1. Grüble nicht über Gottes Ratschlüsse im Leben des Menschen; du wirst sie nie ganz begreifen.
2. Frage nicht, welcher Heilige der Größte im Himmelreich ist.
3. Heilige wollen von Gott her beurteilt sein; denn er hat sie berufen und beschenkt.
4. Eine Beurteilung der Heiligen aus unerleuchtetem Geiste und rein natürlicher Sicht ist Gott mißfällig und nützt nichts.
5. Die wichtigste Frage lautet nicht, wer der Größere im Himmelreich ist, sondern wer hier auf Erden der Kleinste im Reiche Gottes sein will.
1. (Der Herr:) Mein Sohn, hüte dich, hohe Dinge und die geheimen Ratschlüsse
Gottes zu erörtern, etwa: warum dieser so verlassen ist und jener so großer
Gnaden gewürdigt wird; warum dieser so tief gedemütigt und jener so hoch
erhoben wird. Das übersteigt alles menschliche Vermögen. Keine Fassungskraft
und keine Gelehrsamkeit reicht aus, den göttlichen Ratschluß zu ergründen.
Wenn dir also der Feind solche Gedanken eingibt oder wenn vorwitzige
Menschen dir derartige Fragen stellen, so antworte mit dem Propheten: "Gerecht
bist du, O Herr, und gerecht ist dein Gericht" (Ps 119,137), oder: "Die Gerichte
des Herrn sind wahr, gerechtfertigt in sich selbst" (Ps 19, 10). Meine Gerichte
soll man fürchten, nicht untersuchen. Sie übersteigen alles menschliche
Begreifen.
2. Forsche auch nicht und streite nicht über die Verdienste der Heiligen, wer etwa vor anderen heiliger sei oder größer im Himmelreiche. Gespräche dieser Art erzeugen oft Streitigkeiten und nutzlose Eifersüchteleien. Sie nähren den Stolz und die eitle Ehrsucht. Daraus entstehen Mißgunst und Zwietracht, indem der eine diesem, der andere jenem Heiligen prahlend den Vorzug gibt. Solche Dinge wissen und erforschen wollen ist ein fruchtloses Beginnen und erregt das Mißfallen der Heiligen; denn "ich bin kein Gott der Zwietracht, sondern des Friedens" (1 Kor 14, 33). Dieser Friede aber besteht in wahrer Demut und nicht in Selbstüberhebung.
3. Einige fühlen sich im Eifer der Liebe zu diesen oder jenen Heiligen hingezogen, aber diese Neigung hat mehr im Menschen als in Gott ihren Ursprung. Ich bin es, der jeden Heiligen erweckt, ich schenke die Gnade dazu, ich verleihe ihm die Herrlichkeit. Ich kenne eines jeden Verdienst. "Ich komme ihm zuvor mit den Segnungen meiner Süßigkeit" (Ps 21, 4). Ich habe die Geliebten von Ewigkeit her voraus erkannt. "Ich habe sie aus der Welt auserwählt, nicht sie haben mich erwählt" (Joh 15, 19), ich habe sie durch die Gnade berufen und in Barmherzigkeit an mich gezogen. Durch vielerlei Versuchungen habe ich sie geführt, ihnen unaussprechliche Tröstungen geschenkt, Ausdauer verliehen, und ihre Geduld gekrönt. Ich kenne den ersten unter ihnen und den letzten, ich umfange sie alle mit unschätzbarer Liebe. Ich will in allen meinen Heiligen gelobt sein, ich will über alles gepriesen und geehrt sein in jedem einzelnen, denn ich habe ihn herrlich und groß gemacht und ihn ohne sein eigenes Verdienst vorherbestimmt. Wer also einen von meinen Kleinsten verachtet, ehrt auch den Großen nicht; denn "den Kleinen wie den Großen habe ich gemacht" (Weish 6,7). Wer einen der Heiligen verkleinert, der verkleinert auch mich und alle übrigen im Himmelreich. Alle sind eins durch das Band der Liebe, alle denken und wollen dasselbe, alle sind eins in gegenseitiger Liebe. Was aber weit mehr bedeutet: sie lieben mich mehr als sich selbst und ihre Verdienste. Über sich selbst hinaus entrückt und aller Eigenliebe enthoben, gehen sie ganz in der Liebe zu mir auf, und diese Liebe ist ihr Genuß und ihre Ruhe. Nichts könnte sie je davon abwenden oder sie niederdrücken, weil sie, erfüllt von der ewigen Wahrheit, im Feuer unauslöschlicher Liebe entbrennen.
