Vor wenigen Tagen hatten wir Gelegenheit, mit Peter Orzechowski zu sprechen. Anlass war sein neu erschienenes Meisterwerk Der direkte Weg in den Dritten Weltkrieg. Was er uns da unterbreitete, haben wir so noch nie gehört.
KOPP Online: Ihr neues Buch trägt den Titel Der direkte Weg in den Dritten Weltkrieg. Es gibt aber einige Zeitgenossen, die sagen, der Dritte Weltkrieg sei bereits ausgebrochen. Wie sehen Sie das?
Orzechowski: Die von Ihnen angesprochenen Zeitgenossen, deren
prominentester Papst Franziskus ist, haben recht: Auf vielen
Schlachtfeldern tobt der Krieg schon in voller Stärke. Denken Sie an die
globale Wirtschaft mit den Börsen und Banken, die Cyberwelt des
weltweiten Netzes, die Propaganda der Mainstream-Medien, die
Söldnerhaufen und die Terrorkommandos, die Massendemonstrationen und die
Flüchtlingsströme, das gewollt inszenierte Chaos des Nahen und des
Mittleren Ostens. Aber ich behaupte – und belege es in meinem Buch mit
vielen Informationen und Fakten: Es wird nicht »nur« bei diesem stetig
wachsenden Chaos bleiben. Wir befinden uns auf dem direkten Weg in die
heiße Phase der großen Konfrontation.
KOPP Online: Und wer wird gegen wen kämpfen?
Orzechowski: Letztendlich wird es auf eine Auseinandersetzung zwischen USA/NATO und China/Russland hinauslaufen.
KOPP Online: Welche Rolle spielt Deutschland dabei?
Orzechowski: So wie es derzeit aussieht, spielen wir die
Vasallenrolle der USA. Was auch bedeutet, dass wir in einem Krieg massiv
getroffen und betroffen sind. Denken Sie nur daran,
dass Deutschland die Nachschubbasis für die NATO in Mitteleuropa ist.
Allerdings: Würden wir die NATO verlassen, was den Austritt anderer
Mitglieder nach sich ziehen würde, könnten wir Deutsche den drohenden
Weltkrieg verhindern.
KOPP Online: Sie schreiben in Ihrem Buch,
der Dritte Weltkrieg habe bereits mit dem 11. September 2001 begonnen,
und seither habe sich der Krieg ständig ausgeweitet und verschärft.
Woran machen Sie diese Behauptung fest?
Orzechowski: Der Mittlere Osten steht von Libyen bis in den Irak in
Flammen. Von den USA und ihren saudischen Verbündeten gesteuerte
Terrorgruppen wie der IS bereiten den Boden für den Endkampf um den
Besitz der derzeit wichtigsten Ressourcen Öl und Gas. Im Jemen versuchen
Saudi-Arabien und seine Verbündeten, den Iran in einen größeren
Konflikt hineinzuziehen. Die strategischen Militärstützpunkte an den
wichtigen Seefahrtstraßen sind eingerichtet. Im Moment werden Waffen und Material an wichtigen Brennpunkten gelagert.
Zweieinhalbtausend Kilometer nördlich von Nah-/Mittelost tobt der
Konflikt des Westens mit Russland um die Ukraine, um Moldawien und – den
Vorbereitungen nach zu urteilen – demnächst um Georgien, um Armenien
und um Aserbaidschan in Form eines Wirtschafts-, Propaganda- und
Guerillakriegs. Dadurch werden die Konfliktherde Ostukraine, Krim und
Transnistrien am Brodeln gehalten. Ein paar Hundert Kilometer vor der
russischen Grenze, manchmal auch – wie im Baltikum, in der Ukraine und
in Georgien – direkt an der Grenze, legt der Westen Lager mit Waffen,
Gerät und Munition an.
Im Westen Afrikas – wie in anderen Ölregionen dieser Welt – läuft
derweil ein verdeckter Krieg zwischen dem Westen und China um die
Sicherung der Ressourcen. Um diese Kampagne zu unterstützen, wird 10 000
Kilometer weiter nordöstlich in den Meeren um China eine militärische
Auseinandersetzung mit dessen Nachbarn provoziert.
