Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



Philothea: Treu sein im Großen und im Kleinen.

Aus der Philothea von Franz von Sales  /  zweiter Teil /  35. Kapitel

Im Hohen Lied (4,9) sagt der Bräutigam, schon ein Blick, ein Haar der Braut habe sein Herz entzückt. Am menschlichen Körper gibt es nichts Edleres als das Auge und nichts Geringeres als das Haar. Der göttliche Bräutigam will also sagen, daß ihm nicht nur die großen Werke der Frömmigkeit wohlgefällig sind, sondern auch die kleinen und unscheinbaren. Wer ihm nach seinem Wohlgefallen dienen will, muß den kleinen und weniger geachteten Dingen ebensoviel Sorgfalt widmen wie den großen und erhabenen, denn mit dem einen wie mit dem anderen können wir seine Liebe gewinnen. Sei also bereit, große Leiden, ja selbst den Martertod für den Herrn auf dich zu nehmen; sei entschlossen, ihm das Kostbarste zu opfern, wenn er es verlangen sollte: Vater, Mutter, Bruder, Gatten oder Gattin und Kinder, deine Augen sogar und dein Leben; dies alles hinzugeben, soll dein Herz bereit sein. Da dir aber die göttliche Vorsehung nicht so schmerzliche und große Prüfungen schickt, da sie nicht die Augen von dir fordert, so gib ihr wenigstens deine Haare, d. h. ertrage gelassen die kleinen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, die kleinen alltäglichen Opfer.
Mit jedem dieser kleinen Geschenke kannst du seine Liebe gewinnen, wenn du in sie viel Liebe und Hingabe hineinlegst. Diese täglichen kleinen Liebesdienste, das Kopfweh und die Zahnschmerzen, das Geschwür und die üble Laune des Mannes oder der Frau, ein zerbrochenes Glas, ein geringschätziges oder unwilliges Wort, der Verlust eines Ringes oder Taschentuchs, die kleine Unbequemlichkeit, früh schlafen zu gehen, um früh zu Gebet und Kommunion aufzustehen, die Scheu, gewisse Übungen der Frömmigkeit öffentlich zu verrichten, kurz alle diese kleinen Leiden in Liebe angenommen und ertragen, erfreuen die göttliche Güte überaus, die für ein einziges Glas Wasser das Meer der Seligkeit den Gläubigen versprochen hat (vgl. Mt 10,42). Da sich solche Gelegenheiten sehr oft bieten, können wir durch sie große geistliche Reichtümer anhäufen, wenn wir sie gut benützen.
Als ich im Leben der hl. Katharina von Siena so viel von Ekstasen und Entrückungen des Geistes, von weisen Reden und sogar von Predigten hörte, die sie hielt, da zweifelte ich nicht daran, daß sie mit dem Auge ihrer Beschauung das Herz des himmlischen Bräutigams entzückte. Aber es hat mich nicht weniger erfreut, sie in der Küche ihres Vaterhauses demütig das Feuer im Herd anmachen, Fleisch zubereiten, Brot backen und die unbedeutendsten Hausarbeiten mit einem Herzen voll Liebe gegen Gott verrichten zu sehen. Und ich schätzte die kleinen und schlichten Gedanken, die sie bei diesen niedrigen und gewöhnlichen Arbeiten hegte, nicht minder hoch als die Ekstasen und Verzückungen, mit denen sie oft begnadet war, vielleicht nur als Belohnung für diese Demut und Bescheidenheit. Ihre Gedanken aber waren die: Sie stellte sich vor, daß sie das Mahl wie die hl. Martha für den Heiland bereite statt für ihren Vater, in ihren Brüdern sah sie die Apostel. So ermunterte sie sich, im Geist dem ganzen himmlischen Hof zu dienen und verrichtete diese gewöhnlichen Arbeiten mit so großer Liebe, weil sie in ihnen den Willen Gottes erkannte. Ich habe dieses Beispiel angeführt, um dir zu zeigen, wie wichtig es ist, alle Handlungen, so unscheinbar sie auch sein mögen, dem Dienste der göttlichen Majestät zu weihen.
Dafür empfehle ich dir eindringlich die von Salomo so gepriesene starke Frau als Vorbild; wie er sagt, legt sie Hand an Großes, Erhabenes und Wichtiges, ohne darüber das Spinnen zu unterlassen: "Sie hat die Hand an Großes gelegt, ihre Finger fassen die Spindel'' (Spr 31,19). Lege die Hand an Großes, übe dich im innerlichen Gebet, in der Betrachtung, empfange die Sakramente, flöße anderen die Liebe zu Gott ein, senke in ihre Herzen gute Regungen, wirke Großes und Wichtiges je nach deinem Beruf; darüber aber vergiß nicht deinen Spinnrocken und deine Spindel, die wie Blumen am Fuß des Kreuzes wachsen: Armendienst, Krankenbesuche, gewissenhafte Sorge für die eigene Familie mit allem, was dazu gehört, fleißige Arbeit, die dich nie müßig sein läßt. In all dies flicht ähnliche Gedanken ein, wie ich sie von der hl. Katharina erzählte.
Die großen Gelegenheiten, Gott zu dienen, sind selten: kleine gibt es immer. Wer aber im Kleinen treu ist, sagt der Heiland, den wird man über Großes setzen (Mt 25,21). Verrichte also alles im Namen Gottes (Kol 3,17) und es wird gut getan sein. Ob du ißt oder trinkst (1.Kor 10,31), dich erholst oder am Herd stehst: wenn du deine Arbeit gut verrichtest, wirst du großen Nutzen vor Gott haben, wenn du alles tust, weil Gott es von dir verlangt.




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