Empfangen durch Gottfried Mayerhofer | Lebensgeheimnisse 16. Kapitel | 11. November 1872
[Lg.01_016,01] Viele Tausende plappern dieses Gebet des Tages oft
viele Male herunter, und kaum einer unter ihnen versteht, was er
eigentlich sagt, oder was Ich damit sagen wollte, als Ich es Meine
Jünger lehrte.
[Lg.01_016,02] Auch ihr selbst, die ihr doch schon besser
unterrichtet seid wie viele, ja sogar über dieses Gebet von Mir Selbst
verschiedene Erklärungen erhalten habt; auch ihr wisset doch nicht im
tiefsten reinsten Sinne, was der Inhalt dieses Gebetes ist, sonst würdet
auch ihr es nicht allein oft im Aufblick zu Mir beten, sondern ihr
würdet kein anders formuliertes Gebet dem gleich achten können.
[Lg.01_016,03] Um nun wieder einen Lichtstrahl in euer Herz zu
senden, der euch die Wunder Meiner Geisterwelt von einer andern Seite
beleuchten soll, so will Ich euch dieses Gebet und die darin enthaltenen
Worte näher erklären, damit ihr erkennen möget, was das heißen will:
ein Gott, ein liebender Schöpfer und Vater lehrte euch dieses Gebet,
damit ihr erkennen mögt, wie viel Geistiges in jenen Worten liegt, die
Ich Meinen Jüngern und der ganzen Menschheit hinterließ, um mit Mir in
geistige Gemeinschaft zu treten, und nebenbei noch die weltlichen sowie
die geistigen Verhältnisse des Menschen so ganz zu umfassen, als wie
dieses Gebet als Bitte zu mir, als Bitte eines Kindes zu seinem Vater es
nur auszudrücken vermag.
[Lg.01_016,04] Nun, Ich will also Wort für Wort, Satz für Satz euch
dieses einzige Gebet aus Meiner Wanderzeit auf Erden erklären, dessen
tiefen Sinn enthüllen, und so euch um einen großen Schatz reicher
machen.
[Lg.01_016,05] Wenn ihr die Zeitverhältnisse ins Auge fassen wollet,
in welchen Ich dieses Gebet Meinen Jüngern vorsagte, so werdet ihr
leicht erkennen, welch mächtiger Unterschied schon darin lag, daß Ich
Meinen Mitlebenden gegen alle religiösen Gebräuche schon in den ersten
Worten Meines Gebetes zeigte, wie wenig sie selbst ihre religiösen
Bücher verstanden, noch sie geistig auslegen konnten; denn während den
Juden es streng verboten war, den Namen ihres Gottes eitel zu nennen,
während sie ihren Gott als einen Gott der Rache und des Zornes ansahen
und höchstens ebendeswegen Ihn oft anflehten, mehr aus Furcht als aus
Vertrauen zu Ihm, so lehrte Ich sie in den ersten zwei Worten „Vater
unser“ diese Kluft zwischen ihrem Gott und Schöpfer und den Menschen zu
übersteigen, und aus dem strengen Richter einen liebenden Vater zu
machen.
[Lg.01_016,06] Nur durch dieses Wort allein schon wurde der
nachfolgende Inhalt des Gebetes gerechtfertigt; denn einen Vater konnte
sein Kind so bitten wie Ich es Meine Jünger lehrte; aber kein Mensch
durfte damals seinen Gott anflehen um Dinge, welche nach dem Begriffe
jener Zeit viel zu nichtig gewesen wären, als daß ein Gott, den man sich
weit hinter den Sternen in unzugänglichen Räumen dachte, sich damit
abgegeben hätte!
[Lg.01_016,07] Das Wort „Vater“, und noch mehr bezeichnend „unser“,
war also dieser große Unterschied, welcher den entfernten Gott bis ins
menschliche Leben niederzog und dem Menschen erlaubte, als unmündiges
Kind seinen Schöpfer mit Liebe zu umfassen, während in allen andern
Auffassungen göttlicher Würden, selbst bei den heidnischen Völkern mit
ihren Göttern, diese eigentlich nur einzig wahre fehlte!
