Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



Buchempfehlung: Erweckung hinter Gittern

Ein argentinisches Hochsicherheitsgefängnis wird auf den Kopf gestellt (1997)
Von Michael Richardson & Juan Zuccarelli

Inhalt

Vorwort         
Einleitung        
Kapitel 1  Mein erster Besuch in Olmos   
Kapitel 2  Die Geschichte der Erweckung in Olmos   
Kapitel 3  Dienst und Leben der Gemeinde  
Kapitel 4  Die Auswirkungen der Erweckung  
Anhang  Auswirkungen auf Gefängnisse im Ausland
Die Geschichte von Ramon Avalos  
Gott und Mensch hinter Gittern  
Über die Autoren       





Leseprobe

Einleitung
    
Erweckung - das Wort prickelt auf der Zunge wie Champagner und löst in vielen von uns ein Echo aus, während vor unserem inneren Auge Bilder von der Größe Gottes und die Hoffnung auf Veränderungen aufsteigen. Gott zeigt sich uns allen in seiner ganzen Herrlichkeit und all seiner Macht. Wie sehr sehnen sich viele nach Erweckung! Wie sehr inspiriert uns die Hoffnung, vielleicht auch irgendwann, irgendwie wahre Erweckung erleben zu können!
     Ich hatte das Vorrecht, viele Gruppen zu einem Besuch in die Gemeinde Christ the Only Hope im Olmos-Gefängnis in Argentinien führen zu dürfen. In dieser Gefängnis-Gemeinde habe ich Erweckung packender erlebt als irgendwo sonst auf dieser Welt. Auch viele andere Menschen hatten überwältigende Erlebnisse, nachdem sie nur einige wenige Stunden mit den Häftlings-Mitgliedern der Gemeinde Christ the Only Hope verbracht hatten. Diese Besucher sind fest davon überzeugt, Erweckung gesehen und erlebt zu haben. Ihr Leben wurde von diesem Moment an auf dramatische Weise verändert!
Mein erster Besuch in Olmos
     Lassen Sie mich Ihnen von meinem ersten Besuch im Olmos-Gefängnis im November 1992 erzählen. Unser Gastgeber war Juan Zuccarelli, der gegenwärtige Leiter der Gefängnis-Gemeinde und seit ihrer Gründung ein wesentlicher Teil dieses Dienstes. Juan, Pastor einer evangelischen Freikirche in der nahe gelegenen Stadt La Plata, ist in Olmos angestellt. Etwa zwölf von uns drängten uns in zwei Autos, um diese Gemeinde im Gefängnis zu sehen.
     Je näher wir dem Gefängnis kamen, umso stärker dominierte das massive Beton- und Stahlgebäude des Hochsicherheitsgefängnisses die Skyline. Wir alle, mit Ausnahme von Juan, begannen, uns etwas ungemütlich zu fühlen angesichts der Dinge, die uns dort erwarteten.
     Wir parkten die Autos und gingen auf das Haupttor zu. Durch die massiven Stahltüren hätte ein Lastwagen fahren können, wären sie geöffnet gewesen. Die Vorhalle im Inneren war ziemlich heruntergekommen. Der Raum war höhlenartig, feucht und kühl und löste in uns unheilverkündende Vorahnungen aus. Alles bestand aus Beton und Stahl. Überall befanden sich Gitter aus grauem Stahl und alle Türen waren mit riesigen, fingerdicken Sicherheitsriegeln verziert. Wir passierten drei riesige Stahltüren, bis wir endlich den Gefängnishof erreichten. Die massiven Betonwände auf allen Seiten waren mindestens sechs Meter hoch und eineinhalb Meter dick. Ständig patroullierten bewaffnete Wächter an ihnen entlang.
     Nachdem wir die dritte Tür durchschritten hatten, erhob sich vor uns der riesige, fünf Stockwerke hohe Wohntrakt aus Beton, der die 3’000 (aktuelle Zahlen vom Mai 1997:
3’300) Inhaftierten von Olmos beherbergt. Er machte einen heruntergekommenen Eindruck. Das Gebäude hatte keine Fenster, dafür aber sehr viele Gitterstäbe. Männer streckten ihre Arme durch die Gitter, aber wir waren zu weit entfernt, um ihre Gesichter erkennen zu können. Ich konnte ihre Verzweiflung fast spüren. Auf Grund der Größe des Gefängnisses waren nur jeweils zwei der sechs Flügel gleichzeitig sichtbar. Der riesige Wasserturm in der Mitte des Hofes wirkte wie eine gigantische Spinne, die sich herabneigte und ihre Beute in einem riesigen Netz fing. Juan erklärte uns, dass die Gefangenen während der großen Revolten in der Vergangenheit tatsächlich den Wasserturm besetzt hatten.
     Wir begannen unseren Weg über die zerstörten Betonwege in einem Halbkreis zu der Kapelle, in der die Gemeinde bereits versammelt war. Die Sonne schien, was in dieser nüchternen Umgebung auf seltsame Weise unpassend erschien. Dann hörten wir Gesang im Hintergrund. Wir konnten die Worte, die sie sangen, nicht verstehen, aber die Musik weckte Hoffnung in uns allen.
     Der Gottesdienst, an dem wir teilnehmen sollten, war seit etwa einer Stunde in vollem Gange, was bedeutete, dass die Inhaftierten gerade erst so langsam warm wurden. Einige gläubige Inhaftierte führten uns hinein. Sie alle hatten ein Lächeln auf ihren Gesichtern und sahen recht jung aus, gerade erst Anfang zwanzig. Die Kapelle barst fast vor Gottesdienstteilnehmern. Die Männer sprühten nur so von Leben. Man sah fast ausnahmslos lächelnde Gesichter. Das Gebäude wirkte kahl mit seinen nackten Betonwänden, die angesichts des Geistes dieser Männer fehl am Platz erschienen. Ein Mann, der vor der Menge stand, stieß aus vollen Leibeskräften Stakkato-Befehle hervor. Jedesmal, wenn er sprach und eine Antwort erwartet wurde, antworteten die etwa 600 Männer in der Kapelle in völligem Gleichklang.
     Juan stellte mir zwei der Männer vor. Einer war groß und die Art von Mann, die man bei einem Football-Spiel gern in seinem Team haben möchte.
     »Das ist Pastor Avalos«, sagte Juan. »Und dies ist Pastor Vazquez«, wobei er mir einen kleingewachsenen, schlanken, imposanten jungen Mann vorstellte. Beide waren Gefängnisinsassen. »Sie sind seit etwa sechs Jahren hier und die Pastoren der Gemeinde.«
     Ihre Gesichter zeigten ein breites Lächeln, als wir einander auf argentinische Art mit einem Kuss auf jede Wange begrüßten. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, welche Verbrechen sie wohl begangen hatten, um hier gelandet zu sein. Gleichzeitig war ich beeindruckt von ihrer ehrlichen, aufrichtigen Art. Es war deutlich sichtbar, dass es gar nicht so wichtig war, was ihr Verbrechen gewesen war, denn sie waren wirklich neue Geschöpfe in Christus. Später sollte ich viele schockierende und packende Zeugnisse von diesen Brüdern sowie von vielen anderen Inhaftierten hören. Das unfassbare Werk der Gnade, das Gott an jedem einzelnen dieser Männer vollbracht hatte, rief ausnahmslos Staunen und Lobpreis in meinem Herzen hervor.
     Für unsere Gruppe wurden Bänke in die vorderste Reihe gestellt. Als wir uns setzten, bemerkten wir, dass nur wenige Wächter anwesend waren, auf jeden Fall nicht genügend, um etwas ausrichten zu können, sollte diese riesige Gruppe von Inhaftierten einen Aufstand anzetteln. (Aktuelle Zahlen vom Mai 1997: nur 1’000 der 1’480 Christen passen in die katholische Kirche, den größten Versammlungsraum auf dem Gefängnisgelände. Wächter sind nun überhaupt nicht mehr nötig: Kein einziger Wächter war anwesend, als 450 Gläubige an einem Tag getauft wurden.) Im weiteren Verlauf des Gottesdienstes kam ich jedoch zu dem Schluss, dass das einzige, was diese Gruppe anzetteln würde, eine Erweckung war. Wir sahen aufmerksam zu, wie sie mit Präzision auf fast militärische Weise auf ihre Leiter reagierten. Sie sangen und der Raum wurde mit klarem Lobpreis erfüllt, der alles bedeckte und bis in jeden Winkel und jede Ritze vordrang. Es war so erfüllend, dass ich mich fragte, ob das Dach und die Wände wohl standhalten würden.
     Die Pastoren fragten uns, ob wir eine Botschaft oder Zeugnisse für die Gemeinde hätten. Ich wählte einen der Pastoren aus unserer Gruppe aus, der eine kurze Predigt halten sollte. Er predigte und ich übersetzte. Die Aufmerksamkeit der Inhaftierten war unerschütterlich. Es fiel uns immer schwerer, sie als Gefangene zu betrachten. Sie waren meine Glaubensbrüder und wir alle waren Soldaten in der Armee des Reiches Gottes.
     Nach der Predigt erhob sich ein Mitglied unserer Gruppe, Gideon Chiu, ein Pastor aus Kanada, um zu unseren Mitstreitern für die Sache Christi zu sprechen. Gideon hatte von Gott die Berufung erhalten, Hongkong für Christus zu erreichen, bevor das Land an China überging. Er rief die hingegebenen gläubigen Häftlinge zum Gebet auf. Während er sein Herz ausschüttete, war er so bewegt, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Noch heute höre ich seine Worte, als er sagte: »Brüder, ich habe endlich gefunden, was ich mein Leben lang gesucht habe. Hier in Olmos habe ich Erweckung gefunden. Bitte betet für Hongkong und für mich, denn wir brauchen das, was ihr habt.« Dieser Mann war um die halbe Welt gereist und bei einem »zufälligen« Besuch in einem Hochsicherheitsgefängnis in einem Dritte-Welt-Land hatte er gefunden, wonach er sein ganzes Leben lang gesucht hatte. Dieses Erlebnis zeigt wieder, dass Gott unermesslich und unerforschlich ist. Die Männer nahmen die Bitte um Gebet ernst und knieten nieder. Als sie beteten, hatte ich den Eindruck, der Himmel würde sich über diesem Ort öffnen. Die Kraft und die Gegenwart Gottes war in jenem Moment dort so fühlbar, wie ich es selten irgendwo verspürt habe. Wir wussten, dass Gott uns hörte.
