewisser Weise durch meine Schriften als Schüler unterwiesen habe; und weil es dir sehr helfen wird, die Wahrheit über mich zu wissen,“ schloß der große Reformer.
Dann trat eine Frau nach vorne, die ich nicht kannte. Ihre Schönheit und Anmut war atemberaubend, aber sie war in keiner Weise sinnlich oder verführerisch. Sie war ein Muster an Würde und Vornehmheit.
„Ich war auf Erden seine Frau,“ begann sie. „Vieles, das du von ihm kennst, kam tatsächlich von mir, daher betrifft das, was ich jetzt sagen werde, nicht nur ihn, sondern uns beide. Du kannst die Gemeinde reformieren, ohne daß du deine eigene Seele reformierst. Du kannst den Lauf der Geschichte bestimmen, und dennoch nicht den Willen des Vaters tun oder seinen Sohn verherrlichen. Du magst dich dafür hingeben, menschliche Geschichte zu schreiben, aber es ist ein flüchtiger Erfolg, der sich verflüchtigen wird wie eine Dunstwolke.“
„Aber das Werk deines Mannes, oder dein Werk, hat jede Generation danach zum Guten beeinflußt. Es ist kaum vorstellbar, wie dunkel die Welt ohne ihn wäre,“ protestierte ich.
„Richtig, aber du kannst die ganze Welt gewinnen und noch immer deine eigene Seele verlieren. Nur wenn du deine eigene Seele rein erhältst, kannst du die Welt für die wirklich bleibenden, ewigen Absichten Gottes beeinflussen. Mein Mann verlor seine Seele an mich und er gewann sie erst am Ende seines Lebens wieder, weil ich von der Erde genommen wurde, so daß ihm dies möglich wurde. Vieles von dem, was er tat, tat er mehr für mich, als für den Herrn. Ich setzte ihn unter Druck und vermittelte ihm sogar viel von dem Wissen, das er lehrte. Ich verwendete ihn als eine Erweiterung meines eigenen Ichs, weil ich als Frau zu der Zeit nicht selbst als ein geistlicher Leiter anerkannt werden konnte. Ich kontrollierte sein Leben, damit ich mein Leben durch ihn leben konnte. Bald hatte ich ihn soweit, daß er alles tat, um sich mir gegenüber zu beweisen.“
„Du mußt sie sehr geliebt haben,“ sagte ich, auf ihn blickend.
„Nein, ich liebte sie überhaupt nicht. Tatsächlich mochten wir uns einander nach einigen Ehejahren nicht einmal mehr. Wir brauchten beide einander und wir fanden einen Weg, miteinander zusammenzuarbeiten. Je mehr wir auf diese Weise erfolgreich waren, desto unglücklicher wurden wir und desto mehr Täuschungsmanöver setzten wir ein, um die, die uns nachfolgten, an der Nase herumzuführen. Am Ende unseres Lebens waren wir leere, elende Jammergestalten. Je mehr Einfluß du durch deine Selbsterhöhung erhältst, desto mehr Anstrengung kostet es, den Einfluß zu erhalten, und desto dunkler und grausamer wird dein Leben. Könige fürchteten uns, wir aber hatten vor jedem Angst, vom König bis zum kleinsten Bauern. Wir konnten niemandem vertrauen, weil wir selbst in einem derartigen Betrug lebten, daß wir nicht einmal einander vertrauen konnten. Wir predigten Liebe und Vertrauen, weil wir wollten, daß uns alle liebten und vertrauten, aber wir fürchteten und verachteten jedermann. Wenn du die größten Wahrheiten predigst, aber sie selbst nicht lebst, bist du nur der größte Heuchler.“
Ihre Worte trafen mich wie Hammerschläge. Ich konnte sehen, daß mein Leben bereits in dieselbe Richtung zeigte; wie sehr ich mehr mich selbst statt Christus groß machte. Ich begann zu sehen, wie sehr ich mich selbst anderen gegenüber rechtfertigte, besonders denen, die mich nicht mochten oder die ich in einer gewissen Weise als meine Konkurrenten betrachteten. Ich fing an zu sehen, wieviel in meinem eigenen Leben auf den Fassaden eines vorgetäuschten Bildes aufgebaut war, die mein wahres Ich Lügen strafte. Aber hier konnte ich mich nicht verstecken. In dieser großen Wolke von Zeugen wußte jeder, wer ich war, trotz des Schleiers meiner vorgetäuschten Motive.
Ich schaute wieder auf dieses Paar. Sie waren jetzt so ohne Falsch und wahrhaftig vornehm, daß es unmöglich war, ihre Motive in Frage zu stellen. Sie legten um meines Heils willen ihre größten Sünden bereitwillig offen und waren wirklich glücklich darüber, dies tun zu können.
