Aus "Die Nachfolge Christi" von Thomas von Kempen | Erstes Buch | Anleitung zum geistlichen Leben | Kapitel 3
1. Gott erkennen geht über alles Fachwissen.
2. Im Lichte des ewigen Wortes (Christi) erkenne ich die Wahrheit um Welt und Leben.
3. Der gesammelte Geist, der sich beherrscht, erkennt leichter.
4. Der demütige Geist erfaßt am tiefsten.
5. Mein Wissen im Lichte des Jüngsten Gerichtes.
6. Das wahrhaft große Wissen.
1. Glücklich, den die Wahrheit (Gott) selbst belehrt, nicht durch vergängliche Zeichen und Worte, sondern in ihrem Wesen. Unser Denken und unser Sinn täuschen uns oft und nehmen wenig wahr. Was nützt das lange Reden über verborgene und dunkle Dinge? Wir werden ihretwegen nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn wir sie etwa nicht gekannt haben. O große Torheit, das Nützliche und Notwendige zu übergehen, um Dingen nachzugehen, die nur der Neugier dienen und Schaden anrichten! "Wir haben Augen und sehen nicht" (Jer 5,21 und Ps 115,5). Was kümmern wir uns um Gattungen und Arten? Zu wem das ewige Wort (Gott) spricht, der bleibt vor vielen falschen Ansichten bewahrt.
2. Aus einem Worte (Gottes) stammen alle Dinge, und von einem Worte reden alle Dinge, und das ist "der Anfang, der auch zu uns redet" (Joh 8, 25). Ohne ihn kommt keiner zur Einsicht, hat keiner ein rechtes Urteil. Wem alles das Eine ist, wer alles auf das Eine bezieht und alles in dem Einen schaut, dessen Herz kann festen Stand haben und dauernd im Frieden Gottes leben. O Wahrheit Gott, mach mich eins mit dir in ewiger Liebe! Ich bin des vielen Lesens und Hörens oft so überdrüssig. In dir ist alles, was ich suche und ersehne. Schweigen mögen alle Lehrer, verstummen alle Geschöpfe vor deinem Angesichte. Sprich du allein zu mir!
1. Gott erkennen geht über alles Fachwissen.
2. Im Lichte des ewigen Wortes (Christi) erkenne ich die Wahrheit um Welt und Leben.
3. Der gesammelte Geist, der sich beherrscht, erkennt leichter.
4. Der demütige Geist erfaßt am tiefsten.
5. Mein Wissen im Lichte des Jüngsten Gerichtes.
6. Das wahrhaft große Wissen.
1. Glücklich, den die Wahrheit (Gott) selbst belehrt, nicht durch vergängliche Zeichen und Worte, sondern in ihrem Wesen. Unser Denken und unser Sinn täuschen uns oft und nehmen wenig wahr. Was nützt das lange Reden über verborgene und dunkle Dinge? Wir werden ihretwegen nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn wir sie etwa nicht gekannt haben. O große Torheit, das Nützliche und Notwendige zu übergehen, um Dingen nachzugehen, die nur der Neugier dienen und Schaden anrichten! "Wir haben Augen und sehen nicht" (Jer 5,21 und Ps 115,5). Was kümmern wir uns um Gattungen und Arten? Zu wem das ewige Wort (Gott) spricht, der bleibt vor vielen falschen Ansichten bewahrt.
2. Aus einem Worte (Gottes) stammen alle Dinge, und von einem Worte reden alle Dinge, und das ist "der Anfang, der auch zu uns redet" (Joh 8, 25). Ohne ihn kommt keiner zur Einsicht, hat keiner ein rechtes Urteil. Wem alles das Eine ist, wer alles auf das Eine bezieht und alles in dem Einen schaut, dessen Herz kann festen Stand haben und dauernd im Frieden Gottes leben. O Wahrheit Gott, mach mich eins mit dir in ewiger Liebe! Ich bin des vielen Lesens und Hörens oft so überdrüssig. In dir ist alles, was ich suche und ersehne. Schweigen mögen alle Lehrer, verstummen alle Geschöpfe vor deinem Angesichte. Sprich du allein zu mir!