[Lg.01_016,08] So war der erste Eingang dieses Gebetes auch der
größte und mächtigste Impuls, ein Gemüt in fromme Begeisterung zu
erheben; denn der sanfte Ruf „Vater!“ – „mein Vater!“ oder wie in diesem
Gebet der Begriff der Nächstenliebe in tiefster Bedeutung zugrunde
liegt, „unser Vater“ ist der größte, mächtigste Hebel, ein Vertrauen zu
erwecken zu Dem, zu Dem man betet, daß dieses Gebet auch erhört werde,
und daß dem Menschen als Kind sein Vater angedeihen lassen wird, was zu
seinem weltlich und geistig Besten ist!
[Lg.01_016,09] Der nächste Satz heißt: „im Himmel“ Diese Worte haben
eine zweifache Bedeutung, erstens, wenn ich einen Vater habe, welcher im
Himmel als dem Sitze von reinen Geistern und dauernder Seligkeit ist,
so versteht sich wohl von selbst, daß entweder ich von dort abstamme,
oder doch wenigstens, wenn ich mich des Vaters würdig mache, einst dort
in die Nähe Dessen gelangen kann, Der mir erlaubte, Ihn „Vater“ zu
heißen.
[Lg.01_016,10] Die zweite Bedeutung dieser Worte ist, daß ein Vater
im Himmel ein Wesen sein muß, welches trotzdem, daß Ich Ihn in die
Himmel versetzte, doch allgegenwärtig, allmächtig sein muß; denn sonst
ist mein Bitten vergebens, Er hört es nicht, oder kann es nicht
erfüllen, um was man Ihn bittet.
[Lg.01_016,11] Ferner ist noch dabei in Anschlag zu bringen, daß
unser Vater im Himmel als Geist, ebendeswegen auch geistig und in
tiefster Ergebung angefleht werden muß, wenn ich nur im mindesten Seine
Größe und meine Winzigkeit in Anschlag bringen will. Dieses bezeugt auch
der nachfolgende Satz, wo es heißt: „Dein Name werde geheiligt!“ Denn
nur wer die ersten Worte im tiefsten Sinn begriffen hat, kann erfassen,
was es heißen will: Dein Name werde geheiligt!
[Lg.01_016,12] Es will heißen, daß, als Unterschied zu einem
weltlichen Vater, der Vater im Himmel, als Geist, nur dann würdig geehrt
werden kann, wenn man auch bei Anrufungen, Beteuerungen und Schwüren
den Namen des allerhöchsten Wesens nicht mißbraucht und in weltliche
Händel herunterzieht; denn dieser Schöpfer, der euch erlaubte, Ihn als
Vater anzurufen, ist zu erhaben, und du eben als Kind zu hoch gestellt
auf der geistigen Stufe aller denkenden Wesen, als daß du einen solchen
Namen und mit dem Namen selbst deinen Gott und Vater anrufen solltest,
als sollte Er Zeuge deiner ausgesprochenen Worte sein; denn nur wenn du
den Namen „Vater, unser aller Vater“, wenn du die Stellung dieses
Vaters, nämlich im Himmel als ewigem Freudenort, ganz auffassest und
begreifst und danach handelst, dann kannst du mit der Bitte
hervortreten: „Dein Reich komme zu uns!“ Nur dann bist du würdig, daß
dieses Reich der Himmel, dieses seelische Paradies auch herabsteigt in
dein eigenes Herz und dich da im Kleinen fühlen läßt, was dich einst im
größeren Maßstabe erwarten wird.
[Lg.01_016,13] Nur nach der Befolgung der ersten Sätze ist der Mensch
würdig, in ein Reich derjenigen Geister aufgenommen zu werden, welche
den Schöpfer des Universums als ihren einzigen Gott und ihren einzigen
liebenden Vater anerkennen.