„Ich mag durch eure Lebensgeschichte und eure Schriften eine falsche Vorstellung von euch gewonnen haben, aber ich schätze euch jetzt sogar mehr als vorher. Ich bete darm, daß ich die Rechtschaffenheit und Freiheit, die ihr jetzt habt, von hier mitnehmen kann. Ich es müde zu versuchen, ein vorgetäuschtes Bild von mir auszuleben. Wie sehr sehne ich mich nach dieser Freiheit,“ klagte ich und wollte unbedingt jedes Detail dieser Begegnung behalten. Dann gab der große Reformator eine abschließende Ermahnung:
„Versuche nicht, andere etwas zu lehren, was du nicht selbst tust. Reformation ist nicht einfach eine Lehre. Wahre Reformation kommt nur durch eine Vereinigung mit dem Erlöser. Wenn du mit Christus unter einem Joch bist und die Lasten trägst, die Er dir gibt, wird Er mit dir sein und sie für dich tragen. Du kannst Seine Arbeit nur tun, wenn du sie mit Ihm tust und nicht nur für Ihn. Nur der Geist kann das hervorbringen, was Geist ist. Wenn du mit Ihm unter einem Joch bist, wirst du nichts um der Politik oder um der Geschichte willen tun. Alles, was du um des politischen Druckes willen oder wegen der sich bietenden Gelegenheiten tust, wird dich nur an das Ende deines wahren Dienstes bringen. Die Dinge, die getan werden, um Geschichte zu schreiben, werden bestenfalls deine historischen Bemühungen zugrunderichten, und du wirst es nicht schaffen, die Ewigkeit zu beeinflussen. Wenn du das nicht lebst, was du anderen predigst, wirst du dich selbst von der hohen Berufung Gottes disqualifizieren, so wie es bei uns geschah. Ich sage dir, was dich auf dem Pfad des Lebens hält: Liebe den Erretter und suche nur Seine Ehre. Was immer du tust, um dich selbst zu erhöhen, wird dir eines Tages die schrecklichste Demütigung bringen. Alles, was du aus echter Liebe zu deinem Erretter tust, um Seinen Namen zu verherrlichen, wird die Grenzen Seines ewigen Königreiches ausweiten und schließlich dir selbst einem viel höheren Platz einbringen. Lebe für das, was hier zählt. Kümmere dich nicht um das, was auf der Erde zählt.“
Als sie fortgingen, wurde ich wieder von meiner eigenen Sünde überwältigt. Die Zeiten, in denen ich Menschen für meine eigenen Zwecke mißbraucht habe und sogar den herrlichen Namen von Jesus dafür verwendete, um meine eigenen Ambitionen voranzubringen oder um mich besser erscheinen zu lassen, begannen, über mich hereinzubrechen. Hier, wo ich die Herrlichkeit und die Macht des Einen sehen konnte, den ich mißbraucht hatte, wurde das derart widerwärtig, daß ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich fiel auf mein Gesicht mit der schrecklichsten Verzweiflung, die ich jemals erlebte. Es schien mir wie eine Ewigkeit, als diese Menschen und Ereignisse vor mir vorüberzogen. Danach spürte ich, wie mir die Frau wieder auf die Füße half. Ich war überwältigt von ihrer Reinheit, insbesondere als ich mich jetzt so böse und schlecht fühlte. Ich hatte ganz stark das Bedürfnis, sie wegen ihrer Reinheit anzubeten.
„Wende dich zum Sohn,“ sagte sie nachdrücklich. „Dein Begehren, mich oder irgend jemanden sonst jetzt anzubeten, ist nur ein Versuch, die Aufmerksamkeit von dir selbst wegzulenken und dich dadurch zu rechtfertigen, daß du dem dienst, was du selbst nicht bist. Ich bin rein, weil ich mich Ihm zugewandt habe. Du mußt die Verdorbenheit in deiner eigenen Seele sehen, aber dann darfst du nicht auf dich selbst bauen oder versuchen, dich mit toten Werken zu rechtfertigen, sondern wende dich Ihm zu.“
Dies sagte sie mit einer solch aufrichtigen Liebe und Besorgnis, daß es unmöglich war, davon verletzt oder gekränkt zu sein. Als sie sah, daß ich verstand, setzte sie fort:
„Die Reinheit, die du in mir sahst, sah mein Mann zunächst, als wir jung waren. Damals war ich relativ rein in meinen Motiven. Ich richtete seine Liebe und meine eigene Reinheit zugrunde, indem ich ihm erlaubte, mich in der falschen Weise anzubeten. Du kannst niemals rein werden, indem du jemanden verehrst, der reiner ist als du, sondern nur dadurch, daß du über diese Person hinausgehst und den Einen findest, der sie rein gemacht hat und in dem allein keine Sünde ist. Je mehr uns die Menschen ehrten, und je mehr wir ihre Ehre akzeptierten, desto mehr wichen wir vom Pfad des Lebens ab. Dann fingen wir an, für die Ehre der Menschen zu leben und übten Macht über diejenigen aus, die uns nicht die Ehre gaben. Das war unser Fehler und der von vielen, die hier am niedrigsten Ort sind, obwohl sie für den höchsten Ort berufen waren.“
Nur um unsere Unterhaltung fortzusetzen, fragte ich das nächste, was mir in den Sinn kam: „Ist es für dich und deinen Ehemann schwierig, hier zusammen zu sein?“
„Überhaupt nicht. Alle Beziehungen, die du auf Erden hast, setzen sich hier fort, und sie werden alle durch das Gericht gereinigt. Je mehr dir vergeben worden ist, desto mehr liebst du. Natürlich vergab uns der Herr mehr als irgend jemandem, und hier lieben wir Ihn mehr als jeden anderen. Nachdem wir einander vergaben, liebten wir einander mehr. Nun setzt sich unsere Beziehung in einer viel größeren Tiefe und in einem viel größeren Reichtum fort, weil wir gemeinsame Erben seiner Erlösung sind. So tief die Wunden gingen, so tief konnte die Liebe gehen, sobald wir geheilt worden waren. Wir hätten dies auf Erden erfahren können, aber wir lernten nicht rechtzeitig zu vergeben. Wenn wir Vergebung gelernt hätten, dann hätte die Konkurrenz, die in unsere Beziehung kam und die unser Leben auf die falsche Bahn brachte, nicht in uns Wurzeln schlagen können. Wenn du wahrhaft liebst, wirst du leicht vergeben. Je schwerer es für dich ist zu vergeben, desto weiter bist du von wahrer Liebe entfernt. Vergebung ist wesentlich, wenn du auf dem Pfad des Lebens bleiben willst. Ohne Vergebung können dich viele Dinge vom Pfad, der für dich erwählt worden ist, abbringen.“
Zur selben Zeit bemerkte ich, daß diese Frau, die mich mit solchen Schmerzen über meine eigene Verderbtheit konfrontiert hatte, auch die attraktivste Person war, die ich jemals getroffen hatte. Es war keine romantische Anziehungskraft, aber ich wollte einfach nicht von ihr weggehen. Sie erkannte meine Gedanken und trat einen Schritt zurück, um anzudeuten, daß sie im Begriff war zu gehen. Sie gab mir aber noch eine letzte Einsicht.
„Die reine Wahrheit, in reiner Liebe gesprochen, ist immer attraktiv. Du wirst dich an den Schmerz, den du hier fühlst, erinnern, und das wird dir durch den Rest deines Lebens helfen. Schmerz ist gut. Er zeigt an, wo ein Problem ist. Versuche nicht, den Schmerz zu reduzieren, bis du nicht das Problem gefunden und behandelt hast. Gottes Wahrheit bringt oft Schmerz, wenn sie ein Problem sichtbar macht, das wir haben, aber Seine Wahrheit zeigt uns auch immer den Weg zur Freiheit und zum wahrem Leben. Wenn du dies weißt, wirst du sogar anfangen, dich an den Prüfungen zu freuen, die du erlebst und die alle zugelassen werden, um dich auf dem Weg des Lebens zu halten.