     Als der Gottesdienst zu Ende war, verließen wir langsam die Kapelle. Dutzende der Inhaftierten umarmten und küssten uns auf dem Weg hinaus und doch herrschte in jedem Augenblick vollkommene Ordnung. Viele aus unserer Gruppe wollten eine gewisse Zeit im Gefängnis verbringen, um persönliche Erweckung zu erfahren und von diesen demütigen und doch hingegebenen Männern zu lernen, von denen die meisten erst seit weniger als zwei Jahren gläubig waren.
     Als wir wieder hinausgingen, sagte mir Juan, dass der Jefe del Penal, der nach dem Direktor die zweitwichtigste Autoritätsperson im Gefängnis war, mit uns sprechen wolle. Er war kein lebendiger Christ, aber wenn er uns dies nicht gesagt hätte, hätten wir es niemals auch nur vermutet. Er schien der größte Fan der großen Bewegung zu sein, die wir soeben erlebt hatten. Er erklärte uns, dass die Männer tatsächlich dramatische und dauerhafte Veränderungen erfahren hatten. Sein Wunsch war, dass alle Christen würden, weil es tatsächlich positive Auswirkungen hatte. In den zwei Jahren, die er nun in Olmos arbeitete, hatte er nicht ein einziges Mal erlebt, dass ein Strafgefangener, der Mitglied der Gemeinde gewesen war, wegen eines neuen Verbrechens nach Olmos zurückgekehrt war. Das bedeutete eine Rückfallquote von 0 %! Dies bestätigte einen der Lieblingsaussprüche der Inhaftierten: »Weder meine Mutter noch die Tortur mit Elektroschocks noch Schläge von der Polizei konnten mein Leben verändern. Nur Jesus Christus konnte das tun.«
     Wir verließen das Gefängnis an jenem Tag und versuchten zu verstehen, was wir soeben erlebt hatten. Es war mit nichts zu vergleichen, was wir jemals zuvor erlebt hatten. Die Gemeinde im Gefängnis nennt sich Christ the Only Hope (»Jesus Christus, die einzige Hoff nung«) und diese »freien« Gefangenen stellen einen sehr überzeugenden Beweis für diese Behauptung dar!
     Das Schönste an Olmos ist, dass nur Gott der Autor einer so unglaublichen Geschichte sein kann. Und nach einem kurzen Besuch dort zweifelt niemand daran, dass Gott und kein anderer dies getan hat. Ich habe die Christen in Olmos seitdem viele Male besucht. Immer wieder lehren sie mich, was Gnade, Kraft und Hingabe wirklich sind, welche Macht das Gebet hat und wie herrlich unser Gott ist! Nachdem ich diese Gemeinde in Aktion gesehen habe, weiß ich, dass nichts unmöglich und niemand ein hoffnungsloser Fall ist. Die Gnade Gottes kann sich gerade dort manifestieren, wo wir es am allerwenigsten erwarten. Diese Menschen haben mir gezeigt, dass, Gitter oder keine Gitter, Freiheit nur in Jesus Christus zu finden ist!
Die Geschichte der Erweckung in Olmos
     Im August 1951 kam Pastor Andrés Guerrieri in das Gefängnis Olmos, um einen Gefangenen namens Pucheta zu besuchen. Dies ist der erste registrierte Besuch eines freikirchlichen Pastors in diesem Gefängnis. Zwischen 1951 und 1983 folgten viele andere dem Beispiel von Pastor Guerrieri und besuchten Olmos. Pastoren besuchten vier oder fünf Inhaftierte, die Jesus Christus als ihren Herrn und Erlöser angenommen hatten, doch nie kam es zu einer echten Erweckung.
Finsternis regiert
     1983 gab es im Gefängnis zahlreiche Aufstände. Die Vergewaltigungen und Morde in den Wohnbereichen der Gefangenen waren fast außer Kontrolle geraten. Bis Ende 1987 war dort Gewalt vorherrschend. Gefangene mit dem Spitznamen pitufos (»Schlümpfe«) terrorisierten ihre Mitgefangenen, indem sie Löcher in den Wänden zwischen den Zellen gebrauchten, um ihre Zellennachbarn anzugreifen, zu kidnappen, zu vergewaltigen und ganz allgemein das Gefängnis unter einer Schreckensherrschaft zu halten. In dieser Zeit verglichen die Gefangenen das Gefängnis wegen der vielen Löcher in den Wänden und der Möglichkeit, sich ungehindert von Zellentrakt zu Zellentrakt zu bewegen, mit einem Schweizer Käse. Mord war nichts Ungewöhnliches und Gewaltverbrechen waren praktisch an der Tagesordnung. Das Gefängnis war zeitweise völlig in der Hand der Gefangenen.
     Das vierte der fünf Stockwerke des Gefängnisses war berühmt-berüchtigt als der piso de los elefantes, das »Stockwerk der Elefanten«. Von hier aus, und im Besonderen vom Zellentrakt 4 - 10 aus, wurde das Gefängnis von den Schwerverbrechern regiert. Sie genossen großes Ansehen unter den anderen Gefangenen und wurden von den gesamten Gefängnisinsassen respektiert. Dies war das Zentrum, von dem aus alle Arten von kriminellem Verhalten, inklusive Aufstände, Drogen, Mord und Vergewaltigung, angezettelt wurden. Von hier aus hatte das Böse eine Festung errichtet; an diesem Machtzentrum begannen Aufstände, die viele Todesopfer forderten.
     Tieropfer und okkulte Rituale waren alltägliche Praktiken im Gefängnis. Die Gefangenen errichteten einen Altar und zündeten dort rote, schwarze und weiße Kerzen an. Ihre Familien brachten ihnen Hunde und Katzen, die sie dann dem Teufel opferten. Auf diese Weise unterwarfen sie das Gefängnis immer wieder neu der Herrschaft Satans. Insassen erzählen, dass sie zwergenhafte Dämonen die Treppen des Gefängnisses hinauf- und hinuntersteigen sahen. Unzählige Geschichten beschreiben die überwältigende Gegenwart des Bösen, die das Gefängnis völlig beherrschte.
     Den Inhaftierten war klar, dass Olmos die Führungsrolle unter den Gefängnissen der Provinz Buenos Aires einnahm. Da das vierte Stockwerk von Olmos auch geistlich gesehen ganz Olmos regierte und dieses wiederum die anderen Gefängnisse beherrschte, kontrollierte das vierte Stockwerk geistlich gesehen das ganze Gefängnissystem von Buenos Aires und Umgebung. Dies zeigte sich deutlich, wenn die Gefangenen vom vierten Stockwerk aus einen Aufstand anzettelten und sich das ganze Gefängnis anschloss. Dann, ähnlich einem Dominoeffekt, zettelten die anderen zwanzig Gefängnisse ebenfalls Aufstände an. Zwar hielten die Behörden die Gefangenen durch Strafmaßnahmen in Schach, aber im geistlichen Bereich war das Gefängnis unkontrollierbar. Der Teufel beeinflusste die Gedanken und Herzen der Männer, so dass diese ihre Mitgefangenen quälten. Überall herrschte (geistliches) Chaos.
     Juan Zuccarelli, Pastor einer evangelischen Freikirche, war Leiter der nichtkatholischen christlichen Gruppen im Gefängnis und damit Aufseher der Gefangenen-Gemeinde. Juan erinnert sich an seinen ersten Besuch im Wohntrakt des Gefängnisses. Er arbeitete in den Büros der Gefängnisverwaltung und einer seiner Kollegen lud ihn zu einem Besuch der Zellenblocks ein.
     »Ein Gefängnisbeamter begleitete mich und als wir etwa die Hälfte der langen Halle durchquert hatten, die zu den Zellenblocks führt, fühlte ich, wie eine dämonische Kraft meinen Körper angriff. Es begann in meinen Beinen, kroch den ganzen Körper hinauf und legte schließlich einen ständig wachsenden Druck auf meinen Nacken. Ich hatte den Eindruck, der Teufel wollte mich davon abhalten, den Wohnbereich der Gefangenen zu betreten. Zweifellos hatte er das Gefühl, dass ich in seinen Herrschaftsbereich eindrang.
     Ich sagte dem Gefängnisbeamten, dass ich mich nicht gut fühle und die Toilette benutzen müsse. Den geistlichen Kampf konnte ich ihm nicht erklären, da er nicht gläubig war. Als ich die Toilette erreichte, fiel ich auf die Knie und begann, die Autorität des Teufels über den Wohnbereich der Gefangenen herauszufordern. Ich band ihn im Namen Jesu. Es war ein wirklich harter geistlicher Kampf. Ich sagte dem Herrn, wenn er wolle, dass ich im Gefängnis diente, müsse er den Sieg über die dämonischen Kräfte erringen, so dass ich in diesen Freiraum vordringen und handeln könne, sprich: den Wohnbereich der Strafgefangenen betreten. Nach einigen Minuten hatte ich das Gefühl, dass eine Kette zerbrochen und zu Boden gefallen war. Ein tiefer Friede erfüllte mich. Wir nahmen unseren Weg durch
die Halle wieder auf, aber dieses Mal war alles anders. Jesus hatte mir geholfen, dass ich in dieser Sache Erfolg hatte.«
     Der Evangelist José Luis Tessi hatte ein ganz ähnliches Erlebnis, als er seinen Dienst im Gefängnis begann. Fast während des gesamten ersten Jahres betrat Tessi das Gefängnis voller Freude und Frieden, weil er sich der Kraft des Heiligen Geistes bewusst war. Doch die dämonischen Kräfte waren so stark, dass er nach jeweils vier Stunden Dienst im Gefängnis völlig erschöpft und mit Schmerzen in allen Knochen und Gelenken nach Hause ging. Diese Erfahrung erduldete er zwei bis drei Mal pro Woche, um den Gefangenen das Evangelium zu bringen.
     Bis 1983 konnte man die Anzahl der Gefangenen, die man zu einer christlichen Verannstaltung zusammenbrachte, an zwei Händen abzählen. Das Wort Gottes in die Gefängnisse zu tragen war eine riesige Herausforderung für die Christen in Argentinien. Einige gläubige Männer versuchten, eine Bresche zu schlagen, konnten aber niemals dramatische Durchbrüche erlangen. Jeder, der dies versuchte, sah sich stärkstem Widerstand von Seiten der Behörden gegenüber. Juan Zuccarelli erlebte Ablehnung und offene Feindseligkeiten, als er sich zu seinem Glauben an Jesus Christus bekannte.
