Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



Schrifttexterklärungen: „Ihr verblendeten Führer, die ihr die Mücken seiget und verschlucket das Kamel!“

Empfangen durch Jakob Lorber  •  Schrifttexterklärungen 23. Kapitel – (bezugnehmend auf Matthäus 23,24) 27. Januar 1844 abends
 

[23,01] „Ihr verblendeten Führer, die ihr die Mücken seiget (aussiebt) und verschlucket das Kamel!“
[23,02] Das ist ebenfalls wieder ein Vers, der für alle Zeiten taugt, und dessen Sinn aber auch sogleich mit den Händen zu greifen ist, wie das auch bei anderen der Fall ist.
[23,03] Wer sind denn diese verblendeten oder blinden Führer? Das sind die sogenannten Kleinfehlerdrescher oder die Buchstabenreiter des Gesetzes. Da reinigen sie und plärren den ganzen Tag drauflos; die großen Fehler aber, von denen das ganze Heil und Leben des Menschen abhängt, kennen sie oft gar nicht, und wenn sie dieselben schon kennen, so drücken sie aus politischen Rücksichten die Augen zu, als wäre daran gar nichts gelegen.

[23,04] Um diese Sache so klar als möglich zu machen, will Ich euch nur Beispiele anführen! Wir wollen da vom Kleinen bis zum Großen aufsteigen, oder vom Sonderheitlichen zum Allgemeinen.
[23,05] Sehen wir in eine Familie, also in ein einzelnes Haus! Der Vater hat Kinder beiderlei Geschlechts; die Knaben werden bei einem etwas vermöglicheren Hause emsig zum Studieren angehalten, und die Mädchen haben ebenfalls verschiedene Meister. Da lernen sie irgendeine fremde Sprache radebrechen, Zeichnen, Musik und daneben auch andere feine weibliche Arbeiten.

[23,06] Die Söhne werden mit allem Eifer zum Studieren angehalten. Eminenter müssen sie sein, sonst gibt es üble Stunden; jede Vernachlässigung wird da mit Schärfe gerügt, und Pönitenzen bleiben nicht aus. Desgleichen werden auch die anderen sogenannten Wohlstandsregeln fest gehandhabt, und wehe dem Knaben, der sich leichtsinnigermaßen dagegen versündigt! Und es penzt da der Vater, der Instruktor und der öffentliche Lehrer tagtäglich.

[23,07] Man wird fragen: „Ja, ist denn das gefehlt?“ Ich sage darauf nichts als: Hier werden ebenfalls Mücklein geseigt, das Kamel aber unbeachtet verschluckt.
[23,08] Was ist denn aber hier das Kamel? Das Kamel ist eben das Studieren selbst und die polierte Weltlichmachung eines jungen Menschen. Durch dieses verschluckte Kamel verliert der junge Mensch zuallermeist den letzten Tropfen dessen, was in ihm das Leben des Geistes hätte erwecken können, und wird dadurch ganz in die allerblankste Welt hinausgestoßen.
[23,09] Desgleichen geht es auch mit den Mädchen. Die gestrenge Mutter redet sich den ganzen Tag beinahe die Zunge wund; denn die eine Tochter hat einen Stich etwas zu lang gemacht, bei der andern wird ein kleiner Fleck irgendwo entdeckt, die dritte hat ihre Lektion in dem oder dem Fache nicht gut genug gekonnt, die eine hat ihre Haare nicht recht in der Ordnung, kurz und gut, jede schiefe Haltung und dergleichen noch eine Menge kaum beachtbarer Fehler werden nicht selten mit einer Erbitterung gerügt, und es gibt da den ganzen Tag vollauf zu korrigieren, zu penzen und anzueifern.
[23,10] Sehet, da werden ebenfalls wieder Mücklein geseigt; aber daß die Mädchen durch all diesen weltlichen Firlefanz rein für alles innere, geistige Leben getötet werden, ist das Kamel, das ohne alles Bedenken verschluckt wird.
[23,11] Ich meine, diesem Beispiel braucht man keine Erklärung mehr hinzuzufügen, indem es in sich selbst überaus klar ist. Gehen wir auf ein allgemeineres Beispiel:

