1. Wir könnten reich sein an Frieden, wenn wir uns nicht soviel um das kümmerten, was andere sagen und tun und was uns nichts angeht. Wie kann der lange in Frieden leben, der sich in fremde Händel mischt, äußere Anlässe sucht und sich wenig oder selten innerlich sammelt? Selig die Einfältigen! Sie werden viel Frieden haben. Warum sind manche Heilige so vollkommene und beschauliche Menschen gewesen? Weil sie bestrebt waren, alle irdischen Begierden in sich zu überwinden; so konnten sie mit jeder Faser ihres Herzens Gott anhangen und in Freiheit sich selbst gehören.
2. Wir aber lassen uns zu sehr von den eigenen Leidenschaften beherrschen und durch vergängliche Dinge in Atem halten. Selten erringen wir auch nur über einen einzigen Fehler einen vollkommenen Sieg. Täglich voranzuschreiten fühlen wir keine Lust. Deshalb bleiben wir kalt und lau. Wären wir uns selbst vollkommen abgestorben und innerlich ausgeglichen, dann könnten wir sogar an göttlichen Dingen Geschmack finden und ein wenig erfahren, was es um die himmlische Beschauung ist. Das ist das einzige und das größte Hindernis: Wir sind versklavt an die Leidenschaften und Begierden und versuchen gar nicht, den Weg der Vollkommenheit, den die Heiligen gingen, zu beschreiten. Bei der geringsten Kleinigkeit lassen wir sogleich den Kopf hängen und sehen uns nach Menschentrost um.
3. Setzten wir uns in den Kämpfen wie Helden tapfer ein, wahrhaftig, wir würden "die Hilfe des Herrn vom Himmel her über uns kommen sehen" (2 Chr 20,17). Denn er ist bereit, denen zu helfen, die da streiten und auf seine Gnade bauen. Er gibt uns Gelegenheit zum Kampfe, damit wir siegen. Wenn wir den Fortschritt im religiösen Leben nur in äußeren Übungen erblicken, wird es mit unserer Innerlichkeit bald am Ende sein. Legen wir vielmehr die Axt an die Wurzel, um, gereinigt von den ungeordneten Neigungen, den Frieden des Geistes zu finden. Würden wir jedes Jahr nur einen einzigen Fehler ausrotten, wir wären bald vollkommene Menschen. Aber oft genug erleben wir das Gegenteil und finden, daß wir am Anfang unserer Umkehr besser und reiner waren als nach vielen Jahren der Profeß.
Der Eifer und Fortschritt müßten täglich wachsen, aber heute gilt einer schon als groß, der noch einen Funken des ersten Eifers in sich erhalten konnte. Würden wir uns anfangs nur ein wenig Gewalt antun, wir könnten nachher alles leicht und frohgemut schaffen. Es ist schwer, Gewohntes zu lassen, aber noch schwerer ist es, gegen den eigenen Willen anzugehen. Doch wenn du über Kleines und Leichtes nicht Herr wirst, wann willst du die schwierigen Fälle meistern? Widerstehe deiner Neigung gleich im Anfang und leg die üble Gewohnheit ab, sonst bringt sie dich nach und nach in größere Schwierigkeiten. Würdest du doch recht bedenken, wie reich der Friede ist, der dir zuteil wird, und wie groß die Freude, die du anderen bereitest, wenn du dich gut führst, ich glaube, du würdest auf deinen geistlichen Fortschritt mehr Sorgfalt verwenden.