2. Forsche auch nicht und streite nicht über die Verdienste der Heiligen, wer etwa vor anderen heiliger sei oder größer im Himmelreiche. Gespräche dieser Art erzeugen oft Streitigkeiten und nutzlose Eifersüchteleien. Sie nähren den Stolz und die eitle Ehrsucht. Daraus entstehen Mißgunst und Zwietracht, indem der eine diesem, der andere jenem Heiligen prahlend den Vorzug gibt. Solche Dinge wissen und erforschen wollen ist ein fruchtloses Beginnen und erregt das Mißfallen der Heiligen; denn "ich bin kein Gott der Zwietracht, sondern des Friedens" (1 Kor 14, 33). Dieser Friede aber besteht in wahrer Demut und nicht in Selbstüberhebung.
3. Einige fühlen sich im Eifer der Liebe zu diesen oder jenen Heiligen hingezogen, aber diese Neigung hat mehr im Menschen als in Gott ihren Ursprung. Ich bin es, der jeden Heiligen erweckt, ich schenke die Gnade dazu, ich verleihe ihm die Herrlichkeit. Ich kenne eines jeden Verdienst. "Ich komme ihm zuvor mit den Segnungen meiner Süßigkeit" (Ps 21, 4). Ich habe die Geliebten von Ewigkeit her voraus erkannt. "Ich habe sie aus der Welt auserwählt, nicht sie haben mich erwählt" (Joh 15, 19), ich habe sie durch die Gnade berufen und in Barmherzigkeit an mich gezogen. Durch vielerlei Versuchungen habe ich sie geführt, ihnen unaussprechliche Tröstungen geschenkt, Ausdauer verliehen, und ihre Geduld gekrönt. Ich kenne den ersten unter ihnen und den letzten, ich umfange sie alle mit unschätzbarer Liebe. Ich will in allen meinen Heiligen gelobt sein, ich will über alles gepriesen und geehrt sein in jedem einzelnen, denn ich habe ihn herrlich und groß gemacht und ihn ohne sein eigenes Verdienst vorherbestimmt. Wer also einen von meinen Kleinsten verachtet, ehrt auch den Großen nicht; denn "den Kleinen wie den Großen habe ich gemacht" (Weish 6,7). Wer einen der Heiligen verkleinert, der verkleinert auch mich und alle übrigen im Himmelreich. Alle sind eins durch das Band der Liebe, alle denken und wollen dasselbe, alle sind eins in gegenseitiger Liebe. Was aber weit mehr bedeutet: sie lieben mich mehr als sich selbst und ihre Verdienste. Über sich selbst hinaus entrückt und aller Eigenliebe enthoben, gehen sie ganz in der Liebe zu mir auf, und diese Liebe ist ihr Genuß und ihre Ruhe. Nichts könnte sie je davon abwenden oder sie niederdrücken, weil sie, erfüllt von der ewigen Wahrheit, im Feuer unauslöschlicher Liebe entbrennen.
