Die Nachfolge Christi | drittes Buch | Kapitel 45
1. Verlaß dich auf Gott allein, nicht auf Menschen.
2. Wer auf Gott vertraut, hat auch als schwacher Mensch fest gebaut.
3. Die Warnung Gottes vor Vertrauensseligkeit ist ein weiser Rat.
4. Es ist klug, vor den Menschen zu schweigen.
2. Wer auf Gott vertraut, hat auch als schwacher Mensch fest gebaut.
3. Die Warnung Gottes vor Vertrauensseligkeit ist ein weiser Rat.
4. Es ist klug, vor den Menschen zu schweigen.
1. (Der Knecht:) "Herr, hilf mir in meiner Not, denn auf Menschenhilfe ist kein
Verlaß" (Ps 60, 13). Wie oft habe ich dort keine Treue gefunden, wo ich sie zu
finden glaubte. Wie oft habe ich sie dort gefunden, wo ich sie kaum erwartet
hatte. Die Hoffnung auf Menschen trugt, "das Heil der Gerechten ruht in dir, O
Gott" (Ps 37,39). Gepriesen seist du, Herr, mein Gott, in allem, was uns
begegnet. Wir sind schwach und unbeständig, lassen uns schnell täuschen und
sind alle Augenblicke anders. Wer vermag sich in allem so vorsichtig und
behutsam zu verhalten, daß er nicht ab und zu einer Täuschung erläge oder in
eine Verlegenheit geriete? Wer aber auf dich, Herr, vertraut und dich
aufrichtigen Herzens sucht, kommt nicht so leicht zu Fall. Sollte er einmal in
Not geraten, und wäre diese noch so verwickelt, er wird schnellstens von dir
befreit und getröstet. Du lässest keinen im Stich, der auf dich vertraut. Ein treuer
Freund, der in allen Leiden des Freundes aushält, ist selten. Du aber, Herr, bist
in allem der ganz Getreue; außer dir ist keiner so wie du.
2. Wie recht hatte doch jene heilige Seele, die da sprach: "Mein Geist steht in
einem festen Grunde: in Christus." Stünde es auch mit mir so, ich würde nicht so leicht ein Opfer der Menschenfurcht und der spitzen Reden. Wer kann auch alles
voraussehen,wer den kommenden Übeln begegnen? Wenn schon
Vorausgesehenes uns oft so hart trifft, welche schmerzliche Wunden schlägt uns
erst das unerwartete Leid! Aber warum habe ich Unglücklicher nicht besser für
mich vorgesorgt? Warum habe ich anderen so leicht geglaubt? Doch wir sind
Menschen und nichts anderes als gebrechliche Menschen, wenn uns auch viele
für Engel halten und auch so nennen. Wem soll ich noch glauben, Herr? Wem
außer dir? Du bist die Wahrheit, die nicht täuscht und keiner Täuschung erliegen kann. Und nochmals: "Jeder Mensch ist
verlogen" (Ps 116,11), schwach, unbeständig und wankelmütig, vor allem in
Worten, so daß man kaum sofort glauben darf, was zunächst glaubwürdig klingt.
3. Wie weise war es von dir, uns zeitig zu ermahnen, daß wir "vor den Menschen
auf unserer Hut sein sollen" (Mt 10,17), "daß die Hausgenossen des Menschen
dessen Feinde sind" (Mt 10, 36) und "daß wir dem keinen Glauben schenken,
der etwa sagt: Siehe, hier ist er oder dort" (Mt 24, 23). Durch Schaden bin ich
klug geworden, hoffentlich zu meiner größeren Vorsicht und nicht zu meiner
Beschämung. Sei still, sagt einer, sei still, behalte für dich, was ich dir sage. Und
während ich nun schweige und erlaube, daß es geheimgehalten werde, kann
jener nicht für sich behalten, was er verschwiegen wissen wollte, und geht hin
und verrät mich und sich. Vor derartigem Geschwätz und solchen Menschen
beschütze Mich, Herr! Laß mich nicht in ihre Hände fallen und ähnliche
Torheiten begehen! Lege mir ein wahres, verlässiges Wort in den Mund, die
verschlagene Zunge aber halte fern von mir. Was ich selber nicht erleiden
möchte, muß ich auf alle Weise vermeiden.
4. Wie gut ist es und wie sehr dient es dem Frieden, über andere zu schweigen,
nicht vorbehaltlos alles zu glauben und das Gehörte leichtfertig weiterzutragen.
Wie gut, wenn man sich nur wenigen offenbart, dich als "den Wächter des
Herzens" (Spr 24, 12) befragt, und sich nicht "von jedem Winde der Worte hin
und her bewegen läßt" (Eph f, 14), sondern alles, die Heimlichkeiten des
Herzens und die äußeren Dinge, nach deinem Wunsch und Willen zu regeln
wünscht. Wie sicher ist es für die Bewahrung der himmlischen Gnade, nicht vor
Menschen aufzutreten! Wie klug, dem zu entfliehen, was nach außen
Bewunderung zu erregen scheint! Strebe vielmehr mit Eifer danach, dein Leben
zu bessern und es mit Liebe zu erfüllen. Wie vielen hat es geschadet, daß ihre
Tugend vor der Zeit bekannt und gelobt wurde! Und wie heilsam war es, die
Gnade in Schweigen zu hüllen in diesem gebrechlichen Leben, das, wie es heißt,
nur "Kampf und Versuchung" ist (Ijob 7, 1).