Gott bringt Schlüsselfiguren in die richtigen Positionen
     Juan Zuccarelli erzählt: »1983 ging ich durch meine Heimatstadt La Plata, als ich
fühlte, dass der Herr zu mir sprach und mir sagte, dass ich in Gefängnissen dienen solle. Zuerst weigerte ich mich, da ich keinerlei Bezug zu Gefangenen hatte. Doch Gott sprach immer wieder zu mir. Ein ums andere Mal lehnte ich diese Idee ab, bis ich schließlich zusammen mit meiner Frau für die Gefängnisse betete. Das war der erste Schritt in diesen neuen Dienst.
Zu jener Zeit hatten wir keine Möglichkeit, in die Gefängnisse hineinzukommen, um zu predigen. Einer meiner Glaubensbrüder arbeitete für die Strafanstalt und schlug mir vor, Gefängniswärter zu werden und so Zutritt zu bekommen. Ich fragte ihn, wie ich vorgehen solle. Er erklärte mir, dass es gewöhnlich nach dem Durchlaufen aller Vorstellungsgespräche und Interviews etwa sechs bis acht Monate dauerte, bis über eine Bewerbung entschieden werde. Zu unserer Überraschung geschah jedoch ein Wunder und innerhalb weniger Tage kam mein Bekannter mit der Nachricht, dass alles bereit sei und ich meine Arbeitsstelle sofort antreten könne. Die einzige Frage war nun, wo ich arbeiten wollte. Ich musste eine Wahl treffen zwischen dem Gefängnis von La Plata, der Kadettenschule, die nur sechs Häuserblocks von meiner Wohnung entfernt lag, und dem Gefängnis Olmos. Ich sagte ihm, der Heilige Geist würde ihm helfen, die richtige Wahl für mich zu treffen, sollte eine Entscheidung nötig sein. Wir kamen überein, zu beten und fest darauf zu vertrauen, dass der Heilige Geist uns Klarheit geben würde. Später kam er und sagte mir, er habe den Eindruck, Gott wolle mich nach Olmos schicken. Äußerlich sagte ich: »Amen, das ist der Wille Gottes«, aber innerlich fragte ich Gott, ob da nicht ein Irrtum vorläge.
     Am ersten Tag fühlte ich mich sehr seltsam. Zu dieser Zeit gab es keine Schule für untergeordnete Beamte und so erhielten wir direkt in Olmos eine Einführung. Ich hatte dort zwei Ausbilder: Einer war für die Theorie zuständig, der andere für die Praxis. Der Mann, der für die Theorie zuständig war, lehrte uns die Regeln für die Arbeit im Strafwesen. Er listete die Rechte und Pflichten jedes einzelnen auf. Er sagte uns, worüber wir sprechen durften und worüber nicht. Politik war tabu. Dies erinnerte mich daran, dass ich als freikirchlicher Christ aus Glaubensgründen aus der Argentinischen Marine ausgetreten war. Der einzige Makel in meinem Führungszeugnis nach einer sechsjährigen Karriere bestand darin, dass ich keine katholische Messe besucht hatte. Weil ich mich noch lebhaft daran erinnern konnte, hob ich die Hand und fragte den Ausbilder, ob es erlaubt sei, über Religion zu sprechen. Er fragte mich nach meiner Konfession und ich antwortete ihm, dass ich Christ sei und einer evangelischen Freikirche angehöre. Meine Mitarbeiter waren überrascht, denn zu dieser Zeit war es sehr ungewöhnlich, zuzugeben, dass man Christ war und einer evangelischen Freikirche angehörte.
     Der Ausbilder erwiderte: »So, so, Sie sind also ein Freikirchler.« Ich antwortete: »Ja.«
Daraufhin erklärte er: »Ich hasse Freikirchler. Ich kann Protestanten nicht ausstehen. Sie erkennen die Jungfrau Maria nicht an und außerdem gehen sie von Haus zu Haus und belästigen die Leute. Wenn Sie Freikirchler sind, werden Sie Probleme mit mir haben.«
     Ich erwiderte: »Sie mögen es vielleicht so sehen, aber Gott sieht das anders.«
     Er sagte mir, an diesem Ort sei er der einzige Gott, aber ich konterte, dass das Wort Gottes uns etwas ganz anderes zeige. Seine Antwort lautete: »Von heute an bin ich das Wort Gottes für Sie. Ich werde schon dafür sorgen, dass Sie hier eine Menge Probleme haben.« Und damit warf er mich hinaus. Dieser Beamte hieß Nestor Papa und ist heute Diakon und Sekretär unserer Gemeinde. Seine Frau Rosa ist Lehrerin in unserer Sonntagsschule und Gott kann durch sie eine Menge wunderbarer Dinge tun. Doch es war wirklich kein allzu netter Beginn für meinen allerersten Tag im Gefängnis.
     Nach diesem kleinen Streitgespräch befahl man mir, mit einem Gewehr die Gefängnismauer zu bewachen und sicherzustellen, dass niemand ausbrach. Ich schob dort mehrere Tage lang Dienst und predigte vielen meiner Arbeitskollegen, aber keiner von ihnen nahm Jesus als Herrn und Erlöser an. Das Wochenende kam näher und ich bat den Herrn im Gebet um eine andere Aufgabe, da ich predigen und Resultate sehen wollte. Als ich nach Hause kam, betete ich zusammen mit meiner Frau Mary. Wir baten auch unsere Gemeinde um Unterstützung. Als ich am Montag wieder zur Arbeit ging, rief mich mein Chef in sein Büro. Als ich dort ankam, fragte mich Nestor Papa, der Beamte, der mich so sehr hasste: »Sie haben wohl gute Beziehungen hier im Gefängnis?« Ich verstand nicht, was er meinte, und so beschuldigte er mich, etwas zu verheimlichen. Nun erst erklärte er mir, er habe Befehl erhalten, dass ich in den Verwaltungsbüros des Gefängnisses arbeiten solle. Da erinnerte ich mich an unsere Gebete und ich sagte ihm: »Ich habe tatsächlich einen Freund hier.«
     »Wie heißt er?«, fragte Nestor.
     »Jesus von Nazareth. Lobe den Herrn!«, sagte ich ihm, worauf Nestor mich aus seinem Büro jagte. Doch Gott stand mir auch an diesem Ort zur Seite.
     Im Büro, in dem ich arbeitete, kamen mehrere Menschen zum Glauben an Jesus Christus. Der Herr hatte begonnen, einige der Gefängnisleiter zu berühren, aber noch immer
konnten wir nichts für die Gefangenen selbst tun. Die Vorschriften ließen dies nicht zu. Einige Pastoren besuchten das Gefängnis, erreichten aber nur eine Handvoll Männer. Einige Zeit später erschien eine der Tageszeitungen von La Plata mit der Schlagzeile: »Pastor einer evangelischen Freikirche ein Dieb ! «Natürlich entwickelte sich das Ganze zu einem riesigen Skandal, während die Medien sich einen Spaß daraus machten, alle Freikirchen in den Schmutz zu ziehen. Der Betroffene, Antonio García, wurde ins Gefängnis gesteckt. Unsere Gemeinde begann, seine Frau und seine acht Kinder zu unterstützen. Eines Tages tauchte García in Olmos auf. Als ich ihn sah, war mein erster Gedanke, ihm an die Gurgel zu springen. Doch ich fühlte, dass der Herr zu mir sprach: »Juan, du musst ihn lieben. Vergiss nicht, dass ich auch für ihn mein Leben gegeben habe. Ich habe ihn zuerst geliebt, Juan.« Also gehorchte ich und sprach mit dem ehemaligen Pastor. Er bereute, was er getan hatte, und wir beteten zusammen. Er erneuerte dabei seine Hingabe an den Herrn.
     Einer der Prediger unserer Gemeinde, José Luis Tessi, fühlte, dass Gott auch ihn zum Dienst im Gefängnis rief. Er begann, Olmos zu besuchen, und fand heraus, dass es dort einen Radiosender gab, der auf Grund technischer Probleme außer Betrieb war. Also begannen wir, um Spenden zu bitten. Wir sprachen mit den Behörden und erklärten ihnen, wir würden den Sender reparieren, wenn wir etwas Zeit für christliche Programme bekämen. Sie waren einverstanden und wir nahmen unsere Arbeit auf. Auf diese Weise entstand das erste christliche Radioprogramm im Gefängnis.
     Wir beauftragten den ehemaligen Pastor, einige seiner Mitgefangenen zu Veranstaltungen zusammenzurufen, und unter der Leitung von José Luis Tessi begann sich eine nette kleine Gruppe zu formieren. Die geistliche Atmosphäre war immer noch sehr schwierig. Tessi sagte uns, dass er nach dem Radioprogramm und nachdem er den Gefangenen seine Geschichte mit Gott erzählt hatte, immer völlig erschöpft und mit Schmerzen im ganzen Körper vom Gefängnis nach Hause ging. Der Grund dafür waren die dämonischen Kräfte, die im Gefängnis wirkten, und es sollte auch noch einige Zeit dauern, bis dieser Einfluss vollständig gebrochen war.«
     Zucarelli, Tessi und Garcia sahen erste Resultate, als die Gefangenen unter der Leitung des ehemaligen Pastors vor und nach jedem Radioprogramm einige ihrer Mitgefangenen zu Gesprächen über Christus zu dem Evangelisten brachten. Dazu beteten die Christen unter den Gefangenen ununterbrochen um Unterstützung, während Tessi das Evangelium predigte.
Der erste Durchbruch
     1985 arbeiteten die Gefangenen, Tessi und Zuccarelli zusammen, um eine Evangelisationsveranstaltung im Gefängnis durchzuführen. Wieder berichtet Zuccarelli:
     »Wir spürten, dass der nächste Schritt zur >Eroberung< des Gefängnisses für Christus darin bestand, eine evangelistische Veranstaltung im Gefängnis durchzuführen. Es war eine verrückte Idee und noch nie war etwas Derartiges in einem argentinischen Gefängnis geschehen. Als wir mit dem Gefängnisdirektor darüber sprachen, sagte dieser mit Nachdruck: >Nein! An so etwas brauchen Sie nicht einmal zu denken. < Ich sagte ihm, dass wir dafür beten würden, doch er versicherte nochmals, dass er zu einer solchen Veranstaltung niemals seine Zustimmung geben würde. Also begannen wir, mit den Gefangenen aus Tessis Gruppe zu beten.