[Lg.01_016,14] Damit aber dieses Reich auf Erden ein Bleibendes
werde, so ist es nötig, daß der Wille oder die göttlichen Gesetze eines
höchsten Wesens, das du Vater nennen darfst, auf Erden auch ausgeführt
werden; denn dieses besagt als Beleg des früheren Satzes der
nächstfolgende, wo es heißt: „Dein Wille geschehe auf Erden, wie im
Himmel!“ Nur dann, wenn die Menschen, ihre geistige Abstammung
anerkennend und würdigend, den Gesetzen der Liebe zu Gott und dem
Nächsten nachkommen; nur dann ist es möglich, daß das Reich Gottes
daniedersteige und aus dem Erdenleben wieder das Paradies mache, aus
welchem die ersten Menschen vertrieben wurden. Nur dann, wenn auf Erden
bereitwillig wie im Himmel diese Liebesgesetze stets vollzogen werden,
nur dann ist bleibender Friede sowie stete Ruhe möglich.
[Lg.01_016,15] Und wenn Ich dort Meinen Jüngern begreiflich machen
wollte, wie das Erdenleben verschönert werden könnte, so sagte Ich ihnen
geistig, daß, wenngleich das paradiesische Freudenleben nicht allgemein
so leicht zu erzielen ist, es doch einzelnen möglich ist, in ihrem
Herzen diese reine Freude des ungetrübten Bewußtseins zu erreichen, und
so einen Vorgeschmack zu haben von dem, was in künftigen Zeiten und
höheren Regionen sie erwartet!
[Lg.01_016,16] So soll die Macht des Gebets einen Zustand, wenngleich
nur auf Augenblicke, herbeiführen, der tröstend für sich und beruhigend
im ferneren Lebenswandel der Seele Stärke und Kraft geben kann.
[Lg.01_016,17] Damit aber diese geistige Hebung, wo die Seele sich zu
Ihm, dem Vater aller lebenden Wesen erhebt, nicht durch weltliche
Mißstände getrübt, damit auch auf Erden euer Lebenswandel fruchtbringend
für andere werde, und ihr nicht mit Tränen der Not und des Schmerzes zu
Ihm aufblicken müßt, so schließt sich dieser früheren geistigen Bitte
die weltliche an, nämlich: „Gib uns unser täglich Brot immerdar!“ Nur
wer sein tägliches Brot hat, kann seinen weltlichen Verpflichtungen
nachkommen, und auch wo es not tut, seinem Nächsten helfen.
[Lg.01_016,18] Daß Ich, als Jesus, Meine Jünger dieses Gebet so
lehrte, hatte darin seinen Grund, weil eben die geistige Erhebung und
geistige Nahrung nur dann erst im vollen Sinne möglich ist, wenn der
Körper, als notwendiges Bindungsmittel zwischen hier und dort, nicht
unter dem Druck der Verhältnisse leidet!
[Lg.01_016,19] Meine Jünger mußten wohl in der ferneren Zeit nach
Meinem Hingange manchmal fasten, und es mangelte ihnen an dem Nötigsten;
aber darum wendete Ich dieses Gebet so, daß auch die weltlichen
Bedürfnisse von Mir erfleht werden sollen, und der Mensch sich nicht dem
Wahne hingibt, als dürfte er bloß um Geistiges zu Mir flehen!
[Lg.01_016,20] Das Gebet, wie Ich es gab, schloß das ganze
menschliche Pilgerleben in sich ein, so wie alle Zehn Gebote, nebst
Meinen zwei großen Liebes-Gesetzen.
