Aus "Die Nachfolge Christi" von Thomas von Kempen | Zweites Buch | Wege zum inneren Leben | Kapitel 1
1. Das innerliche Leben ist: Christus in dir.
2. Auf diesen Christus baue, nicht auf Welt und Menschen.
3. In ihm allein findest du Ruhe.
4. Im Andenken an sein Leiden bist du geborgen und geschützt.
5. Ihm hingegeben, verlierst du dich nicht an die Welt.
1. "Das Reich Gottes ist in euch", spricht der Herr (Lk 17,21). Kehre dich aus ganzem Herzen zum Herrn! Laß diese elende Welt, und deine Seele wird zur Ruhe kommen. Lerne, was äußerlich ist, verschmähen, und gib dich deinem Innern hin, und du wirst sehen, daß das Reich Gottes in dich einzieht. Denn das Gottesreich ist Friede und Freude im Heiligen Geiste (vgl. Röm 14, 17), ein Geschenk, das den Gottlosen nicht gegeben wird. Christus wird zu dir kommen und dir zeigen, was es um seine Tröstung ist, wenn du ihm nur eine würdige Wohnung in dir bereitest. Seine ganze Größe und Herrlichkeit strahlt aus dem Innern. Dort gefällt es ihm. Bei einem innerlichen Menschen kehrt er häufig ein. Lieb, angenehm und tröstlich weiß er dann zu plaudern, in einer von tiefem
1. Das innerliche Leben ist: Christus in dir.
2. Auf diesen Christus baue, nicht auf Welt und Menschen.
3. In ihm allein findest du Ruhe.
4. Im Andenken an sein Leiden bist du geborgen und geschützt.
5. Ihm hingegeben, verlierst du dich nicht an die Welt.
1. "Das Reich Gottes ist in euch", spricht der Herr (Lk 17,21). Kehre dich aus ganzem Herzen zum Herrn! Laß diese elende Welt, und deine Seele wird zur Ruhe kommen. Lerne, was äußerlich ist, verschmähen, und gib dich deinem Innern hin, und du wirst sehen, daß das Reich Gottes in dich einzieht. Denn das Gottesreich ist Friede und Freude im Heiligen Geiste (vgl. Röm 14, 17), ein Geschenk, das den Gottlosen nicht gegeben wird. Christus wird zu dir kommen und dir zeigen, was es um seine Tröstung ist, wenn du ihm nur eine würdige Wohnung in dir bereitest. Seine ganze Größe und Herrlichkeit strahlt aus dem Innern. Dort gefällt es ihm. Bei einem innerlichen Menschen kehrt er häufig ein. Lieb, angenehm und tröstlich weiß er dann zu plaudern, in einer von tiefem
Frieden getragenen, staunenswürdigen Vertraulichkeit.
2. Wohlan, du getreue Seele, bereite diesem Bräutigam dein Herz, damit er sich
herablasse, zu dir zu kommen und in dir zu wohnen. Denn er spricht: "Wenn
einer mich liebt, wird er mein Wort halten, und wir werden zu ihm kommen und
Wohnung bei ihm nehmen" (Joh 14, 23). Schaffe also Platz für Christus, und
allem anderen wehre den Eintritt. Ist Christus dein eigen, dann bist du reich und
hast genug. Er wird für dich sorgen und in allen Dingen dein treuer Sachwalter
sein, so daß du nicht nötig hast, auf Menschen deine Hoffnung zu setzen.
Menschen sind wankelmütig und siechen auch schnell dahin, "Christus aber
bleibt in Ewigkeit" (Joh 12, 34) und steht dir bis zum Ende unerschütterlich zur
Seite. Auf einen gebrechlichen und sterblichen Menschen aber setze kein großes
Vertrauen, mag er dir auch lieb und nützlich sein. Sei auch nicht gleich so
traurig, wenn er zuweilen gegen dich ist und dir widerspricht. Die heute zu dir stehen, können morgen schon gegen dich sein. Die Menschen
schlagen oft um wie der Wind.