Es ist auch nicht unnormal, daß du mich attraktiv findest. Es ist die Anziehung zwischen Mann und Frau, die vom Anfang an gegeben worden ist, die in ihrer wahren Form immer rein ist. Wenn reine Wahrheit mit reiner Liebe kombiniert wird, dann können Männer die Männer sein, als die sie geschaffen worden sind, ohne aus ihrer Unsicherheit heraus dominieren zu müssen. Frauen können die Frauen sein, als die sie geschaffen worden sind, weil ihre Liebe ihre Furcht ersetzt hat. Die Liebe wird niemals manipulieren oder aus Unsicherheit zu kontrollieren versuchen, weil die Liebe alle Furcht vertreibt. Dort, wo Beziehungen am meisten zerstört werden können, können sie auch am erfüllendsten sein. Wenn deine Gesinnung vom Geist der Wahrheit erneuert ist, wirst du Beziehungen nicht mehr als eine Gelegenheit sehen, von anderen zu bekommen, sondern zu geben. Geben ist die größte Erfüllung, die wir erfahren können. Es ist ein Vorgeschmack des Himmels, wo wir dem Herrn reine Anbetung geben können. Die wunderbarste irdische Beziehung ist nichts als ein flüchtiger Blick auf die Verzückung, die dadurch bewirkt wird. Was wir hier in der Anbetung erleben, könnte dein sündiger, kleiner, unverherrlichter Körper nicht ertragen. Die wahre Anbetung Gottes wird die Seele für die Herrlichkeiten wahrer Beziehungen reinigen. Nur dann können die Beziehungen zu dem werden, was sie sein sollen. Wahre Liebe sucht niemals die hohe Position, sondern den untersten Platz des Dienstes. Wenn mein Mann und ich dies in unserer Ehe eingehalten hätten, dann würden wir jetzt direkt beim König sitzen, und diese Hallen wären mit viel mehr Seelen gefüllt.“ – Dann trat sie zurück in die Reihen der verherrlichten Heiligen.
Ich schaute wieder zum Thron und zu der Herrlichkeit hin, die so viel schöner erschien, daß ich richtig erstaunt war. Ein anderer Mann in meiner Nähe erklärte mir:
„Mit jeder Begegnung wird ein Schleier von dir weggenommen, so daß du Ihn klarer sehen kannst. Du wirst nicht einfach dadurch verändert, daß du Seine Herrlichkeit siehst, sondern dadurch, daß du sie mit einem unverschleierten Gesicht siehst. Jeder, der zu den wahren Gerichten Gottes kommt, geht durch einen Korridor wie diesem, um jene zu treffen, die ihm helfen können, jegliche Art von Schleier, die sie noch tragen, abzulegen; Schleier, die ihre Wahrnehmung von Ihm verzerren.“
Ich hatte bereits mehr Verständnis aufgenommen, als mir, wie ich meinte, in den vielen Jahren meines irdischen Studiums gegeben worden war. Dann gewann ich den Eindruck, daß alle meine Studien und mein Suchen auf Erden mich nur im Schneckentempo vorangebracht hatten. Wie könnte mich die Dauer vieler Menschenleben für das Gericht Gottes vorbereiten? Mein Leben war bereits in viel stärkerem Maße disqualifiziert, als das aller derer, denen ich begegnet war. Und diese hatten es gerade noch geschafft!
Dann trat ein anderer Mann aus den Reihen. Er war ein Zeitgenosse von mir, und ich wußte nicht, daß er gestorben war. Ich hatte ihn auf der Erde nie getroffen, aber er hatte einen großen Dienst, den ich sehr hoch schätzte. Durch Menschen, die er ausgebildet hatte, wurden Tausende zur Errettung geführt und viele große Gemeinden aufgebaut. Er fragte, ob er mich einfach für eine Minute umarmen könnte. Ich wurde etwas verlegen, stimmte aber zu. Als wir einander umarmten, fühlte ich solch eine Liebe von ihm herkommen, daß ein großer Schmerz tief in mir drinnen aufhörte wehzutun. Ich war mit dem Schmerz schon derart vertraut, daß ich ihn nicht einmal mehr bemerkte, bis er aufhörte. Nachdem er mich losgelassen hatte, sagte ich ihm, daß seine Umarmung etwas in mir geheilt hatte. Das freute ihn von ganzem Herzen.
Dann erzählte er mir, warum er im niedrigsten Rang im Himmel war.
„Gegen Ende meines Lebens wurde ich so arrogant, daß ich mir nicht mehr vorstellen konnte, daß der Herr irgend etwas bedeutsames tun könnte, ohne es durch mich zu tun. Ich begann, die Gesalbten des Herrn anzutasten und seinen Propheten Böses zu tun. Ich war in selbstsüchtiger Weise stolz, wenn der Herr begann, einen meiner eigenen Schüler zu verwenden, und ich wurde eifersüchtig, wenn der Herr durch jemanden außerhalb meines eigenen Dienstes wirkte. Ich suchte nach etwas, das bei ihm falsch war und die ich angreifen konnte. Ich erkannte nicht, daß ich mich dadurch selber immer weiter brandmarkte.“
„Ich habe nie gewußt, daß du etwas derartiges getan hast,“ sagte ich überrascht.
„Ich stiftete Männer unter mir an, andere zu beobachten und meine schmutzige Arbeit zu tun. Ich ließ sie auf der Erde herumschweifen, um irgendeinen Fehler oder eine Sünde im Leben anderer zu finden und sie damit öffentlich bloß zu stellen. Ich wurde das schlimmste, was ein Mensch auf dieser Erde werden kann: ein Stolperstein, der andere Stolpersteine hervorbrachte. Wir säten Angst und Zwietracht in der Kirche – alles im Namen der Wahrheit, die wir zu verteidigen vorgaben. In meiner Selbstgerechtigkeit ging ich dem Untergang entgegen. In seiner Barmherzigkeit erlaubte der Herr, daß ich von einer Krankheit geschlagen wurde, die einen langsamen und demütigenden Tod brachte. Unmittelbar vor meinem Tod kam ich wieder zu Sinnen und kehrte um. Ich bin sehr dankbar, überhaupt hier sein zu können. Ich mag hier einer der geringsten sein, aber es ist viel mehr, als ich verdiene. Ich könnte diesen Raum nicht verlassen, bis ich nicht die Gelegenheit genutzt hätte, mich bei denjenigen von euch zu entschuldigen, denen ich Unrecht getan habe.“
„Aber mir hast du nie unrecht getan,“ sagte ich.