4. Schweigen mögen also die Menschen der niedrigen, sinnlichen Art über den
Stand der Heiligen; sie wissen nur ihre eigenen Freuden zu schätzen. Sie
schmälern und übertreiben, wie es ihnen paßt, aber nicht, wie es der ewigen
Wahrheit gefällt. Bei vielen ist es nur Unwissenheit, vornehmlich bei jenen, die,
weil zu wenig erleuchtet, nur selten jemand in vollkommener geistiger Liebe zu
lieben vermögen. Sie lassen sich noch stark von natürlicher Liebe und
menschlicher Freundschaft leiten und zu diesen und jenen hinziehen. Wie sie die
irdischen Dinge sehen, so stellen sie sich auch die himmlischen vor. Aber es ist
ein unermeßlicher Abstand zwischen dem, was Unvollkommene denken, und
dem, was erleuchtete Menschen vermöge höherer Offenbarung schauen. Hüte
dich also, mein Sohn, vorwitzig über Dinge zu reden, die dein Wissen
übersteigen! Sei lieber eifrig darauf bedacht, als der Geringste im Reiche Gottes
erfunden zu werden. Wenn jemand wüßte, wer etwa heiliger ist als ein anderer
oder als der Größere im Himmelreich gilt, was nützt ihm diese Kenntnis, wenn
er sich nicht auf Grund der gewonnenen Einsicht vor mir verdemütigt und desto
mehr die größere Ehre meines Namens anstrebt? Weit wohlgefälliger handelt
vor Gott, wer über die Größe seiner Sünden und die Unzulänglichkeit seiner
Tugenden nachdenkt und wie weit er noch von der Vollkommenheit der
Heiligen entfernt ist, als wer über den höheren oder niederen Rang der Heiligen
streitet. Es ist besser, die Heiligen fromm und unter Tränen anzurufen und
demütigen Sinnes um ihre glorreiche Fürbitte anzuflehen, als über ihre
Geheimnisse nutzlose Untersuchungen anzustellen. Die Heiligen sind
vollkommen zufrieden, wenn sich nur auch die Menschen zufrieden gäben und
ihr törichtes Geschwätz beiseite ließen. Die Heiligen rühmen sich nicht der
eigenen Verdienste; denn sie schreiben sich selbst nichts, mir aber alles Gute zu.
Ich selbst habe ihnen alles aus meiner unendlichen Liebe geschenkt. So groß ist
ihre Liebe zu Gott, so überfließend ihre Freude, daß ihnen nichts an Herrlichkeit
fehlt und nichts an Seligkeit ihnen mangeln kann. Je höher sie in der Glorie
stehen, desto demütiger sind die Heiligen in sich selbst, und desto näher und
teurer sind sie mir. Daher steht geschrieben: "Sie legten ihre Kronen Gott zu
Füßen, fielen vor dem Lamme auf ihr Angesicht und beteten den an, der in alle
Ewigkeit lebt" (Offb 4, 10).
5. Viele fragen, wer größer sei im Reiche Gottes, und wissen nicht, ob sie selber wohl würdig sind, unter die Geringsten eingereiht zu werden. Etwas Großes ist es, der Geringste im Himmelreich zu sein, wo alle groß sind, weil alle "Kinder Gottes heißen und sind" (1 Joh 3, 1). "Der Kleinste soll für Tausend werden" (Jes 60,22), und "der Sünder mit seinen hundert Jahren soll sterben" (Jes 65, 20). Als die Jünger fragten, wer der Größte im Himmelreich sei, vernahmen sie die Antwort: "Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, geht ihr in das Himmelreich nicht ein. Wer sich also demütigt, wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich" (Mt 18, 3.4). Wehe dem, der sich nicht gern herabläßt, mit den Kleinen klein zu werden; denn die niedrige Pforte des Himmelreiches läßt ihn nicht durch. Wehe auch den Reichen, die hier ihren Trost finden. Während die Armen in das Reich Gottes eintreten, stehen sie selber klagend vor der Tür. Freut euch, ihr Demütigen, jubelt, ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes, wenn ihr nur in der Wahrheit wandelt.
5. Viele fragen, wer größer sei im Reiche Gottes, und wissen nicht, ob sie selber wohl würdig sind, unter die Geringsten eingereiht zu werden. Etwas Großes ist es, der Geringste im Himmelreich zu sein, wo alle groß sind, weil alle "Kinder Gottes heißen und sind" (1 Joh 3, 1). "Der Kleinste soll für Tausend werden" (Jes 60,22), und "der Sünder mit seinen hundert Jahren soll sterben" (Jes 65, 20). Als die Jünger fragten, wer der Größte im Himmelreich sei, vernahmen sie die Antwort: "Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, geht ihr in das Himmelreich nicht ein. Wer sich also demütigt, wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich" (Mt 18, 3.4). Wehe dem, der sich nicht gern herabläßt, mit den Kleinen klein zu werden; denn die niedrige Pforte des Himmelreiches läßt ihn nicht durch. Wehe auch den Reichen, die hier ihren Trost finden. Während die Armen in das Reich Gottes eintreten, stehen sie selber klagend vor der Tür. Freut euch, ihr Demütigen, jubelt, ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes, wenn ihr nur in der Wahrheit wandelt.