     Eine Woche später rief mich der Direktor an und fragte: >Was war es eigentlich genau, was Sie tun wollten?< Ich erklärte es noch einmal und er gab seine Einwilligung, meinte aber, wir sollten vorsichtig sein, denn sollte irgendetwas schief gehen, wäre es mein Kopf, der rollen würde.
     Es ist sehr schwierig, Diebe, Mörder und Sexualverbrecher zusammenzubringen, denn Kämpfe und Todesfälle wären keine Überraschung gewesen. Doch wir vertrauten darauf, dass der Herr uns vor allem Bösen bewahren würde. Luis Teubner, einer der Wächter, die in dem Versammlungsraum arbeiteten, in dem wir die Veranstaltung abhalten wollten, erwies sich als unschätzbare Hilfe. Der Versammlungsraum war der Ort, an dem Rockgruppen, andere Musik- und Theatergruppen für die Gefangenen ihre Darbietungen aufführten. Wenn dies geschah, wurde den Gefangenen angekündigt, dass bald im Versammlungsraum ein Acto stattfinden würde. Handelte es sich jedoch um eine christliche Veranstaltung, wurde ein Culto angekündigt. Es ist den Gefangenen freigestellt, solche Aufführungen im Gefängnis zu besuchen, und daher braucht man einen Namen, der ihre Aufmerksamkeit erregt. Für diese Veranstaltung beschlossen wir, den Gefangenen zu sagen, dass ein ActoCulto stattfinden würde. Dies muss sie wohl verwirrt haben, aber die Ankündigung lockte sie aus ihren Zellenblocks. Ich erklärte den Gefängniswärtern, der Direktor habe den Befehl gegeben, die Türen zu schließen, sobald die Gefangenen versammelt waren. Etwa dreihundert Gefangene kamen und fast hundert von ihnen sprachen ein Gebet, in dem sie Jesus als ihren Herrn und Erlöser in ihr Leben aufnahmen. Tessi hielt eine Predigt, die die Gefangenen tief berührte. Und als wir beteten, heilte der Herr die Kranken und setzte die Bedrückten frei, sowohl unter den Gefangenen als auch unter den Wärtern.«
     Dazu erfüllte eine heilige Ruhe die Atmosphäre im Auditorium der Gefängnisschule, in dem die Evangelisation abgehalten wurde. Das ganze Gebetstreffen hindurch bewegte sich niemand, niemand rauchte oder reagierte ablehnend. Dies war unter den Gefangenen etwas noch nie Dagewesenes. Das Resultat war, dass die Behörden die Erlaubnis für weitere Versammlungen zwei oder drei Male pro Woche erteilten. Dies revolutionär für den Gefängnisdienst in Argentinien. Eine Gemeinde begann, Gestalt anzunehmen.
Unter den Gefangenen wachsen Schlüsselpersonen und Leiter heran
     Während der folgenden Jahre widmete sich Tessi speziell der Lehre und der Ausbildung der Inhaftierten in ihrem Leben und Dienst als Christen. Gott begann, Leiter unter den Gefangenen hervorzubringen. Zuccarelli erklärt:
     »Die Haftstrafe von Antonio García, dem ehemaligen Pastor, war beinahe abgelaufen und uns war klar, dass es Zeit war, andere Leiter heranzuziehen. Tessi begann, fast jeden Tag intensive Bibelstudien mit ihnen durchzuführen. Ein Mann trug den Spitznamen Chiquito (was auf Spanisch »Kleiner« bedeutet) Delgado, da er beinahe zwei Meter groß und sehr beleibt war. Er war ein furchterregender Anblick. Doch der Herr hatte sein Leben dramatisch verändert. Obwohl er seit vierundzwanzig Jahren im Gefängnis saß, war er freundlich wie ein kleines Kind geworden. Er übernahm zusammen mit García die Leitung. Ich arbeitete weiterhin in der Gefängnisverwaltung, was es mir ermöglichte, Glaubensgeschwistern eine Besuchserlaubnis zu verschaffen, wie auch die Verteilung von Spenden für die inhaftierten Christen zu verwalten.
     García und Delgado hatten ihre Strafen abgesessen und verließen Olmos, aber Gott bereitete Héctor Márquez, José Cardozo und Jorge Kuris vor, ihren Platz einzunehmen. Sie kamen zwei- oder dreimal pro Woche zusammen und Tessi unterrichtete sie aus der Bibel. Doch sie wohnten in verschiedenen Blöcken des Gefängnisses, lebten mit Nichtgläubigen zusammen und hatten auf Grund der Wohnverhältnisse Schwierigkeiten, wirklich ein Leben mit Gott zu führen. Seine Vergehen zu bereuen, ein essenziell wichtiger Schritt, um Christ zu werden, ist im Gefängnis ein Zeichen von Schwäche und Schwäche macht einen Gefangenen zur Zielscheibe für die Angriffe der anderen Inhaftierten. Wenn die Christen also nach den Gottesdiensten zu ihren Zellen zurückkehrten, wurden sie von den Nichtgläubigen beschimpft, geschlagen und sogar vergewaltigt. Es war eine sehr schwierige Zeit für die Gemeinde, die sich noch im >Embryonalstadium< ihrer Entwicklung befand.«
     Obwohl die Gläubigen sich nun zwei- oder dreimal in der Woche versammeln konnten, wohnten sie doch noch über das ganze Gefängnis verstreut. Andere Gefangene verfolgten diejenigen, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekannten, aufs heftigste. In einem Gefängnis herrscht das Gesetz des Dschungels und das kleinste Zeichen von Schwäche scheint die Stärkeren zum Angriff zu reizen. Christus als Herrn und Erlöser anzunehmen wurde als Zeichen von Schwäche gedeutet und so hatten die Gläubigen zwischen 1985 bis 1988 viele Anfechtungen zu erdulden. Wenn ein Gefangener umkehrte und Christ wurde, war die Rückkehr in seinen Zellenblock für ihn manchmal lebensgefährlich.
Die flügge gewordene Gemeinde nimmt Form an
     Mitte 1987 veranlasste diese prekäre Situation Márquez, eine der drei Schlüsselpersonen unter den Gefangenen, von den Behörden einen ganzen Zellenblock zu erbitten, der einzig und allein für wiedergeborene Christen reserviert sein sollte. Seiner Bitte wurde entsprochen. Ein kleiner, ausgebrannter Zellenblock für vierundzwanzig Gefangene, halb so groß wie die normalen Zellenblocks, wurde Márquez und einigen anderen Gläubigen übergeben. Durch Spenden von außen, die Márquez anregen konnte, wurde der Zellenblock hergerichtet und war bald der attraktivste im ganzen Gefängnis. Dies war sowohl für die Gefängnisbehörden als auch für die anderen Gefangenen ein Zeichen, dass bedeutende Veränderungen geschahen. Im Handumdrehen war der Zellenblock mit etwa vierundzwanzig gläubigen Häftlingen gefüllt.
     Kuris, einer der Hauptleiter, übernahm Márquez‘ Idee und begann, um weitere Zellenblocks für die Gläubigen zu bitten. Kühn und hartgesotten wie ein Elefantenbulle übte Kuris im Umgang mit den Gefangenen große geistliche Autorität aus. lmmer, wenn den Christen ein neuer Zellenblock übergeben wurde, ging er hinein und begann unter der Führung des Heiligen Geistes, die Gefangenen, die beschlossen hatten, in ihrem gewohnten Zellenblock zu bleiben, durch Gebet und Seelsorge von den Mächten der Finsternis und okkulten Bindungen zu befreien. Auch predigte Kuris das Evangelium mutig auf dem Fußballfeld des Gefängnisses. Während dieser Zeit wurde er ständig bedroht und zweimal niedergestochen. Andere Mitgefangene hatten tatsächlich ein Todesurteil über ihn verhängt. Doch der Herr schützte ihn. Da ihm klar war, dass er buchstäblich mitten in einem Kriegsgebiet wohnte, verbrachte Kuri sein Leben hauptsächlich mit Gebet und Fasten. Durch seine Kühnheit spielte Kuris in dieser Phase der Expansion der Gemeinde die Schlüsselrolle.
     In den Zellenblocks der Gläubigen wurde der christliche Lebensstil immer stärker gelebt. Ein Buch von Yiyi Avila lehrte sie über Gebet und Fasten und durch das Vorbild von Héctor Giménez, dem Pastor einer der größten und dynamischsten Gemeinden Argentiniens, begannen sie, Gebetsketten zu bilden. Einmal beteten und fasteten sie in einer geschlossenen Kette zweiundsiebzig Tage lang. Dies war die Zeit, in der Kuris seine Forderung nach mehr Zellenblocks, in denen ausschließlich Christen wohnen sollten, verwirklichen konnte.
Der zweite explosionsartige Durchbruch
     Mit einer Zuwachsrate von beinahe einem neuen Zellenblock pro Monat begannen die Christen ihren Vormarsch, das Gefängnis für Christus »einzunehmen«. Ende 1987 hatten sie je einen Zellenblock auf jedem der fünf Stockwerke von Olmos. Am schwierigsten einzunehmen war das vierte Stockwerk, das »Stockwerk der Elefanten«. Als der vierte Zellenblock auf dem vierten Stockwerk, »4 - 4« genannt, den Christen zugeteilt wurde, weigerten sich die bisherigen Bewohner, ihre Zellen aufzugeben. Die Polizei sah sich gezwungen, Stöcke, Hunde und die Androhung von Waffengewalt anzuwenden, um die Gefangenen auszuquartieren. Sogar dann noch mussten einige hinausgeschleppt werden, wobei sie wild um sich schlugen. Es war ganz deutlich, dass die dämonischen Kräfte keinen Boden preisgeben wollten. Doch »4 - 4« wurde der erste Stützpunkt Gottes auf diesem Stockwerk, das sowohl das Gefängnisleben in Olmos als auch das übrige Gefängnissystem der Provinz regierte.
     Eines Tages - Anfang 1988 - beschloss die Gefängnisleitung, all die christlichen Zellenblocks auf einem Stockwerk zusammenzuschließen. So zogen die Christen aus ihren über das Gefängnis verstreuten Zellenblocks aus und übernahmen sechs Blocks im vierten Stockwerk. Um einen neuen Zellenblock zu bekommen, mussten sie mindestens vierzig gläubige Gefangene haben, die bereit waren, dort einzuziehen. Dies bedeutete, dass nun mindestens zweihundertvierzig Inhaftierte zusammen wohnten, die der Gemeinde angehörten. Diese sich wie die Israeliten beim Einzug ins Verheißene Land, als sie alle ins vierte Stockwerk einzogen.