„Doch, das habe ich sehr wohl getan,“ antwortete er. „Viele der Angriffe gegen dich kamen von denen, die ich zu ihren Anschlägen auf andere angestiftet und ermutigt hatte. Obwohl ich die Angriffe nicht persönlich ausgeführt habe, macht der Herr mich genauso dafür verantwortlich wie die, die es taten.“
„Ich verstehe. – Natürlich vergebe ich dir.“
Ich begann schon zu erkennen, daß ich dasselbe getan hatte, wenn auch in einem geringerem Umfang. Ich erinnerte mich, wie ich ehemaligen Mitgliedern einer Gemeinde erlaubt hatte, ihr Gift über eben diese Gemeinde zu verbreiten, ohne sie zu stoppen. Ich erkannte, daß ich sie allein dadurch ermutigt hatte, dies zu tun, daß ich sie nicht korrigiert hatte. Ich erinnerte mich, daß ich dies mit den Fehlern dieser Gemeinde gerechtfertigt hatte. Dann fiel mir ein, daß ich selbst viele ihrer Geschichten selbst wiedergegeben habe und dies damit rechtfertigte, daß ich sagte, ich wolle nur zum Gebet für sie aufrufen. Bald kam eine große Flut vieler anderer derartiger Vorkommnisse in meinem Herzen hoch. Wieder war ich überwältigt von der Dunkelheit und dem Bösen in meinem eigenen Herzen.
„Auch ich war ein Stolperstein!“ wehklagte ich und fiel wieder auf die Knie. Ich wußte, daß ich den Tod und die schlimmste Hölle verdiente. Ich hatte nirgendwo eine derartige Unbarmherzigkeit und Grausamkeit gesehen wie in meinem eigenen Herzen.
„Und wir haben uns immer damit getröstet, daß wir tatsächlich dachten, wir würden Gott einen Gefallen tun, wenn wir seine eigenen Kinder angriffen,“ sagte die verständnisvolle Stimme dieses Mannes. „Es ist gut für dich, diese Dinge hier zu sehen, weil du wieder zurückgehen kannst. Bitte warne meine Schüler davor, welche Verurteilung ihnen droht, wenn sie nicht umkehren. Viele von ihnen sind berufen, hier Könige zu sein. Aber wenn sie nicht umkehren, werden sie das schlimmste aller möglichen Gerichtsurteile erfahren, nämlich Stolpersteine zu sein. Meine demütigende Krankheit war Gnade von Gott. Als ich vor dem Thron stand, bat ich den Herrn, solche Gnade meinen Schülern zu schicken. Ich kann nicht wieder zu ihnen zurück, aber er hat mir gestattet, diese Zeit mit dir zu verbringen. Bitte vergib ihnen und setze die frei, die dich angegriffen haben. Sie verstehen wirklich nicht, daß sie das Werk des Anklägers tun. Danke, daß du mir vergeben hast, aber bitte vergib auch ihnen. Es ist in deiner Macht, Sünden zu behalten oder sie mit Liebe zuzudecken. Ich bitte dich dringendst, diejenigen zu lieben, die jetzt deine Feinde sind.“
Ich konnte kaum hören, was dieser Mann gesagt hatte, weil ich dermaßen von meiner eigenen Sünde überwältigt war. Dieser Mann war so herrlich, rein und hatte nun offensichtlich Kräfte, wie sie auf der Erde unbekannt waren. Dennoch bat er mich inständigst in einer Demut, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich spürte solch eine Liebe von ihm ausgehen, daß ich nicht daran denken konnte, ihn abzuweisen. Aber auch ohne die Berührung durch seine Liebe fühlte ich mich weit schuldiger, als einer von denen es sein konnte, die mich angegriffen hatten.“
„Ich habe ganz bestimmt all das verdient, was diese mir angetan haben, und noch viel mehr,“ antwortete ich.
„Das stimmt, aber darum geht es hier nicht,“ widersprach er. „Jeder auf der Erde verdient den zweiten Tod, aber unser Erretter brachte uns Gnade und Wahrheit. Wenn wir Seine Werke tun wollen, dann müssen wir alles in Gnade und in Wahrheit tun. Wahrheit ohne Gnade ist das, was der Feind bringt, wenn er als ‚Engel des Lichts‘ kommt.“
„Wenn ich davon befreit werden kann, werde ich vielleicht in der Lage sein, ihnen zu helfen,“ entgegenete ich. „Aber siehst du nicht, daß ich weit schlimmer bin, als sie jemals sein können?“
„Ich weiß, daß das, was gerade durch dein Bewußtsein ging, schlecht war,“ antwortete er, aber mit einer tiefen Liebe und Gnade. Ich wußte, daß er sich jetzt um mich genauso sorgte wie um seine eigenen Schüler.
„Das ist wahrhaftig der Himmel,“ platzte ich heraus. „Das ist wahrhaftig Licht und Wahrheit. Wie können wir, die wir in einer derartigen Dunkelheit leben, so stolz werden und denken, daß wir so viel über Gott wissen? – Herr!“ schrie ich in die Richtung des Thrones. „Bitte, laß mich gehen und dieses Licht auf die Erde zurückbringen!“
Sofort schien die gesamte himmlische Heerschar in Bereitschaft zu stehen, und ich wußte, daß ich im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stand. Schon vor einem dieser herrlichen Wesen fühlte ich mich so unbedeutend, aber als ich bemerkte, daß sie alle auf mich schauten, überkam mich eine Flutwelle von Furcht. Ich spürte, daß es eine Verurteilung, wie ich sie nun erfahren sollte, kein zweites Mal geben konnte. Ich empfand mich als den größten Feind der Herrlichkeit und Wahrheit, die jenen Ort erfüllte. Ich war zu sehr verdorben. Ich würde niemals eine derartige Herrlichkeit und Wahrheit angemessen repräsentieren können. Es gab keine Möglichkeit, daß ich in meiner Verdorbenheit die Realität dieses herrlichen Ortes und Seiner Gegenwart weitergeben könnte. Ich war sicher, daß nicht einmal Satan so weit aus der Gnade gefallen war, wie ich es war. Das ist die Hölle, dachte ich. Es gibt keinen schrecklicheren Schmerz, als so böse zu sein, wie ich es bin, und gleichzeitig zu wissen, daß diese Art von Herrlichkeit existiert. Von hier verbannt zu werden, ist eine schlimmere Folter, als ich mir je hätte vorstellen können. Kein Wunder, daß die Dämonen so wütend und wahnsinnig sind, dachte ich mir.
