Aus "DIE NACHFOLGE CHRISTI" von Thomas von Kempen, Kapitel 43
1. Das wahre Wissen quillt aus Gottes Wort und Wesen.
2. Das wahre Wissen überstrahlt alles Menschenwissen.
3. Das wahre Wissen drängt zur Lebensbesserung.
4. Das wahre Wissen vermittelt Gott auf die verschiedenste Weise.
1. (Der Herr:) Mein Sohn, laß dich nicht verwirren durch schöne, scharfsinnige Worte
der Menschen. "Das Reich Gottes besteht nicht im Worte, sondern in der Kraft" (1
Kor 4, 20). Auf meine Worte aber achte. Sie entzünden das Herz und erleuchten den
Geist, führen zur Reue und bringen mancherlei Trost. Lies niemals ein Wort, um
gelehrter und weiser erscheinen zu können. Sei bestrebt, deine Fehler abzulegen; das
wird dir mehr Nutzen bringen als die Kenntnis vieler schwieriger Fragen. Hast du
vieles gelesen und erkannt, kehre immer wieder zu dem einen Urgrund zurück; das ist
notwendig.
2. Ich bin es, der "die Menschen das Wissen lehrt" (Ps 94, 10). Ich gebe den Kleinen
ein Verstehen, das heller ist, als Menschenlehre es vermitteln kann. Zu wem ich
spreche, der wird schnell weise sein und viel zunehmen im Geiste. Wehe denen, die
wer weiß was alles von den Menschen zu erfahren suchen und sich um die Frage, wie
sie mir dienen können, kaum kümmern. Kommen wird die Zeit, da der Meister der
Meister, Christus, der Herr der Engel, erscheint, um allen ihre Lektion abzuhören, d.
h. um jedes Gewissen zu prüfen. Dann wird "Jerusalem mit Laternen durchsucht"
(Zef 1, 12), das "dichteste Dunkel wird offenbar werden" (1 Kor 4, 5), und die
Zungen werden keine Beweise mehr vorbringen.
3. Ich bin es, der den demütigen Geist in einem Augenblick so erhebt, daß er
gründlicher in die ewige Wahrheit eindringt, als wenn einer zehn Jahre an den
Schulen studiert hätte. Meine Lehre ist kein Schwall von Worten, kein Durcheinander
von Meinungen, kein Suchen nach Anerkennung, keine Beweisfechterei. Ich bin es,
der da lehrt, die Augen vom Irdischen abzulenken, das Gegenwärtige zu
verschmähen, das Ewige zu suchen und zu kosten, die Ehren zu fliehen, Ärgernisse
zu ertragen, alle Hoffnung auf mich zu setzen, außer mir nichts zu wünschen und
mich über alles glühend zu lieben.
4. Einer, der mich innig liebte, wurde dadurch des Göttlichen in ne und sprach
wunderbare Worte. Indem er alles verließ, hat er größere Fortschritte gemacht, als
wenn er hohen Studien obgelegen hätte. Doch rede ich zu diesen nur über allgemeine,
zu jenen über besondere Fragen. Dem einen erscheine ich in lieblichen Zeichen und
Bildern, den anderen enthülle ich die Geheimnisse in einer Fülle von Licht. Die
heiligen Bücher reden mit einer Sprache, aber sie unterrichtet nicht alle in gleicher
Weise. Denn ich bin innerlich als Lehrer tätig, ich, die Wahrheit. Ich "erforsche das
Herz" (Weish 1, 6), ich kenne die Gedanken, ich treibe zur Tat, ich teile einem jeden
zu, wie ich es für recht finde.