     Durch ständiges Gebet und Fasten, Gehorsam dem Herrn gegenüber und mutige geistliche Konfrontation mit dem dämonischen Widersacher ist die Gemeinde in Olmos immer gewachsen. 1990 hatte sie über 400 Mitglieder und Ene1993 waren es beinahe 900 - knapp 30 % der gesamten Gefängnispopulation. Im August 1995 waren die 20 Zellenblocks
Christen mit über 1’200 Gläubigen bis zum Bersten gefüllt.
     Schätzungsweise weitere 400 bis 500 Gefangene haben Jesus als ihren Herrn und Erlöser angenommen, waren aber nicht bereit, die Verbindlichkeit aufzubringen, die von einem Gemeindemitglied verlangt wird. Juan Zuccarelli meint, dass diese Männer in einer Gemeinde außerhalb des Gefängnisses wahrscheinlich sehr gute Gemeindemitglieder abgeben würden. Doch die Anforderungen und Härten des Gemeindelebens verlangen eine Opferbereitschaft und Disziplin, zu der sie nicht bereit sind. Diese Männer werden in Zellenblocks untergebracht, die zwar nicht christlich sind, aber doch einen relativ sicheren Lebensraum bieten.
     Juan Zuccarelli beschließt die Geschichte:
     »1991 hatte Márquez seine Strafe abgesessen und Kuris und Cardozo teilten sich in die Leitung der Gemeinde. Bisher wurde nicht viel über Cardozo gesagt, aber er war ein besonderer Mann, sehr ruhig und respektvoll. Er überlegte lange, bevor er etwas sagte, und seine Ratschläge waren immer gut. Er war ein wahrer Pastor für den Dienst im Gefängnis und arbeitete hart daran, ein weiteres Anwachsen der Gemeinde sicherzustellen. Als Kuris und Cardozo entlassen wurden, ernannte die Gemeinde Ramó Avalos, Daniel Váquez und Antonio Franco, drei wahre Männer Gottes, ihren Platz einzunehmen.
    1991 wurde ich zum Verantwortlichen für die nichtkatholischen Insassen des Gefängnisses Olmos ernannt, was bedeutet, dass ich den ganzen Tag zusammen mit meinen Glaubensgeschwistern im Gefängnis dienen kann, anstatt in den Verwaltungsbüros zu arbeiten. Nach so vielen Jahren des Kampfes und des Gebets ist es ein großer Segen, zu sehen, dass sich ein Traum erfüllt hat.
     Wir befinden uns in einem ständigen Prozess des Wachstums und der Verbesserung der Gemeindeorganisation. Ramón Avalos übt weiterhin das Pastorenamt aus, während Gott weitere Männer ausrüstet, das Werk fortzuführen. Heute sind das gesamte vierte Stockwerk und acht der Zellenblocks auf dem dritten Stockwerk von Mitgliedern der Gemeinde bewohnt. Bis Ende des Jahres hoffen wir, den Rest des dritten Stockwerkes übernommen zu haben. Und durch die Gnade Gottes werden wir nicht einhalten, bis das ganze Gefängnis Jesus Christus zu Füßen gelegt ist.«
     Den Gefangenen ist gelungen, was sie sich vorgenommen hatten: Seit Mai 1997 wird der gesamte dritte Stock von Gemeindemitgliedern bewohnt.
Dienst und Leben der Gemeinde
     Diese Gemeinde ist einzigartig in Struktur und Disziplin. Sie erinnert vielleicht eher an ein Kloster als an eine Gemeinde. Disziplin und Gehorsam sind Kennzeichen ihres Verhaltens, also das genaue Gegenteil ihres früheren Lebensstils.
Aufnahme in die Gemeinde
     Stellen Sie sich vor, in Räumen mit bis zu sechzig Gefangenen zusammenzuleben, die lediglich für vierundzwanzig Männer konzipiert waren, und das beinahe vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das wäre eine erschreckende Herausforderung für Christen, aber für die kriminellen Elemente der Gesellschaft ist es die Hölle. Die Gemeinde bietet einen Ausweg aus diesem dunklen und gefährlichen Ort.
     Jeden Tag bitten mehr Gefangene um Aufnahme in die Zellenblocks der Christen, als dort untergebracht werden können. Wenn der Bitte eines Gefangenen entsprochen wird, erhält er Unterweisung im christlichen Glauben. Wenn er Christus noch nicht als seinen Herrn und Erlöser angenommen hat, dann tut er es jetzt. Dies ist ein wichtiger Teil der
evangelistischen Bemühungen. Das Gemeindeleben und die gläubigen Gefangenen haben sich einen Ruf erworben, der anziehend auf die übrigen Inhaftierten wirkt. Das ist nicht schwer zu verstehen, wenn man das Elend und die Gefahren bedenkt, die das Los des gewöhnlichen Gefangenen im nichtchristlichen Teil des Gefängnisses sind.
     Jeder, der in die Gemeinde aufgenommen werden will, erhält eine Einführung in die Regeln und Vorschriften des Lebens im Zellenblock. Kämpfe, Rauchen, Drogen, homosexuelles Verhalten sowie Fernsehkonsum sind nicht erlaubt. Die Gemeinde sieht diese Aktivitäten als nichtchristlich an und ist der Überzeugung, dass sie einen negativen Einfluss auf die Gläubigen haben. Ist der Mann mit den Regeln einverstanden, wird er in einem der beiden christlichen »Beobachtungszellenblocks« untergebracht. Hier wird seine Hingabe an Christus beobachtet; man untersucht, ob er den christlichen Lebensstil, so wie er im Gefängnis gelebt wird, einhält, und ermutigt ihn immer wieder. Diese »Probezeit« ist vor dem Hintergrund, dass die christlichen Blocks auch für viele der Nichtgläuben besonders attraktiv sind, nachvollziehbar. Besteht der Betroffene diese Prüfungszeit erfolgreich, wird er in die regulären christlichen Zellenblocks integriert.
     Er wird nun vierundzwanzig Stunden am Tag Gemeinde leben. Das heißt, er ist nie frei von den Anforderungen und der Disziplin der Gemeinde und ist vierundzwanzig Stunden am Tag unter Beobachtung von Seiten seiner Glaubensbrüder. Dies gilt für jeden, von den Pastoren bis zu den neuesten Gemeindemitgliedern. Nicht jeder wird dieser beträchtlichen Herausforderung gerecht.
Gebet und Fasten
     Gebet ist der Grundstein des Lebens und Dienstes der Gemeinde. Alle weiteren Aktivitäten resultieren aus ihr. Man erwartet, dass jedes aktive Gemeindemitglied an den Gebetsnächten teilnimmt, die das ganze Jahr hindurch ohne Ausnahme jede Nacht abgehalten werden. Mindestens einmal pro Woche muss jeder die ganze Nacht - von Mitternacht bis
sechs Uhr morgens - in Gebet, Bibelstudium und Fürbitte für schlafenden gläubigen Mitgefangenen verbringen. Diese Aktivitäten werden jede Nacht in drei Schichten von jeweils
zwei Stunden von sechs Männern aus jedem Zellenblock durchgeführt, jeweils zwei gleichzeitig für jede der drei Aufgaben. Man kann zum Beispiel mit zwei Stunden Bibellese beginnen. Dann geht man weiter zu zwei Stunden Gebet auf den Knien. Die nächsten zwei Stunden geht man von Bett zu Bett und betet für die schlafenden Glaubensbrüder im Zellenblock. Bei zwanzig christlichen Zellenblocks bedeutet das, dass jede Nacht mindestens einhundertzwanzig Männer Gebetsnächte in einem Hochsicherheitsgefängnis in Argentinien abhalten. (Mai 1997: 24 Zellenblocks, mindestens 144 Brüder pro Nacht)
     Fünf ganze Zellenblocks sind darüber hinaus ausschließlich dem Dienst der Fürbitte geweiht. In diesen Blocks wird vierundzwanzig Stunden am Tag gebetet. Non-stop-Gebetsketten sind ein Teil der normalen Aktivität der Gemeinde.
Ähnlich konsequent verfolgt man dort das Fasten. Die Gemeinde fastet zweimal pro Woche, dienstags und freitags. Das Fasten dauert von morgens bis zwei Uhr nachmittags oder sechs Uhr abends. Zusätzlich werden regelmäßig besondere Fastenzeiten ausgerufen. Die Gefangenen sind sich bewusst, dass im Glaubensakt des Fastens besonders große geistliche Kraft freigesetzt wird. Zusammen mit Gebet ist dies eine wirksame Vorbereitung wie auch eine Waffe für den geistlichen Kampf. Für besondere Anliegen werden spezielle Fastenzeiten ausgerufen. Die Leiter der Gemeinde nehmen dabei immer die Führungsrolle ein. Oft ist das Fasten nur für die Leiter. Fastenzeiten von drei Tagen sind nicht ungewöhnlich. Viele jedoch haben bedeutend länger gefastet.
Tägliche Aktivitäten
     Mit dem Wecken um sechs Uhr morgens beginnen die Aktivitäten des Tages. Als Teil der Gemeinde übernimmt jeder der Glaubensbrüder entweder seinen Teil in der Gebetskette, studiert die Bibel oder kümmert sich um seine persönlichen Angelegenheiten. Einige der Brüder arbeiten in dem Rehabilitationsprogramm des Gefängnisses, was ihnen täglich acht Stunden Arbeit verschafft. Diejenigen, die nicht an diesem Programm teilnehmen, verbringen etwa dreiundzwanzig Stunden am Tag in den Zellenblocks. Genügend Beschäftigung gibt es in den christlichen Blocks jedoch für alle Inhaftierten.
Soziale Strukturen
     Bemerkenswert ist auch, dass durch Christus die Sozialstruktur des Gefängnisses dramatisch verändert wurde. Im normalen Gefängnisleben werden Diebe als die soziale Oberschicht angesehen, Sexualverbrecher und Triebtäter, die sich an Kindern vergehen, als die absolute Unterschicht. Dazwischen liegen Mörder und Kidnapper. Die Gefangenen werden je nach den begangenen Verbrechen in Zellenblocks eingewiesen, Diebe mit Dieben etc. In den christlichen Zellenblocks jedoch wird kein Unterschied zwischen einer Art des Verbrechens und einer anderen gemacht. Alle sind gleichberechtigte Teile der Gemeinde Jesu Christi und haben durch ihn ein neues Leben erhalten.