[Lg.01_016,21] Es mußte praktisch sein, für alle Lebensverhältnisse
passen, und dem Menschen, in welche Lage er auch kommen mag, wenn er es
mit ganzer Inbrunst und geistig tiefster Auffassung betet, den Trost und
die Ruhe verschaffen, welche nur einem Gott, einem himmlischen,
liebenden Vater zu geben möglich sind. – So folgt der weitere Satz:
„Vergib uns unsere Sünden!“ welches ein offenes Bekenntnis ist, daß
Menschen, eben als Menschen und nicht als geistige Wesen oder Kinder
eines himmlischen Vaters, fähig sind, gegen Seine Gesetze zu handeln, zu
fehlen, oder wie es heißt, zu sündigen.
[Lg.01_016,22] Die Bitte um Vergebung der Sünden schließt das
Bekenntnis von Schwachheit in sich ein; es zeigt, daß der bittende
Mensch oder das flehende Kind seine Schwäche erkennt, daß es fähig ist,
zu sündigen, und zwar oft auch wider Willen, wo zwar der Wille zu
widerstehen vorhanden ist, jedoch entweder die eigenen Leidenschaften
oder die Welt zu mächtig sind, so daß das Kind mit den besten Vorsätzen
fehlt, und sich dadurch eben dieses himmlischen Vaters unwürdig macht.
[Lg.01_016,23] So, von Reue geplagt, soll das Kind sich hinwerfen zu
den Füßen seines geistigen Vaters, soll Ihm seine Schuld bekennen, und
soll aber auch eben durch diese Versicherung der Besserung, als Vorsatz
denselben mit sich in die weiteren Schritte der Welt mitnehmen, was im
nächsten Satze ausgedrückt ist, nämlich: „wie auch wir vergeben allen,
die uns schuldig sind!“ Es soll dieses der Vorsatz sein, eben wie der
Vater im Himmel nur der Verzeihung und der Liebe, nicht aber des Hasses
und der Rache fähig ist, daß auch ihr, wenngleich im geringern Maßstabe,
göttlich, oder eures himmlischen Vaters würdig handeln sollt, denen
vergebend, die euch Böses getan haben; ein Wort von großer Bedeutung,
besonders in jener Zeit, wo es hieß: „Aug um Aug, usw.“, wo die Rache
erlaubt war, ja sogar zu den göttlichen Attributen Jehovas gezählt
wurde!
[Lg.01_016,24] So seht ihr, wie dieses Gebet alle menschlichen
Leidenschaften umfaßt, alles Hohe, aber auch alles Niedere in Erwägung
bringt, und so mit wenigen Worten in Form eines Gebetes den als Mensch
geschaffenen Wanderer auf dieser Welt zu einem geistigen Weltbürger
macht, wenn er diese wenigen Worte, die einst aus Meinem Munde flossen,
beachten will!
[Lg.01_016,25] Damit aber dieser festgesetzte Vorsatz nicht zum
Scheitern gelange, so enthält eben dieses Gebet im nachfolgenden Satz
die eigentliche Ursache, welche den Menschen oft abtrünnig macht und ihn
zwingt, anders zu handeln als er will. Es ist seine Umgebung und die
Verkettung der Umstände, welche ihm Versuchungen bereiten, woraus er
nicht immer als Sieger hervorgeht.
[Lg.01_016,26] Obwohl diese Versuchungen in der Welt notwendig sind –
denn ohne Kampf keine Erstarkung im Glauben, im Vertrauen zu Mir –, so
erkennt der Mensch doch die Schwäche, die in seinem zweifachen
Organismus liegt, nämlich dem seelischen und geistigen, daß er nicht
immer Herr seiner selbst ist, und eben deswegen fleht er in diesem
Gebete: „Führe uns nicht in Versuchung!“ was geistig heißen will: „O
Vater, erbarme Dich Deines schwachen Kindes und helfe ihm, damit es
nicht oft auch gegen seinen Willen den Versuchungen erliege, die andere
ihm bereiten!“
[Lg.01_016,27] Nur in der redlichen Anerkennung seiner eigenen
Ohnmacht liegt die ganze Inbrunst eines Gebetes zu einem Allmächtigen,
Der Sich von Menschen Vater nennen läßt, und Der eben diese Menschen zu
Seinen Kindern erziehen und heranbilden möchte!