KOPP Online: Kämpfen die USA also um den Erhalt ihrer Weltherrschaft?
Orzechowski: Eindeutig ja. Aber worum geht es dabei? Um die
weltweiten Vorräte an Öl und anderen Ressourcen, um die Kontrolle der
Handelswege und des Welthandels. Die
»einzige Weltmacht« (Brzeziñski) will nicht den Kuchen mit ihrem
Konkurrenten EU sowie den aufkommenden Mächten China und Russland teilen.
KOPP Online: Zbigniew Brzeziñski,
der außenpolitische Berater von US-Präsident Obama, hat geschrieben, es
gehe in dem nun begonnenen Ringen um die Vorherrschaft über Eurasien,
der Landmasse zwischen Lissabon und Wladiwostock …
Orzechowski: Recht hat er. Ich gehe im Buch auch auf ihn ein. Was
viele aber nicht beachtet haben: Die strategischen Absichten der USA
wurden bereits klar formuliert im sogenannten
»Seidenstraßen-Strategiegesetz« (»Silk Road Strategy Act« oder auch »New
Great Game«), das sieben
Tage vor dem Jugoslawienkrieg, am 7. März 1999, im
US-Repräsentantenhaus vorgelegt wurde. Darin wollen die USA einen
militärisch abgesicherten breiten Korridor vom Mittelmeer bis nach
Zentralasien beherrschen, der die Länder Armenien, Aserbaidschan,
Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und
Usbekistan umfasst. Tatsächlich banden die USA diese Länder bis 2002 in
die NATO-Institution »Partnership for Peace« ein.
Ich zeige auch, dass der ideologische Ursprung dieser Strategie auf
das Jahr 1979 zurückgeht, als US-Präsident Jimmy Carter die Doktrin für
den Mittleren Osten aufstellte: »Jeder Versuch einer auswärtigen
Macht, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, wird als
Angriff auf die zentralen Interessen der USA betrachtet und … mit allen
erforderlichen Mitteln, einschließlich militärischen, zurückgeschlagen
werden.«
KOPP Online: Was ist als Nächstes zu erwarten?
Orzechowski: Was im Moment läuft, ist der erste Schritt auf dem Weg
zum großen Krieg, und der heißt: an den Rändern der gewaltigen
eurasischen Landmasse Unruhen, Aufstände und Krisen zu initiieren.
Der nächste Schritt zeigt sich in den immer häufiger durchgeführten
Manövern. Über die urteilte die Denkfabrik »European Leadership Network«
(ELN) in London Mitte August 2015: Die jüngsten Manöver der NATO und
Russlands mit Blick auf die Fähigkeiten der jeweils anderen Seite seien
lediglich eine Art »Vorspiel« für tatsächliche militärische
Auseinandersetzungen. Das Ausmaß der Manöver deute klar darauf hin, dass
Russland sich »auf einen Konflikt mit der NATO« und die NATO sich »auf
eine Auseinandersetzung mit Russland« vorbereite.
Ich
zitiere auch den ehemaligen Generalstabschef des Südkommandos der NATO
und Kommandant der KFOR-Truppen in Kosovo, Generalleutnant Fabio Mini,
der sagte: Der gegenwärtig eskalierende Weltkrieg sei im Begriff, sich
zu einer nuklearen Konfrontation zuzuspitzen. Begrenzte Kriege seien
heute nicht einmal mehr theoretisch möglich, und alle Konflikte – vom
Kalten Krieg der baltischen Staaten gegen Russland über die Ukraine bis
hin zu Syrien und Jemen, einschließlich der sogenannten »Kleinkriege« –
weisen darauf hin, dass wir nicht erst mit einem neuen totalen Konflikt
rechnen müssten, sondern dass wir bereits bis zu unserem Hals darin
stecken.
KOPP Online: Sie beschuldigen USA und NATO –
unsere Verbündeten –, diesen gefährlichen Brand zu legen. Sind Sie ein
Amerikafeind und Putin-Versteher?