Der »Zehnte«
     In der Gemeinde ist es Pflicht, zehn Prozent seines Besitzes abzugeben. Da Bargeld im Gefängnis verboten ist, muss ein Gefangener jedesmal, wenn ihm ein Freund oder Familienmitglied etwas mitbringt, der Gemeinde zehn Prozent davon abgeben. Die Gemeinde verteilt dann das Empfangene im Gefängnisspital oder an Bedürftige innerhalb und außerhalb des Gefängnisses. Viele Häftlinge wurden von ihren Familien vergessen und in diesen Fällen springt die Gemeinde ein, um ihnen zu helfen. Sie hilft auch den notleidenden Familien einiger Gefangener. Einmal gab die Gemeinde auch Geld an eine Hilfsorganisation, die den Betroffenen einer Überschwemmungskatastrophe in einem anderen Teil Argentiniens Hilfsgüter sandte.

Leiterschaft
     Im Augenblick wird die Gemeinde von Ramón Avalos geleitet, einem Pastor und Strafgefangenen, der seit etwa sieben Jahren gläubig ist. Seit Bestehen der Gemeinde haben sich neun Pastoren in der Leitung abgelöst und normalerweise teilen sich zwei oder drei Männer diese Position. Dazu üben etwa sechzig bis siebzig Brüder verschiedene Leitungsaufgaben in der Gemeinde aus. Die Leiter werden in einer Bibelschule ausgebildet, die innerhalb des Gefängnisses geführt wird. Die Gemeindemitglieder werden fortwährend unterrichtet und alle Leiter kommen aus den eigenen Reihen. Nur nach genauester Beobachtung und bestem Training wird ein Mann in eine Leiterschaftsposition eingesetzt. Jeder Zellenblock hat seine eigenen Leiter. Der Leiter eines Zellenblocks übt das pastorale Amt über die fünfzig bis sechzig Männer aus, die mit ihm zusammenleben. Seine Verantwortungsbereiche umfassen das christliche Verhalten und die Betreuung der Männer sowie die Gemeindeversammlungen in den Zellenblocks dreimal pro Woche. Ebenso hat jede der vier Zellen im Zellenblock einen Leiter, der im Dienst des Zellenblocks mithilft.