Gerade als ich meinte, daß ich im Begriff war, in die tiefsten Regionen der Hölle geschickt zu werden, schrie ich einfach „JESUS!“ – Sofort kam ein Frieden über mich. Ich wußte, daß ich weiter auf die Herrlichkeit zugehen mußte, und irgendwie hatte ich die Zuversicht dafür.
Ich ging weiter, bis ich einen Mann sah, den ich für einen der größten Autoren aller Zeiten hielt. Nach meiner Einschätzung hatte er die tiefgehendste Einsicht in die Wahrheit, die mir in meinen Studien begegnet ist.
„Sir, ich habe mich schon immer auf dieses Treffen gefreut,“ platzte ich fast heraus.
„Auch ich habe mich darauf gefreut,“ antwortete er mit aufrichtiger Offenheit.
„Ich spüre, daß ich dich kenne, und aus deinen Schriften hatte ich fast den Eindruck, als würdest auch du mich irgendwie kennen. Ich denke, daß ich dir mehr verdanke als irgend jemandem, der nicht in die Schrift aufgenommen wurde,“ fuhr ich fort.
„Du bist sehr freundlich,“ antwortete er. „Aber es tut mir sehr leid, daß ich dir nicht besser gedient habe. Ich war eine sehr oberflächliche Person, und meine Schriften waren oberflächlich und mit mehr weltlicher Weisheit als mit göttlicher Wahrheit gefüllt.“
„Seit ich hier bin und all das gelernt habe, was ich gelernt habe, weiß ich, daß das wahr sein muß, aber ich denke noch immer, daß deine Schriften zu dem Besten gehören, das wir auf der Erde haben,“ antwortete ich.
„Du hast recht,“ gab der berühmte Autor offen zu. „Es ist zum Heulen. Jeder hier, sogar die, die direkt beim König sitzen, würden ihr Leben ganz anders leben, wenn sie es noch einmal zu leben hätten. Aber ich denke, daß ich mehr Dinge anders machen würde, als die meisten anderen. Ich wurde von Königen geehrt, aber genügte nicht dem König der Könige. Ich verwendete die großen Gaben und Erkenntnisse, die mir gegeben worden sind, mehr dazu, um Menschen mehr an mich und meine Weisheit zu binden, als zu Gott zu bringen. Nebenbei, ich kannte Ihn nur vom Hörensagen, und so zwang ich auch andere Menschen dazu, Ihn auf diese Weise zu erkennen. Ich machte sie von mir und von anderen abhängig, die genauso waren wie ich. Ich lehrte sie, eher verstandesmäßig zu argumentieren, als auf den Heiligen Geist zu hören, den ich kaum kannte. Ich wies die Menschen nicht auf Jesus, sondern auf mich selbst und andere wie mich, die vorgaben, Ihn zu kennen. Als ich Ihn hier sah, wollte ich meine Schriften zu Staub zermalmen, so wie es Mose mit dem Goldenen Kalb tat. Mein Denken war mein Götze, und ich wollte, daß jeder mit mir mein Denken anbetete. Ihre Wertschätzung für mich macht mir keine Freude. Wenn ich genauso viel Zeit damit verwendet hätte, danach zu suchen, Ihn zu kennen, wie ich damit verbrachte, Wissen über Ihn zu erfahren, um andere zu beeindrucken, dann würden viele von denen, die hier in den untersten Abteilungen sind, auf dem Thron sitzen, der für sie bereitet worden war, und viele andere wären in diesem Raum.“
„Daß du hier bist, beweist, daß deine Einschätzung deines Werkes zutreffend ist, aber bist du nicht ein wenig hart zu dir selbst?“ fragte ich. „Deine Arbeiten haben mich viele Jahre lang geistlich ernährt, und ich kenne viele andere, für die das auch gilt.“
„Ich bin nicht hart zu mir selbst. All das, was ich gesagt habe, ist wahr, weil es bestätigt wurde, als ich vor dem Thron stand. Ich habe eine Menge geschaffen, aber ich habe mehr Talente bekommen, als fast jeder hier, und ich habe sie in meinem eigenen geistlichen Stolz und meinen eigenen Zielen vergraben. So wie Adam die ganze menschliche Rasse in eine herrliche Zukunft hätte führen können; aber sein Fall führte Milliarden von Seelen in die schlimmsten Tragödien hinein. Mit der Autorität kommt Verantwortlichkeit. Je mehr Autorität dir gegeben ist, desto mehr Potential hast du sowohl zum Guten als auch zum Bösen. Diejenigen, die mit Ihm durch die Zeitalter regieren werden, werden Verantwortlichkeit der tiefgehendsten Art kennen. Kein Mensch steht alleine, und jeder menschliche Fehler oder jeder Sieg hat seine Auswirkungen weit über unser Fassungsvermögen hinaus, sogar bis in die zukünftigen Generationen hinein. Die vielen Tausend, die ich hätte richtig führen können, hätten sich in vielen Millionen, die hier wären, ausgewirkt. Jeder, der die wahre Natur von Autorität versteht, wird sie niemals suchen, sondern sie nur annehmen, wenn er weiß, daß er mit dem Herrn unter einem Joch ist, dem einzigen, der Autorität tragen kann, ohne zu fallen. Suche niemals Einfluß für dich selbst, sondern suche nur den Herrn und sei willig, Sein Joch auf dich zu nehmen. Mein Einfluß nährte nicht dein Herz, sondern vielmehr deinen Stolz auf dein Wissen.“
„Wie kann ich wissen, daß ich nicht dasselbe mache?“ fragte ich, während ich über meine eigenen Schriften nachzudenken begann.