3. Je mehr einer mit sich selbst eins geworden ist, je einfacher er in seinem Inneren geworden ist, desto mehr und desto Höheres erkennt er ohne Mühe, weil er von oben her das Licht der Erkenntnis empfängt. Ein lauterer, gerader und beharrlicher Geist verliert beim Hochbetrieb nicht seine Sammlung, weil er alles zur Ehre Gottes tut und bestrebt ist, in Ruhe alle Eigensucht auszuschalten. Wer behindert und belästigt dich mehr als die unertötete Begier deines Herzens? Der gute, fromme Mensch überdenkt zuerst in seinem Inneren die Werke, die er nach außen zustande bringen muß. Darum ziehen ihn die Arbeiten auch nicht ins Sündhafte und Triebhafte, vielmehr gibt er selber den Neigungen die dem Urteil der gesunden Vernunft entsprechende Richtung. Wer hat einen härteren Kampf zu kämpfen, als wer sich selbst zu besiegen trachtet? Und gerade das sollte unser Grundanliegen sein: uns selbst zu besiegen, täglich in der Selbstbeherrschung zu wachsen und so im Guten irgendeinen Fortschritt zu machen.
4. Allem Vollkommenen haftet in diesem Leben Unvollkommenes an, und all unser Denken ist nicht frei von einem gewissen Dunkel. Die demütige Selbsterkenntnis geleitet dich sicherer zu Gott als die tiefe wissenschaftliche Forschung. Die Wissenschaft verdient keinen Tadel, auch nicht das schlichte Wissen um die Dinge. Diese sind in sich betrachtet gut und gehören der göttlichen Ordnung an. Aber ein gutes Gewissen und ein Leben der Tugend verdienen immer den Vorzug. Weil jedoch die meisten mehr auf das Wissen als auf ein tugendhaftes Leben bedacht sind, geraten sie oft in die Irre und zeitigen fast keine oder nur geringe Frucht. Wenn sie doch ebensoviel Fleiß aufbrächten, ihre Fehler auszurotten und Tugenden einzupflanzen, als gelehrte Fragen aufzuwerfen, es gäbe nicht so große Mißstände und Ärgernisse im Volke und nicht so viel Zerfall in den Klöstern.
5. Bestimmt werden wir am kommenden Gerichtstage nicht gefragt werden, was
wir gelesen, sondern was wir getan haben, und nicht, wie schön wir geredet,
sondern wie gut wir gelebt haben. Sage mir: Wo sind denn alle jene Herren und
Meister, jene Leuchten der Wissenschaft, die du, als sie noch lebten, so gut
gekannt hast? Schon sitzen andere auf ihren Pfründen, und ich weiß nicht, ob diese ihrer noch gedenken. Zu ihrer Zeit schienen sie etwas zu bedeuten, und
nun ist es still um sie geworden. Wie schnell verrauscht der Ruhm dieser Welt!
Hätte doch ihr Leben zu ihrer Gelehrsamkeit gepaßt, dann hätten sie gut studiert
und gelehrt.
6. Wieviele gehen in dieser Welt an ihrem eitlen Wissen zugrunde! Sie kümmern
sich zu wenig um den Dienst Gottes. Sie wollen lieber bedeutend als demütig
sein; darum "schwinden sie dahin samt ihrem Denken" (Röm 1,21). Wahrhaft
groß ist, wer große Liebe hat. Wahrhaft groß ist, wer in seinen eigenen Augen
klein ist und alle Ehrenbezeugungen für nichts achtet. Wahrhaft klug ist, wer
"alles Irdische für Unrat hält, um Christus zu gewinnen" (Phil 3,8). Ein
wirklicher Gelehrter ist, wer Gottes Willen tut und auf seinen eigenen Willen
verzichtet.