[Lg.01_016,28] So lange Stolz oder Überschätzung seiner eigenen
Kräfte in einem Herzen herrschen, kann kein aufrichtiges Gebet oder
Bittgesuch zu Mir gelangen. So wie Ich es einst sagte, so lautet es
heute noch, wo es heißt: „Und wenn ihr alles getan habt, was Menschen
möglich ist, so seid ihr doch noch immer faule Knechte!“
[Lg.01_016,29] Der Mensch, in welchen Verhältnissen er sich befinden
mag, was für Umstände er zu bekämpfen haben wird, stets soll er rechnen,
daß das wenigste er, das meiste aber Ich getan habe!
[Lg.01_016,30] So wächst sein Vertrauen zu Mir, so erkämpft er sich
seine Ruhe, seinen Frieden, und nur wenn er vor Mir zerknirscht hinfällt
und ausrufen muß: „Herr! was bin ich, daß Du meiner gedenkest!“, wenn
er bekennt und erkennt, wie wenig seine Kräfte allein ausreichen, um zu
seinem geistigen ewigen Ziele zu kommen, dann erst wird er begreifen,
was die Hilfe seines geistigen Vaters wert und wie weit sie verschieden
ist von dem, was andere Mitmenschen ihm angedeihen lassen können!
[Lg.01_016,31] Dieses Bekenntnis, daß ohne Ihn, den einzigen wahren
und stets sich gleich bleibenden Vater, nichts möglich ist; dieses
allein kann dann den Menschen, nachdem er seine Ohnmacht erkannt hat, zu
dem Ausruf bewegen, mit welchem dieses Gebet schließt, indem er sagt:
[Lg.01_016,32] Da ich nun begriffen, daß ohne meinen Vater im Himmel
ich eine Null bin, so bitte ich Ihn, daß Er mich von allem Bösen fern
halte, oder wie es im Gebet heißt: „von allem Übel erlösen möge!“ Die
Erlösung, oder auch Freisprechung alles Getanen, ob mit oder ohne
Willen, muß natürlich geschehen, sonst ist ein Fortschritt nicht
möglich, ein Kind des Vaters im Himmel zu werden, nicht ausführbar.
[Lg.01_016,33] Eben deswegen schließt auch dieses Gebet mit der
Bitte: „Entferne alles Gefährliche von mir“, was mich auf meiner Bahn
rückwärts statt vorwärts bringen könnte. Verzeihe das Begangene und
verhindere das böse Kommende.
[Lg.01_016,34] Nur so kann der Mensch auch eine Ruhe, einen Trost in
einem Gebet finden, welches mit wenigen Worten ihm seine ganze Stellung
als Mensch und Kind Gottes beweist, daß er ein Wesen zwischen zwei
Welten, zwischen Materiellem und Geistigem ist, dem letzteren folgen
muß, soll er dieses Namens würdig sein, mit welchem er den Schöpfer
alles Bestehenden anruft.
[Lg.01_016,35] Deswegen fängt dieses Gebet mit dem Vater-Rufe an, und
endet mit der Bitte, eben an diesen Gott, welcher, wäre Er nicht Vater,
den Menschen nicht von seinen Übeln erlösen, nicht ihm verzeihen, nicht
ihm Zutrauen einflößen könnte!
[Lg.01_016,36] So, Meine Kinder, betet dieses Gebet zu Mir, denket
mit dem ersten Anruf nicht an euch allein, nein, umfasset mit dem Rufe:
„Unser Vater!“ die ganze Menschheit, die jetzt mehr als je ein Haufe
verirrter Kinder ist, welche alle willenlos und ohne Zweck und Ziel dem
Verderben entgegensteuern, weil die meisten eben diesen Vater vergessen
oder gar verleugnet haben, nicht wissend und nicht wissen wollend, daß
Er im Himmel ist, daß Er ihrer harret, um einst sie alle mit liebenden
Armen zu umfangen.