Pastoraler Dienst
     Die Pastoren, die selbst als Strafgefangene dort leben, sind die wahren »Hirten der Herde«, viel mehr als die Pastoren, die von außen zu Besuch kommen. Sie leben vierundzwanzig Stunden am Tag mit den »Schafen«. Ihr Leben steht unter ständiger Beobachtung und ihr Dienst wird meist permanent in Anspruch genommen. Oft werden sie nachts zu jemandem gerufen, bei dem sich dämonische Manifestationen eingestellt haben. Befreiung von dämonischen Geistern ist eines der häufigsten Elemente des pastoralen Dienstes. Diese Pastoren müssen in ständiger Bereitschaft leben, von Gott immer wieder mit neuer Kraft, Autorität und klarem Urteilsvermögen ausgestattet zu werden, um ihren Dienst ausüben zu können. Sie beten für Heilung, sind als Seelsorger für ihre gläubigen Mitgefangenen tätig, unternehmen viele evangelistische Einsätze und machen Krankenbesuche im Gefängniskrankenhaus. Bei der Gefängnisleitung haben sie sich so viel Respekt erworben, dass sie sich nun im ganzen Gefängnis frei bewegen können.

Heilung und Befreiung
     Viele dramatische Berichte liegen vor von Gefangenen, die von allen möglichen Krankheiten geheilt wurden, von Geisteskrankheiten bis hin zu AIDS. Gott scheint es zu genießen, seine Kraft gerade dort zu zeigen, wo die Zerstörungskraft des Bösen in der Vergangenheit soviel Verwüstung angerichtet hat. Befreiung geschieht im Gefängnis beinahe jeden Tag. Dieser Dienst war der Schlüssel zur schnellen Expansion der Gemeinde und zu der geistlichen Autorität der Leiter. Die Gemeinde ist immer bereit, für jede Not zu beten, sei sie körperlich, emotional oder geistlich. Ganze Bände könnten gefüllt werden mit Berichten von Leben, die völlig verändert wurden durch die Bereitschaft, sich immer wieder in allem allein auf Gott zu verlassen.

Gottesdienste
     An sechs Tagen in der Woche finden drei- bis vierstündige Gottesdienste mit Lobpreis, Anbetung, Gebet und Predigt statt. Drei Tage in der Woche werden diese Gottesdienste in den Zellenblocks selbst gehalten, wobei die Leiter der Zellenblocks die Verantwortung tragen. An den übrigen drei Tagen finden die Gottesdienste in der katholischen Kirche auf dem Gefängnisgelände statt. 600 bis 800 Männer kommen dort zusammen, um Gott zu preisen, anzubeten und mehr über ihn zu erfahren. (Stand Mai 1997: Sie haben heute das Problem, dass von den 1’480 getauften Christen nur ca. 1’000 in die katholische Kirche, den größten Versammlungsort auf dem Gefängnisgelände, passen!) Mittlerweile sind nur noch sehr wenige Gefängniswärter anwesend, da sie sich als völlig überflüssig erwiesen haben - eine Situation, die in einem Gefängnis dieser Art bisher absolut unvorstellbar war!
     Die Gottesdienste selbst verdienen besondere Erwähnung. Die Grundfesten des Gefängnisses erzittern im wahrsten Sinne des Wortes unter der Macht der Loblieder. Eine unglaubliche Kraft wird freigesetzt, wenn die Gefangenen mit dem Gebet beginnen. Es ist fast unmöglich, in diesen Gottesdiensten keine packende Begegnung mit Gott zu erleben. Viele Besucher, sowohl aus Argentinien als auch von den verschiedensten Orten der Erde, erleben, dass auch ihr Leben von der einzigartigen Erfahrung verändert wird, wenn sie zusammen mit diesen hingegebenen Männern Gott anbeten. Die Leute bezeugen, dass sie die Gegenwart Gottes noch nie so stark empfunden hatten oder dass ihr Leben so dramatisch verändert wurde. Einer der Gottesdienstbesucher erklärte: »Endlich habe ich kennen gelernt, wonach ich mich mein ganzes Leben lang gesehnt habe: wahre Erweckung!«

     Es ist unmöglich, die Anbetung im Gefängnis mit Worten angemessen zu beschreiben, man muss sie selbst erleben. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man bedenkt, dass die Menschen, mit denen man Gott anbetet, vielleicht abgestumpfte Kriminelle waren, ehemalige Mörder und Sexualverbrecher, der »Abschaum der Gesellschaft«. Am konkreten Beispiel von ehemaligen Verbrechern mit eigenen Augen zu sehen, wie groß die Gnade Gottes ist, bewegt auch das härteste Herz.

Evangelisation
     Im Augenblick geschieht die Evangelisation beinahe automatisch durch die Anziehungskraft der christlichen Zellenblocks. Die Männer wollen Teil dieser Bewegung Gottes sein und sehen, dass sich auch ihr Leben ändern kann. Aus diesem Grund versuchen sie, Zugang zur Gemeinde zu bekommen. Auch Nichtchristen können die Gottesdienste besuchen, die dreimal wöchentlich in der Kapelle auf dem Gefängnisgelände stattfinden. Einige der gläubig gewordenen Gefangenen verteilen an den Besuchstagen Heftchen mit christlichen Inhalten. Die Pastoren der Gemeinde besuchen die Zellenblocks der Nichtchristen -was jedesmal akute Lebensgefahr bedeutet -, um den Inhaftierten ihre Geschichte zu erzählen und das Evangelium zu bringen. Auch Familienangehörige und Freunde von Inhaftierten kommen zum Glauben an Jesus Christus, wenn sie erkennen, welche Veränderungen bei den Gefangenen zu sehen sind. Oft werden ganze Familien geheilt und wieder vereint.