3. Setz dein ganzes Vertrauen auf Gott; er sei deine Furcht und deine Liebe. Er
wird deine Sache führen und alles recht machen, wie es am besten ist. "Du hast
hier keine bleibende Stätte" (Hebr 13, 14). Wo immer du dich aufhältst, bist du
ein "Fremdling und Pilger" (vgl. Ps 39, 13). Nirgends winkt dir die Ruhe außer
in der innigen Vereinigung mit Christus. Was schaust du dich hier um? Hier ist
nicht der Ort deiner Ruhe. Deine Wohnung muß im Himmel sein, und nur wie
im Vorübergehen sollst du all das Irdische betrachten. Alle Dinge vergehen,
auch du mit ihnen. Sieh zu, daß du nicht darin hängen bleibst, sonst wirst du
gefangen und gehst zugrunde. Beim Allerhöchsten sei dein Denken, und dein
Bitten und Flehen steige immerfort zu Christus empor.
4. Wenn es dir nicht gegeben ist, hohe und himmlische Dinge zu betrachten, dann
ruhe aus im Leiden Christi und verweile gern in seinen heiligen Wunden.
Nimmst du nämlich andächtig deine Zuflucht zu den Wunden und kostbaren
Malen Jesu, so wirst du in deiner Not eine erhebliche Stärkung erfahren, dich
nicht viel um die Verachtung seitens der Menschen kümmern und
verleumderische Reden leicht hinnehmen. Auch Christus wurde in seinen
Erdentagen von den Menschen geringgeschätzt, und in seiner äußersten Not von
seinen Jüngern und Freunden schmählich im Stich gelassen. Christus wollte
leiden und geschmäht werden, und du wagst es, dich über etwas zu beklagen?
Christus hatte Gegner und Widersacher, und du willst jeden zum Freund und
Wohltäter haben? Wie soll denn deine Geduld gekrönt werden, wenn dir nichts
Widriges begegnet? Wie willst du ein Freund Christi sein, wenn du nichts
Unangenehmes ertragen willst? Dulde mit Christus und für Christus, wenn du
mit Christus herrschen willst. Wärest du einmal tief in das Innere Jesu
eingedrungen und hättest du nur ein wenig von der Glut seiner Liebe gespürt, du
würdest dich um den eigenen Vorteil oder Nachteil nicht kümmern, sondern dich eher einer etwa erlittenen Schmach freuen; denn die Liebe zu Jesus führt
den Menschen dazu, sich selbst zu verachten.
5. Wer Jesus und die Wahrheit liebt, wer wirklich innerlich ist und frei von
ungeordneten Neigungen, kann sich frei zu Gott kehren, sich im Geiste über sich
selbst erheben und die Ruhe genießen. Wer alles so sieht, wie es ist, nicht, wie
man es nennt oder schätzt, der ist wahrhaft weise und hat sein Wissen mehr von
Gott als von den Menschen. Wer es versteht, innerlich zu wandeln und auf
äußere Dinge wenig Gewicht legt, der sucht nicht lange nach Orten und Zeiten,
um frommen Übungen obzuliegen. Der innere Mensch sammelt sich schnell, er
verliert sich niemals ganz an die Außenwelt. Keine äußere Arbeit steht ihm im
Wege, keine für den Augenblick notwendige Arbeit, sondern wie die Dinge
kommen, so paßt er sich ihnen an. Ist einer innerlich in guter Verfassung, so
kümmert ihn das wunderliche und verkehrte Gehabe der Menschen nicht. Nur
insoweit wird der Mensch behindert und abgelenkt, wie er die Dinge an sich
zieht. Stände es gut mit dir und wärest du lauter genug, so würde dir alles zum
Guten und zum Fortschritt dienen. Deshalb ärgert und verwirrt dich so vieles,
weil du dir selbst noch nicht vollkommen abgestorben, noch nicht von allem
Irdischen losgeschält bist. Nichts befleckt und umgarnt das Menschenherz so
sehr wie die unlautere Liebe zu den Geschöpfen. Verschmähe den äußeren
Trost, und du kannst Himmlisches betrachten und häufig in deinem Inneren
frohlocken.