„Strebe danach, dich vor Gott als bewährt zu erweisen, nicht vor Menschen,“ antwortete er, während er in die Reihen zurückging. Bevor er verschwand, drehte er sich nochmals um und sagte mit dem Anflug eines Lächelns: „Und folge nicht mir nach.“
In dieser großen Zahl sah ich viele andere Männer und Frauen Gottes sowohl aus meiner Zeit als auch aus der Geschichte. Ich blieb stehen und sprach mit vielen anderen. Ich war immer wieder schockiert, daß so viele, die ich in höchsten Positionen erwartet hatte, den niedrigsten Rang im Königreich hatten. Vielen war dieselbe grundlegende Geschichte gemeinsam: Sie sind alle nach ihren großen Siegen in die tödliche Sünde des Stolzes gefallen oder wurden eifersüchtig, wenn andere Menschen genauso gesalbt waren wie sie selbst. Andere waren gegen Ende ihres Lebens in böse Lust verfallen, in Entmutigung oder in Bitterkeit. Sie mußten von der Erde genommen werden, bevor sie vollends verloren gegangen wären. Sie alle gaben mir dieselbe Warnung: je höher die geistliche Autorität ist, in der man sich bewegt, desto weiter kann man aus der Liebe und aus der Demut herausfallen.
Als ich mich weiter auf den Richterstuhl zu bewegte, kam ich an denen vorbei, die einen höheren Rang im Königreich innehatten. Nachdem viele weitere Schleier weggenommen worden waren dadurch, daß ich jene traf, die über dieselben Probleme gestolpert waren wie ich, traf ich diejenigen, die überwunden hatten. Ich traf Ehepaare, die dem Herrn und einander bis zum Ende treu gedient hatten. Ihre Herrlichkeit hier war unaussprechlich und ihr Sieg ermutigte mich, weiter auf dem Pfad des Lebens zu bleiben und Ihm in Treue zu dienen. Diejenigen, die fielen, fielen auf verschiedenste Arten. Diejenigen, die siegreich waren, waren es alle auf dieselbe Weise: sie wichen nicht von ihrem ersten und größten Gebot ab, den Herrn zu lieben. Dadurch wurde ihr Dienst um Seinetwillen getan, nicht um der Menschen willen. Diese waren es, die das Lamm anbeteten und Ihm nachfolgten, wo immer Es hinging.
Als ich noch nicht einmal die Hälfte des Weges zum Thron zurückgelegt hatte, erschien mir das, was die unaussprechliche Herrlichkeit des untersten Ranges im Himmel gewesen war, die äußere Finsternis zu sein im Vergleich zu der Herrlichkeit, an denen ich nun vorbeikam. Die größte irdische Schönheit wäre nicht tauglich dazu, irgendwo im Himmel einen Platz zu finden. Und mir wurde gesagt, daß dieser Raum bloß die Schwelle zu unbeschreiblichen Bereichen war!
Mein Marsch zum Thron mag Tage, Monate oder sogar Jahre gedauert haben. Es gab keine Möglichkeit, an diesem Ort die Zeit zu erfassen. Zu meinem beträchtlichen Unbehagen erwiesen mir alle großen Respekt, nicht wegen dem, was ich war oder was ich getan hatte, sondern einfach, weil ich ein Krieger in der Schlacht der letzten Tage war. Irgendwie sollte durch diese letzte Schlacht die Herrlichkeit Gottes in einer Weise geoffenbart werden, daß sie bis in alle Ewigkeit ein Zeugnis für jede Macht und Autorität sein würde, mag sie schon geschaffen sein oder erst geschaffen werden. Während dieser Schlacht würde die Herrlichkeit des Kreuzes geoffenbart, und die Weisheit Gottes würde in einer besonderen Weise erfaßt werden. An dieser Schlacht teilnehmen zu dürfen, war eine der größten Ehren, die jemals einem Menschen gegeben worden war.
Als ich den Richterstuhl Christi erreichte, saßen die Inhaber der höchsten Ränge auch auf den Thronen, die Teil Seines Thrones waren. Sogar der geringste dieser Throne war um viele Male herrlicher als der herrlichste irdische Thron. Einige von ihnen waren Herrscher über Städte, die bald ihren Platz einnehmen würden. Andere waren Herrscher über himmlische Angelegenheiten, und andere über die Angelegenheiten der physischen Schöpfung, wie Sternensysteme und Galaxien. Es hatte jedoch den Anschein, als wären diejenigen, denen Autorität über eine Stadt gegeben war, höher eingestuft worden als jene, denen sogar Autorität über Galaxien gegeben worden war. Der Wert eines einzigen Kindes ist größer als der einer ganzen Galaxie von Sternen, weil der Heilige Geist in den Menschen wohnt, und der Herr die Menschen als Seinen ewigen Wohnort erwählt hat. In der Gegenwart Seiner Herrlichkeit schien die ganze Erde so unbedeutend wie ein Staubkorn, und dennoch war sie so hoch geschätzt, daß die Aufmerksamkeit der gesamten himmlischen Heerschar auf sie gerichtet war.
Als ich nun vor dem Thron stand, fühlte ich mich noch viel geringer als ein Staubkorn. Dessen ungeachtet spürte ich den Heiligen Geist in einer großartigeren Weise auf mir, als ich ihn je zuvor gespürt hatte. Es war ausschließlich durch Seine Kraft allein, daß ich stehen konnte. Erst hier habe ich so richtig verstanden, was sein Dienst als unser Beistand ist. Er hat mich durch die ganze Reise hindurch geleitet, auch wenn ich kaum von ihm Notiz genommen habe.
Der Herr war zugleich viel sanfter und schrecklicher, als ich mir dies je vorgestellt hatte. In Ihm sah ich „Weisheit“, die mich auf den Berg hinauf begleitet hatte, und empfand die Vertrautheit vieler meiner Freunde auf der Erde. Ich erkannte Ihn als den Einen, den ich viele Male durch andere sprechen gehört habe. Ich erkannte Ihn auch als den Einen, den ich oft zurückgewiesen hatte, als er in anderen zu mir kam. Ich sah sowohl den Löwen als auch das Lamm, den Hirten und den Bräutigam, aber am meisten sah ich Ihn hier als den Richter.