[23,12] Also wird von der Kirche, wie sie bei euch ist, überaus darauf gesehen, daß besonders von dem gemeinen Teile des Volkes die sogenannten kirchlichen Satzungen bei Vorenthaltung der Absolution beachtet werden. Wer das beachtet, dem wird bei gewissen Gelegenheiten von kirchlicher Seite kein Anstand gemacht; dafür wird auch alle Sonn- und Feiertage scharf gepredigt und einem armen Sünder an einer solchen kirchlichen Satzung wird die Hölle ganz entsetzlich heiß gemacht, und er hat zu tun, bis er sich wieder in die Gnade der Kirche gesetzt hat. Bei einem Reichen geht es freilich etwas leichter; aber der Arme hat seine Not!
[23,13] Wie sieht es denn aber mit der lebendigen Bekanntmachung Meines Wortes und mit der Führung nach demselben aus? Also: Wenn der Christ nur seine kirchlichen Pflichten erfüllt, da darf er sich auch an so manchem Meiner Gebote versündigen, und er darf versichert sein, daß er darob keine scharfe Buße bekommen wird.
[23,14] Wenn er nur den Sonntagvormittag den kirchlichen Zeremonien ausweislich beigewohnt hat, so darf er dann nachmittags ohne Bedenken Spiel- und Wirtshäuser, wie auch Tanzböden besuchen. Er kann spielen und schwelgen, tanzen und huren die ganze Nacht hindurch; er kann auch noch mitunter betrügen, Leute ausrichten, lügen, geizig sein, einem andern einen Schaden zufügen, freilich auf politisch-rechtlichem Wege. 

[23,15] Das alles geht bei der nächsten Beichte, besonders bei einem diskreten Beichtvater, um fünf Vaterunser und Ave-Maria und schon gar gewiß um eine bezahlte Messe hinweg. Hat sich unser Beichtkind etwa gar noch mit einem Ablaß auszuweisen, dann geht es wie eine Sonne makellos vom Beichtstuhl zum Tische des Herrn, und von da wie ein Engel aus der Kirche.
[23,16] Wer wird in diesem Beispiel nicht ersehen die Seigung der Mücklein und die gar grobe Verschluckung des Kamels?!
[23,17] Ich will das freilich wohl nicht allen Beichtigern zum Vorwurf machen; denn es gibt auch hier und da mehrere, die es mit der Sache von der besseren Seite ernstlich meinen; aber nur im allgemeinen ist das gewöhnlich der Fall.
[23,18] Nikodemus gehörte auch zu den Pharisäern und Schriftgelehrten; aber er machte eine Ausnahme unter ihnen und war somit kein Mückenseiger und Kamelverschlucker; denn er kannte Mich und hielt auf Mein Wort. Darin wird für getreue Beichtiger Entschuldigung genug sein. Und so gehen wir auf ein allgemeines großes Beispiel über!
[23,19] Also geben die Fürsten der Welt eine Menge, ja eine schauerliche Menge Gesetze, deren Übertretung – ob wissentlich oder unwissentlich – nach den Paragraphen streng geahndet wird. Was aber da Meine Gesetze betrifft, so werden nur diejenigen als Staatsgesetze mit aufgenommen, durch die eine weltliche Sicherstellung bezweckt werden kann. Dergleichen sind vorzugsweise das siebente, das fünfte und in einem zu offenbar argen Betriebe das sechste Gebot; um die andern sieben kümmert sich der Staat nicht viel, – es müßten nur politische Rücksichten ihn dazu veranlassen. Also kümmert sich ein Staat um die Leitung der Völker nach Meinem Worte überaus wenig oder gar nicht und spricht dabei: „Das andere überlassen wir nur der Geistlichkeit!“
[23,20] Da werden dann von beiden Seiten Mücklein geseigt und Kamele zu Tausenden verschluckt, und die Art der Pharisäer stirbt nie aus; denn fängt man sie auf der einen Seite, so macht sich die andere Seite um so mehr Luft, und man kann tun, wie man will, so kommt man zumeist vom Regen in die Traufe.
[23,21] Die Welt will herrschen, und zu diesem Behufe kann sie sich alles tauglich machen; göttliche und weltliche Gesetze werden in ein Joch gespannt und müssen das Volk ins Verderben ziehen.
[23,22] Was nützt es denn, wenn ein Mensch noch so poliert und staatstauglich dasteht? Was nützt es, wenn in einem Staate, weltlich genommen, die beste Verfassung ist, so aber dabei dennoch allzeit die Hauptsache, um die sich alles Leben des Geistes dreht, gänzlich unberücksichtigt gelassen wird?
[23,23] Ich meine aber, es wäre besser, so da jemand als ein weltlicher Krüppel zum Leben eingeht, als ein Weltpolierter in den ewigen Tod.
[23,24] Mehr darüber zu sagen wäre unnötig. Sehet aber daher auch ihr nicht so sehr auf die Mücklein, sondern vielmehr darauf, daß ihr keine Kamele verschluckt, so werdet ihr das ewige Leben haben! Amen.




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