Orzechowski: Ich bin in den 1950er-Jahren in die Grundschule und in
den 1960ern aufs Gymnasium gegangen. Der Westen und insbesondere die USA
waren für mich immer die Guten. Als Ronald Reagan US-Präsident war,
lebte ich in den Vereinigten Staaten und lernte die Menschen dort kennen
und lieben. Ich war also eher ein USA-Verehrer. Diese meine – zugegeben
naive – Einstellung hat sich seit dem 11. September 2001 schlagartig
verändert. Denn ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die US-Demokratie von
innen ausgehöhlt und von einer Oligarchie – das ist griechisch und
heißt »die Herrschaft der Wenigen« – aus Banken, Ölkonsortien,
Pharmaunternehmen und dem Militärisch-Industriellen Komplex beherrscht
wird.
Das Traumland meiner Jugend, die zeitweilige spätere Heimat, die
Paradedemokratie, entwickelte sich zum Überwachungs- und Polizeistaat,
der augenscheinlich versucht, überall Chaos zu erzeugen, um die globale
Herrschaft zu sichern. Übrigens: Die Enttäuschung darüber spüre nicht
nur ich, sondern offenbar geht es vielen Menschen ebenso, wie ich in
zahlreichen Gesprächen erfahren habe.
Zu Wladimir Putin: Er erscheint mir im Moment als der Einzige, der
sich der US-Hegemonie nicht unterordnen will. Und was noch wichtiger
ist: Er ist – in Zusammenarbeit mit China – der Einzige, der den
Weltkrieg noch aufhalten kann.
KOPP Online: Eine düstere Prognose. Was kann der Einzelne tun? Was raten Sie Ihren Lesern?
Orzechowski: Erstens: Beobachten Sie in den nächsten Monaten einige
globale Brennpunkte, die ich im Buch ausführlich beschrieben habe, und
vergleichen Sie Ihre Beobachtungen mit den Grundthesen dieses Buches.
Dann können Sie ganz gut eigene Prognosen treffen, wann und wo es
möglicherweise zu Konfrontationen kommt.
Zweitens: Wir müssen Widerstand leisten, indem wir die
Volksvertreter, die wir gewählt haben, unter Druck setzen und sie mit
den Fakten konfrontieren, die so ganz anders sind als diejenigen, die
die Mainstream-Medien propagieren. Wir können auch über Facebook und Twitter verbreiten,
dass wir mit dem bisherigen Kurs der europäischen Politik nicht
einverstanden sind. Politiker orientieren sich sehr wohl an den sozialen
Netzwerken, wenn sie die Stimmung im Volk ergründen wollen. Denken wir
dabei an Mahatma Gandhi, der sagte: »Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und dann gewinnst du.«
Wir können beispielsweise von »unseren« Abgeordneten fordern, den Zustrom der Flüchtlinge in Europa gerecht zu verteilen und den ungebremsten Zuzug zu stoppen. Wir können sie ermahnen, sich in einem Konfliktfall – wie in der Ukraine und in Syrien – mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen. Wir können darauf bestehen, dass sie eine offene Politik betreiben, das heißt: uns umfassend informieren. Was ja bisher, wie wir von den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) wissen, keineswegs der Fall ist.
Wir sollten unseren Abgesandten deutlich machen, dass wir es ernst
meinen. Dass wir von ihnen erwarten, uns und unsere Meinung in den
Parlamenten zu vertreten – was ja schließlich einzig und allein ihre
Aufgabe ist und wofür sie auch sehr gut bezahlt werden. Und wir sollten mit unserer Wut drohen, falls sie nicht unseren Auftrag erfüllen. Was schon Gandhi wusste: »Aus
bitterster Erfahrung zog ich diese eine und höchste Lehre: Man muss den
Zorn in sich aufstauen, und so wie gestaute Wärme in Energie umgesetzt
werden kann, so kann unser gestauter Zorn in eine Kraft umgesetzt
werden, die die Welt zu bewegen vermag.«