Sogar in Seiner ehrfurchterregenden Gegenwart war der Beistand so mächtig mit mir, daß ich mich wohlfühlte. Es war offensichtlich, daß der Herr es auf keinen Fall wollte, daß es mir schlecht ging. Er wollte nur, daß ich die Wahrheit erkannte. Menschliche Worte sind nicht ausreichend, um zu beschreiben, wie furchterregend oder wie befreiend es ist, vor dem Herrn zu stehen. Ich hatte den Punkt überschritten, wo es mir darum ging, ob das Urteil gut oder schlecht ausfallen würde. Ich wußte nur, daß es gerecht sein würde, und daß ich meinem Richter wahrlich vertrauen konnte.
Dann schaute der Herr auf die Galerien von Thronen um Ihn herum. Viele waren von Heiligen besetzt und viele waren leer. Dann sagte Er: „Diese Throne sind für die Überwinder, die mir in jeder Generation treu gedient haben. Mein Vater und ich haben sie vor Grundlegung der Welt bereitet. Bist du würdig, auf einem dieser Throne zu sitzen?“
Ich erinnerte mich, daß mir ein Freund einmal gesagt hat: „Wenn ein allwissender Gott dir eine Frage stellt, dann tut er das nicht, weil er Informationen braucht.“ – Ich schaute auf die Throne. Ich schaute nun auf die, die darauf saßen. Ich konnte einige der großen Helden des Glaubens erkennen, aber von den meisten, die auf diesen Thronen saßen, wußte ich, daß sie auf der Erde nicht einmal besonders bekannt gewesen waren. Viele, die ich kannte, waren Missionare gewesen, die ihre Leben im Verborgenen hingegeben hatten. Sie hatten sich niemals darum gekümmert, auf der Erde bekannt zu sein, sondern nur Ihm. Ich war überrascht, einige zu sehen, die wohlhabend oder Herrscher gewesen waren und die treu waren in dem, was ihnen gegeben worden war. Jedoch schien es, daß treue, betende Frauen und Mütter mehr Throne einnahmen als jede andere Gruppe.
Da gab es keine Möglichkeit, auf die Frage des Herrn mit „ja“ zu antworten, wenn ich mich selbst beurteilte, ob ich würdig wäre, hier zu sitzen. Ich war nicht würdig, in der Gemeinschaft mit irgendeinem, der dort war, zu sitzen. Ich wußte, daß mir die Gelegenheit gegeben worden war, um den größten Preis im Himmel und auf Erden zu laufen, und ich hatte versagt. Ich war verzweifelt, aber es gab eine Hoffnung. Obwohl das meiste in meinem Leben daneben war, wußte ich, daß ich hier war, bevor ich mein Leben auf der Erde beendet hatte. Als ich bekannte, daß ich nicht würdig war, fragte Er:
„Aber möchtest du diesen Sitz?“
„Ich möchte das mit meinem ganzen Herzen,“ antwortete ich.
Der Herr schaute dann in die Galerien und sagte: „Diese freien Sitze hätten in jeder Generation gefüllt werden können. Ich habe die Einladung, hier zu sitzen, jedem gegeben, der meinen Namen angerufen hat. Sie sind noch immer zu haben. Nun ist die letzte Schlacht gekommen, und viele von den letzten werden die ersten sein. Diese Sitze werden gefüllt sein, bevor die Schlacht zu Ende ist. Die, die hier sitzen, wirst du an zwei Dingen erkennen: sie werden den Mantel der Demut tragen und sie werden meine Ähnlichkeit haben. Du hast nun den Mantel. Wenn du ihn behältst und ihn nicht in der Schlacht velierst, wirst du, wenn du zurückkommst, auch meine Ähnlichkeit haben. Dann wirst du würdig sein, mit diesen zu sitzen, weil ich dich würdig gemacht haben werde. Alle Autorität und Macht ist mir gegeben, und nur ich kann sie richtig ausüben. Du wirst siegreich sein, und dir wird meine Autorität nur dann anvertraut werden, wenn du vollkommen in mir bleibst. Nun drehe dich um und schaue dir meinen Haushalt an.“
Ich wandte mich um und schaute in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Vom Platz vor seinem Thron konnte ich den gesamten Raum sehen. Das Schauspiel war wegen seiner Herrlichkeit jenseits jeglichen menschlichen Vergleichs. Millionen füllten die Ränge. Jeder einzelne im niedrigsten Rang war furchterregender als eine ganze Armee und hatte auch mehr Macht, wie ich erkannte. Es war weit jenseits meiner Fähigkeiten, ein derartiges Panorama von Herrlichkeit aufzunehmen. Trotzdem konnte ich sehen, daß nur ein kleiner Teil des großartigen Raumes gefüllt war.
Dann wandte ich mich wieder zum Herrn um und war erstaunt, daß er Tränen in seinen Augen hatte. Er hatte die Tränen aus allen Augen hier abgewischt, außer seinen eigenen. Als eine Träne seine Wange herunterrann, fing er sie in seiner Hand auf. Dann bot er sie mir an.„Dies ist mein Kelch. Willst du ihn mit mir trinken?“
Es gab keine Möglichkeit, Ihm zu widerstehen. Als der Herr weiter auf mich blickte, begann ich Seine große Liebe zu fühlen. Auch wenn ich so verdorben war, wie ich war, Er liebte mich trotzdem. So unverdient wie es war, Er wollte dennoch, daß ich Ihm nahe war. Dann sagte Er:
„Ich liebe alle diese mit einer Liebe, die du jetzt noch nicht verstehen kannst. Ich liebe auch alle jene, die hier sein sollten, aber nicht gekommen sind. Ich habe die neunundneunzig verlassen, um dem einen, das verloren war, nachzugehen. Meine Hirten würden nicht das eine verlassen, um den neunundneunzig nachzugehen, die noch immer verloren sind. Ich kam, um die Verlorenen zu retten. Wirst du mein Herz teilen, um die Verlorenen zu retten? Wirst du helfen, diesen Raum zu füllen? Wirst du mithelfen, diese Throne zu füllen und jeden anderen Platz, der in diesem Saal ist? Wirst du diese Herausforderung annehmen, um Freude in den Himmel zu bringen, mir und meinem Vater? Dieses Gericht ist für meinen eigenen Haushalt, und mein Haus ist nicht voll. Die letzte Schlacht wird nicht vorbei sein, bis mein Haus nicht voll ist. Erst dann wird es Zeit, die Erde zu erlösen und das Böse aus meiner Schöpfung zu entfernen. Wenn du aus meinem Kelch trinkst, wirst du die Verlorenen genauso lieben, wie ich sie geliebt habe.“
Er nahm dann einen Kelch, der so gewöhnlich war, daß ich überrascht war, daß etwas derartiges in einem Raum mit dieser Herrlichkeit überhaupt existieren konnte, und Er gab seine Träne hinein. Dann gab Er sie mir. Ich habe nie zuvor etwas derart Bitteres geschmeckt. Ich wußte, daß ich auf keinen Fall alles oder auch nur viel davon trinken konnte, aber ich war entschlossen, so viel als möglich davon zu trinken. Der Herr wartete geduldig, bis ich schließlich in ein derartiges Weinen ausbrach, daß ich meinte, daß ganze Flüsse von Tränen aus mir herausflossen. Ich weinte um die Verlorenen, aber noch mehr weinte ich um den Herrn.