     Ein weiteres wichtiges Missionsfeld ist das Krankenhaus. Für die Männer ist es demütigend, im Gefängnis und gleichzeitig noch im Krankenhaus zu sein - so tief unten, wie man
nur sinken kann. Plötzlich taucht ein Team von Christen aus der Gefängnis-Gemeinde auf und bringt ihnen das Evangelium, kümmert sich um ihre Bedürfnisse, badet und rasiert sie und bringt ihnen sogar etwas zu essen. Diese vielschichtige Strategie zur Verbreitung des Evangeliums führte dazu, dass immer mehr Menschen umkehren.

Theologie
     Die Theologie im Gefängnis ist sehr praxis- und hautnah. Fragen nach geistlicher Vollmacht und Autorität sind von allergrößter Bedeutung, um das tägliche Leben zu meistern. Geistliche Sensibilität wiegt schwerer als intellektuelle Schärfe. Theologische Konzepte zu verfeinern ist nicht lebensnotwendig, die Kraft zur Veränderung von Leben dagegen sehr wohl. Die Inhaftierten müssen ihr Leben als Christen im wahrsten Sinne des Wortes mitten in einem Kriegsgebiet führen, was effektive Waffen und nicht theologische Betrachtungen erfordert. Alle Leiter erhalten eine theologische Ausbildung, aber das Fundament ihrer Autorität kommt von einem fehlerlosen Lebenswandel und gottgegebener geistlicher Autorität. Die bekehrten Häftlinge beobachten ihre Leiter ständig, so dass kein Raum für Inkonsequenz bleibt. In dieser Umgebung können die Leiter kein Christensein vortäuschen. Auf Grund der praktischen Bedürfnisse der Inhaftierten ist eine Theologie, die ihnen immer wieder neue Kraft gibt, lebenswichtig. Die Gemeinde verlässt sich auf dieselbe Kraft, die die Apostel an Pfingsten erhielten, das heißt, den Heiligen Geist, ohne sich irgendeiner speziellen Denomination anzuschließen.

Die Auswirkungen der Erweckung
     Das Reich Gottes wird durch den dynamischen Dienst der Gemeinde Christ the Only Hope schnell vorangetrieben. Tausende von Menschen sind im Gefängnis durch das Evangelium verändert worden. Das »Licht, das in der Finsternis erstrahlt«, hat im Olmos-Gefängnis geistliche, körperliche und soziale Veränderungen hervorgebracht. Dieselben Auswirkungen sind auch in anderen Gefängnissen festzustellen, während sich die Erweckung ausbreitet (vgl. auch im Anhang dieses Buches). Die ganze Gesellschaft spürt diesen unermesslich positiven Einfluss, während die Erweckung die straffällig gewordenen Menschen verändert. Das sind die Auswirkungen der Erweckung!

Die Gemeinde gewinnt die Anerkennung der Nichtchristen
     Wie die Gemeinde in Jerusalem, von der uns in der Apostelgeschichte berichtet wird, die Gunst der Einwohner der Stadt hatte, so hat auch die Gemeinde im Gefängnis die Anerkennung und den Respekt der übrigen Gefangenen und der Gefängnisleitung gewonnen. Ich berichtete ja bereits von einem der Gefängnisdirektoren, der von dem Dienst tief beeindruckt war. Er beobachtete, wie sich das Leben der Inhaftierten änderte und sie zu disziplinierten Menschen wurden, die sich am göttlichen Maßstab orientierten. Als er uns seine Bewunderung für den Dienst mitteilte, klang er eher wie ein stolzer Vater und nicht wie ein Außenstehender. Ebenso gewann die Gemeinde die Gunst vieler Nichtchristen, indem sie ihre Nächstenliebe praktisch zeigte und sowohl für ihre Glaubensbrüder in der Gemeinde als auch für die übrigen Gefangenen sorgte.
     Etwa 800 bis 1’000 Gefangene besuchen die riesigen Gottesdienste in der katholischen Gefängniskirche. Dies ist zweifelsohne die größte Versammlung von Schwerstverbrechern in dem Hochsicherheitsgefängnis, die auf dem Gelände überhaupt jemals zugelassen wurde. Und dennoch ist die Anzahl der Wärter gering.
     Die Angestellten des Gefängnisses zeigen der Gemeinde gegenüber eine konstant positive Haltung. Jedesmal, wenn wir große Gruppen zum Besuch der Gemeinde ins Gefängnis brachten, waren die Behörden ausgesprochen hilfsbereit. 1994 wurde ich sogar zu einem Gespräch mit dem Direktor des gesamten Gefängnissystems der Provinz Buenos Aires eingeladen. Er zeigte sich sehr interessiert an dem Dienst der Gemeinde und bat um weitere Informationen. Dies ist eine unglaubliche Veränderung im Vergleich zu der Situation von vor zehn Jahren. Als Juan Zuccarelli seinen Glauben an Jesus Christus öffentlich bekannte und seine Arbeit im Gefängnis antrat, wurde er beschimpft und verachtet. Doch viele von denen, die einst die Christen verachteten, sind heute treue Nachfolger Jesu Christi. Diese neue Haltung der Akzeptanz ist seit 1984 immer mehr auch landesweit festzustellen. Doch nirgendwo in Argentinien sind die Auswirkungen der Erweckung stärker zu spüren gewesen als im Olmos-Gefängnis.

Die Auswirkungen der Erweckung auf die Gewalttätigkeit der Häftlinge
     Seit der Gründung der Gefängnis-Gemeinde haben die Gewaltakte drastisch abgenommen. Vor der Gründung der Gemeinde terrorisierten die pitufos (in Kapuzen-Sweatshirts gekleidete Gefangene) die gesamte Belegschaft des Gefängnisses. Die Gemeinde, die soeben erst im Begriff stand, sich in christliche Zellenblocks zu formen, begann zu beten. Es wird erzählt, dass die Gebetsnächte dadurch begannen, dass Männer wegen der Bedrohung durch die pitufos die ganze Nacht Wache standen und beteten. Diese Schreckensherrschaft endete schließlich, etwa zur selben Zeit, als die Christen die Gemeinde in sechs Zellenblocks auf dem vierten Stockwerk des Gefängnisses zusammengebracht hatten. Dies war eine klare Antwort auf ihre Gebete!
     Das Olmos-Gefängnis, das bisher immer das Machtzentrum für Aufstände im Gefängnissystem der ganzen Provinz gewesen war, geht heute in den seltensten Fällen auf die Aufrufe zur Rebellion ein. Einmal wurde von einem anderen Gefängnis ein Hungerstreik ausgerufen und die Unterstützung der übrigen Gefängnisse gefordert. Mehrere Gefängnisse schlossen sich diesem Druckmittel an, um die Behörden zu Veränderungen zu zwingen. Auch die Leiter der Gemeinde erkannten, dass die Anliegen der Gefangenen gerechtfertigt waren, und beschlossen, in der Gemeinde ein Fasten auszurufen, um zu beten und eine Lösung für das Problem zu suchen. Auf diese Art unterstützten sie ihre Mitgefangenen und gehorchten dennoch den Behörden. Bei einer anderen Gelegenheit im Jahre 1993 flammten ständig neue Aufstände in Gefängnissen der Provinz auf. Anders in Olmos: Das Gefängnis, ehemals der große Anstifter und Anführer von Aufständen, hatte sich verändert. Olmos war nun ein unwilliger und halbherziger Nachzügler in Aufständen und ein Anführer in der Erweckung.


Fortsetzung folgt

Lobpreiszeit in der katholischen Kirche von Olmos.

Links: Ramón Rosendo Avalos, Pastor in der Olmos-Gemeinde und Strafgefangener.

Rechts: Daniel Oscar Tejeda, früher Wärter in Olmos. Jetzt ist er Christ und Sicherheitschef in einem Gefängnis für alte Männer.

Links: Mario Eduardo AIbanese, zur Zeit Direktor von Olmos.

Rechts: Juan Juccarelli.

Wenn Sie mehr Informationen haben möchten oder diesem Dienst Unterstützung zukommen lassen wollen, wenden sich bitte an:

Harvest Evangelism Inc.
P. 0. Box 20310
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Telefon: (408) 927-9052 Fax: (408) 927-9830

 






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