[Lg.01_016,37] Betet zu Ihm, dem Vater aller Kreatur, daß Er
verzeihen möge, wenn Sein Name mißbraucht und in den Staub gezogen wird,
statt geheiliget zu werden. Betet, daß das Reich des Friedens, der
dauernden Seligkeit, welches eben in jenem Himmel, der Sein Wohnsitz
ist, thront, auch zu euch herabsteigen möge, daß nicht Mensch gegen
Mensch in ewigem Haß und Hader, sondern daß Brüder gegen Brüder in Wort
und Tat die Nächstenliebe im höchsten Sinn ausführen mögen, da nur dann
die Welt ein Paradies werden kann, wenn der Wille des Vaters im Himmel
auch auf Erden ausgeführt wird!
[Lg.01_016,38] Betet, daß allen Menschen auf Erden nicht der tägliche
Unterhalt ermangele, damit auch alle sich der aufgehenden Sonne
erfreuen mögen, und nicht einen Tag verwünschen, der höchstens nur Elend
beleuchten muß.
[Lg.01_016,39] Betet so in Meinem Gebet das „Vater unser“, dann
werden eure Sünden vergeben werden in dem Maße, als ihr selbst
nachsichtig gegen andere seid. Die Versuchungen werden dann weniger
werden, eben weil ihr im Glauben erstarkt leichter sie bekämpfen könnt,
und so von allen Übeln dadurch erlöst werdet, weil rein geworden – „dem
Reinen alles rein ist“, und wo, wenn auch vielleicht anfangs leicht
gewankt oder gefehlt wurde, jetzt erstarkt durch das Vertrauen in Mich
ihr an Gefahren vorüberwandelt, die für euch schon längst den Stachel
der Verführung verloren haben!
[Lg.01_016,40] So betet Mein Gebet, das Ich vor mehr als tausend
Jahren Meinen dortigen Kindern und Jüngern gegeben habe und nun euch,
Meinen jetzigen Auserwählten, wiedergebe!
[Lg.01_016,41] Erkennet in diesem Worte, wie viel Erhabenes und
Schönes in Meinen Worten liegt, und begreifet damit auch, daß, wenn ein
Gott euch beten lehrt, Er euch Worte in den Mund gelegt hat, in welchen
eine unbegrenzte Tiefe von Wahrheit und eine unendliche Seligkeit für
den erwächst, welcher, wie Ich es einst sagte, Mich im Geist und in der
Wahrheit anbetet; denn in diesem Gebet ist im Anfang höchstes Geistiges,
sodann mit weltlicher Wahrheit verbunden, wo ihr im Anfang wohl, eurer
göttlichen Abstammung bewußt, den Vater im Himmel anflehet; aber in der
Folge die Schwächen und Gebrechen der menschlichen Natur nicht vergeßt,
und während ihr in den ersten Worten voll Andacht vor dem großen
Schöpfer als eurem Vater daniedersinkt, später eure Schwächen
anerkennend Ihn um Hilfe anfleht, damit Er euch nicht im Schlamme der
sinnlichen Leidenschaften eure geistige Herkunft vergessen lasse!
[Lg.01_016,42] So müsset ihr das „Vater unser“ beten, und euer Vater
wird euch als Kinder Seine Vaterliebe im vollsten Maße fühlen lassen,
wenn auch ihr wie Er, statt Strafe, Rache und Zorn, nur Liebe und
Verzeihung in eurem Lebenswandel praktisch ausüben wollt; dann ist euer
der Vater, welchen ihr in diesem Gebet mit so bewegtem Herzen an Seine
Gnade, an Seine Macht und an Seine nie verwelkende Liebe erinnert habt,
indem ihr neben Seiner großen Allmacht eure Ohnmacht reuig bekennen
wollet! Amen!