Ich schaute Ihn verzweifelt an, als ich nicht mehr von diesem großen Schmerz ertragen konnte. Dann begann Sein Friede mich zu erfüllen und mischte sich mit Seiner Liebe, die ich empfand. Niemals hatte ich etwas so Wunderbares empfunden. Das war das lebendige Wasser, von dem ich wußte, daß es bis in Ewigkeit fließen konnte. Dann war es mir, als ob das Wasser, das in mir floß, Feuer fangen würde. Ich spürte, daß mich dieses Feuer verzehren würde, wenn ich nicht anfangen würde, die Herrlichkeit Seiner Majestät zu bekennen. Ich hatte niemals ein derartiges Drängen gefühlt zu predigen, Ihn anzubeten und jeden Atemzug zu atmen, der mir um Seines Evangeliums willen gegeben worden war.
„Herr!“ schrie ich laut, und hatte alle außer Ihm rundherum vergessen.
„Ich erkenne, daß dieser Thron des Gerichts auch der Thron der Gnade ist, und ich bitte Dich jetzt um die Gnade, Dir dienen zu dürfen. Vor allem bitte ich um Gnade! Ich bitte Dich um die Gnade, meinen Lauf beenden zu dürfen. Ich bitte Dich um die Gnade, Dich derart lieben zu können, daß ich von den Verführungen und der Selbstbezogenheit, die mein Leben so verdrehen, befreit werde. Ich rufe Dich an um Erlösung von mir selbst und dem Bösen meines eigenen Herzens und um diese Liebe, die ich jetzt fühle, daß sie ständig in meinem Herzen fließen möge. Ich bitte Dich, daß Du mir Dein Herz gibst, Deine Liebe. Ich bitte Dich um die Gnade Deines Heiligen Geistes, um mich von meiner Sünde zu überführen. Ich bitte Dich um die Gnade Deines Heiligen Geistes, um von Dir zeugen zu können, wie Du wirklich bist. Ich bitte um die Gnade, das zu bezeugen, was Du für die vorbereitet hast, die zu Dir kommen. Ich bitte um die Gnade, daß Du auf mir bist, daß ich die Realität dieses Gerichts predigen kann. Ich bitte um die Gnade, mit denen Gemeinschaft haben zu dürfen, die berufen sind, diese leeren Throne zu besetzen, ihnen Worte des Lebens zu geben, die sie auf dem Pfad des Lebens halten, die ihnen den Glauben übermitteln, das zu tun, wozu sie berufen worden sind. Herr, ich flehe Dich um diese Gnade an.“
Dann stand der Herr auf. Dann standen auch alle anderen auf, die auf den Thronen saßen, so weit ich sehen konnte. Seine Augen brannten mit einem Feuer, das ich zuvor nicht gesehen hatte.
„Du hast mich um Gnade angerufen. Diese Bitte werde ich niemals abschlagen. Du sollst zurückkehren, und der Heilige Geist wird mit dir sein. Hier hast du sowohl meine Güte als auch meine Strenge geschmeckt. Du mußt beides in Erinnerung behalten, wenn du auf dem Pfad des Lebens bleiben willst. Die wahre Liebe Gottes beinhaltet das Gericht Gottes. Du mußt sowohl meine Güte als auch meine Strenge kennen, wenn du nicht in Verführung fallen willst. Das ist die Gnade, die du hier empfangen hast, beides zu erkennen. Die Gespräche mit deinen Geschwistern hier waren meine Gnade. Behalte sie in Erinnerung“
Dann zeigte er mit seinem Schwert auf mein Herz, dann meinen Mund, dann meine Hände. Als er dies tat, kam Feuer aus Seinem Schwert und brannte mich mit einem großen Schmerz. „Auch das ist Gnade,“ sagte Er. „Du bist nur einer von den vielen, die für diese Stunde vorbereitet worden sind. Predige und schreibe über alles, was du hier gesehen hast. Was ich dir gesagt habe, sage meinen Brüdern. Gehe und rufe meine Hauptleute zur letzten Schlacht. Gehe und verteidige die Armen und die Unterdrückten, die Witwen und die Waisen. Dies ist der Auftrag an meine Kommandanten, und dort wirst du sie finden. Meine Kinder sind mir wertvoller als die Sterne am Himmel. Nähre meine Lämmer. Wache über meine Kleinen. Gib ihnen das Wort Gottes, damit sie leben mögen. Ziehe in die Schlacht. Gehe und weiche nicht zurück. Gehe rasch, denn ich komme bald. Gehorche mir und beschleunige den Tag meines Kommens.“
Dann kam ein Trupp Engel und eskortierte mich vom Thron weg. Der Anführer ging neben mir und begann zu sprechen:
„Nun, da Er aufgestanden ist, wird er sich nicht wieder hinsetzen, bis die letzte Schlacht vorbei ist. Er hat gesessen bis zu dem Zeitpunkt, an dem seine Feinde unter seine Füße gelegt werden sollen. Die Zeit ist jetzt gekommen. Die Legionen von Engeln, die seit der Nacht seines Leidens bereitstanden, sind jetzt auf die Erde gelassen worden. Auch die Horden der Hölle sind losgelassen worden. Auf diese Zeit hat die gesamte Schöpfung gewartet. Das große Mysterium Gottes wird bald zu Ende sein. Wir werden nun bis an das Ende kämpfen. Wir werden mit dir und deinen Brüdern kämpfen.“
Ich erwachte.

Quelle: MorningStar Prophetic Bulletin

Übersetzung: Günther Ossimitz (unter Mitarbeit von Evelin Greiler), Biblische Gemeinde Klagenfurt

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